Entscheidungsstichwort (Thema)

Alleinberühmung durch die Behauptung der „Technologieführerschaft” eines Software-Unternehmens/Berechtigung nur bei Vorsprung in Bezug auf alle wesentlichen Technologiemerkmale

 

Leitsatz (amtlich)

1. Mit der Behauptung, das große Interesse von Kunden an einem bestimmten Produkt zeige die „Technologieführerschaft” eines bestimmten Software-Unternehmens, berühmt sich der Äußernde einer Alleinstellung in der betreffenden Branche, und zwar auf der Grundlage einer konkret nachprüfbaren Tatsachenbehauptung und nicht nur einer subjektiven Einschätzung.

2. Eine „Technologieführerschaft” kann berechtigterweise nur ein Unternehmen für sich in Anspruch nehmen, das der gesamten Branche mit bedeutenden Neuentwicklungen vorangeht und an dem sich die Konkurrenz orientiert. Dies setzt voraus, dass sich der in Anspruch genommene Vorsprung auf alle wesentlichen und nicht nur auf einzelne Technologie-Merkmale bezieht.

 

Normenkette

UWG § 3

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 01.08.2000; Aktenzeichen 312 O 412/00)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 02.10.2003; Aktenzeichen I ZR 150/01)

 

Tenor

Auf die Berufung der Antragstellerin wird das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 12, vom 1.8.2000 abgeändert.

Der Antragsgegnerin wird es im Wege der einstweiligen Verfügung bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000 DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten verboten, für das Unternehmen der Antragsgegnerin im Zusammenhang mit E-Commerce-Systemen die „Technologieführerschaft in der Digital Economy” zu behaupten.

Die Kosten des Rechtsstreits in erster und zweiter Instanz trägt die Antragsgegnerin.

und beschlossen:

Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 300.000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Parteien sind Unternehmen im Bereich des Neuen Marktes. Sie sind Wettbewerber beim Angebot sog. E-Commerce-Softwarelösungen. Die Antragstellerin bietet für derartige Shoppingsysteme ihr Softwareprodukt „Cappuccino” an, die Antragsgegnerin ist mit ihrem Produkt „Enfinity” auf dem Markt vertreten.

Aus Anlass der Bekanntgabe des Unternehmensergebnisse für das 1. Quartal 2000 äußerte sich der Vorstandsvorsitzende der Antragsgegnerin im Rahmen einer Bilanzpressekonferenz am 5.5.2000 unter anderem wie folgt:

„ Das große Interesse an Intershop Enfinity, vor allem auch von global agierenden Konzernen zeigt unsere Technologieführerschaft in der Digital Economy”.

Diese Äußerung stellte die Antragsgegnerin in Form einer „Pressemitteilung” Anfang Mai 2000 in ihre Internet-Homepage (Anl. AST 1). Die Antragstellerin greift diese Darstellung als wettbewerbswidrige Alleinstellungsberühmung an.

Das LG Hamburg hat mit Urt. v. 1.8.2001 den Antrag der Antragstellerin, der Antragsgegnerin unter Androhung der üblichen Ordnungsmittel zu verbieten, für das Unternehmen der Antragsgegnerin die Technologieführerschaft in der Digital Economy in Anspruch zunehmen,

hilfsweise,

die nachfolgende Behauptungen aufzustellen und/oder aufstellen zu lassen sowie zu verbreiten und/oder verbreiten zulassen:

„Das große Interesse an Intershop Enfinity zeigt unsere Technologieführerschaft in der Digital Economy”.

zurückgewiesen. Mit ihrem form- und fristgerecht eingelegten Rechtsmittel verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren in der Berufungsinstanz weiter.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist auch in der Sache begründet. Die Antragstellerin kann von der Antragsgegnerin verlangen, dass sie es unterlässt, in entgegen § 3 UWG irreführender Weise für ihr Unternehmen im Wege einer unzutreffenden Alleinstellungsberühmung die „Technologieführerschaft in der Digital Economy” in Anspruch zunehmen.

1. Die angegriffene Behauptung des Vorstandsvorsitzenden der Antragsgegnerin im Rahmen der auf der Internet-Homepage veröffentlichten Presseerklärung wird von einem erheblichen Teil des angesprochenen Publikums als ernst zu nehmende Tatsachenbehauptung dahin verstanden, dass die Antragstellerin für sich bzw. ihr Produkt „Enfinity” allgemein eine technologische Alleinstellung auf dem relevanten Markt in Anspruch nehmen will, und zwar insbesondere in Bezug auf ein überragendes Innovationspotenzial in technologischer Hinsicht. Eine solche Behauptung ist wettbewerbsrechtlich nur zulässig, wenn sie inhaltlich zutreffend ist. Der Senat hat davon auszugehen, dass dies vorliegend nicht der Fall ist.

a) Mit der angegriffenen Äußerungen handelt die Antragsgegnerin im Verhältnis zu der Antragstellerin zu Zwecken des Wettbewerbs i.S.v. § 3 UWG.

Sowohl die Äußerung ihres Vorstandsvorsitzenden auf der Bilanzpressekonferenz als auch deren Veröffentlichung als Presseerklärung im Internet sind geeignet, den Abs. der Antragsgegnerin auf Kosten von Mitbewerbern (wie d...

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