Verfahrensgang

LG Hamburg (Aktenzeichen 416 HKO 126/19)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten zu 1) gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 23.01.2020, Az. 416 HKO 126/19, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Kostenentscheidung für die erste Instanz lautet:

Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Klägerin 20 Prozent und die Beklagte zu 1) 80 Prozent. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) trägt die Klägerin, die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) trägt diese selbst.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte zu 1).

3. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte zu 1) kann die Vollstreckung aus Ziffer I. 1. des landgerichtlichen Urteils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 70.000,00 Euro und die Vollstreckung aus Ziffer I. 2. des landgerichtlichen Urteils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,00 Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Hinsichtlich der Kosten kann der jeweilige Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des auf Grund des

Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Beschluss

Der Streitwert für die erste Instanz wird auf 100.000,00 Euro festgesetzt, wovon 80.000,00 Euro auf die gegen die Beklagte zu 1) gerichtete Klage und 20.000,00 Euro auf die gegen den Beklagten zu 2) gerichtete Klage entfallen. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 80.000,00 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt Unterlassung, Auskunft und Schadensersatzfeststellung wegen unlauterer Werbung.

Die Klägerin und die erstinstanzlich Beklagte zu 1) (im Folgenden: Beklagte) sind Wettbewerber bei der Herstellung und dem bundesweiten Vertrieb von Isolierprodukten für den Baubereich. Beide Parteien bieten unter anderem Isolierhülsen aus Polyethylenschaum an, mit denen im Boden verlaufende Warmwasserleitungen für Fußbodenheizungen gedämmt werden. Für die Qualität solcher Hülsen ist maßgeblich, dass bei möglichst niedriger Aufbauhöhe eine möglichst gute Wärmedämmung erreicht wird. Entscheidend hierfür ist die Wärmeleitzahl λ (Lambda), wobei ein niedrigerer Wert einen geringeren Wärmeverlust bedeutet. Die Beklagte vertreibt ihre in Polen produzierten Isolierhülsen unter der Bezeichnung "ThermaSmart ENEV-Q". Vorliegend relevant sind zwei verschiedene Größen, nämlich "ThermaSmart ENEV-Q 22/6" und "ThermaSmart ENEV-Q 22/20", wobei "22" jeweils den Rohr-Außendurchmesser in Millimetern angibt und "6" bzw. "20" die Dicke des Isolierschaums über dem Rohr. Die Schaumstoff-Hülsen sind mit einer dünnen, gelben Polyolefin-Außenhaut ummantelt. Diese Produkte hat die Beklagte damit beworben, dass sie nach DIN 52613 (Prospekt der Beklagten, Anlage K1) bzw. nach ISO 8497 (Webseite der Beklagten, Anlage K2) eine Wärmeleitfähigkeit von λ = 0,038 W/mK bei einer mittleren Temperatur von 40°C besäßen.

Die Klägerin hegte Zweifel an der Richtigkeit dieses seit längerem beworbenen niedrigen Lambda-Wertes und ließ die streitgegenständlichen Produkte der Beklagten am 07.05.2015 beim Fraunhofer-Institut für Bauphysik testen. Dieses ermittelte höhere Werte der Wärmeleitfähigkeit, nämlich für das Produkt "ThermaSmart ENEV-Q 22/6" eine Wärmeleitfähigkeit von λ = 0,0409 W/mK bei einer mittleren Temperatur von 40°C (Anlage K3) und für das Produkt "ThermaSmart ENEV-Q 22/20" eine Wärmeleitfähigkeit von λ = 0,0412 W/mK bei einer mittleren Temperatur von 40°C (Anlage K4).

Hierüber führten die Parteien die aus Anlagen K5 bis K14 ersichtliche Korrespondenz, in deren Laufe die Beklagte ihrerseits eine Testung ihrer Isolierhülsen durchführen ließ, welche niedrigere Lambda-Werte ergab, nämlich 0,0314 W/mk (Test Report des Instytut Mechanizacji Budownictwa i Górnictwa Skalnego (IMBIGS) in Kattowitz vom 05.01.2016, Anlage B8).

Nachdem eine außergerichtliche Einigung nicht zustande kam, reichte die Klägerin am 20.05.2016 Klage gegen die Beklagte und ihren ehemaligen Geschäftsführer, den erstinstanzlich Beklagten zu 2) ein.

Die Klägerin hat die angegriffene Werbung für irreführend und damit unlauter gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 UWG gehalten. Da ein niedrigerer Wert der Wärmeleitfähigkeit ein effizienteres, umweltschonenderes und günstigeres Heizen verspreche, sei die Werbung geeignet, Verbraucher zu einer Kaufentscheidung zu veranlassen, die diese sonst nicht getroffen hätten. Zudem sei die Wärmeleitfähigkeit für Isoliermaterial der entscheidende Wert, um die Leistungsfähigkeit des Produkts zu bewerten. Da die tatsächlichen Werte hinsichtlich der Wärmedämmung nicht den in der Leistungserklärung der Beklagten angegebenen Werten entsprächen, seien die Produkte der Beklagten nach der BauprodukteVO (EU VO 305/2011) auch nicht verkehrsfähig. Damit seien Werbung und Vertrieb der...

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