Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzesstelle

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Entscheidung vom 30.04.2010; Aktenzeichen 418 HKO 63/09)

 

Tatbestand

Der Insolvenzverwalter einer Ein-Zweck-Gesellschaft (S GmbH), die Aktien eines börsennotierten Immobilienunternehmens (I AG) gehalten hatte, machte gegenüber vier Kreditinstituten Schadensersatzansprüche i.H.v. 423,7 Mio. EUR geltend.

Bei den Beklagten zu 1 - 3 handelte es sich um die Banken eines Bankenkonsortiums, welches der S GmbH Kredite gewährt und sich zur Sicherheit die Aktien der I AG hatte verpfänden lassen. Die Beklagte zu 4 wollte die verpfändeten Aktien der I AG erwerben und hatte dazu schon vorinsolvenzlich mit den anderen Kreditinstituten Gespräche geführt. Die Beklagten zu 1 - 3 haben im eröffneten Insolvenzverfahren die verpfändeten Aktien vom Insolvenzverwalter gekauft und dann einen Teil an die Beklagte zu 4 veräußert.

In den Gerichtsverfahren vor dem LG Hamburg und dem OLG Hamburg hat der Kläger vorgetragen, er habe im eröffneten Insolvenzverfahren letztlich auf Druck der Gläubigerbanken (Beklagten zu 1 - 3) die verpfändeten Aktien freihändig an die Pfandgläubigerinnen veräußert. Anderenfalls hätten die Banken die Aktien in einer bereits angesetzten Versteigerung versteigert, wobei seitens der Banken sichergestellt war, dass zu der "öffentlichen Versteigerung" keine Bieter erscheinen. Die Versteigerungsbedingungen sahen u.a. ein Mindestgebot für das gesamte Aktienpaket von 520 Mio. EUR vor. Bietinteressenten mussten eine Bietgarantie in Höhe des Mindestgebots vorlegen. Kurz vor Abschluss des Kaufvertrags, der einen Tag vor der angesetzten Versteigerung abgeschlossen wurde, gab es keine Bietinteressenten außer den Kreditinstituten selbst.

Ursprünglich war vom Insolvenzverwalter geplant gewesen, gestützt auf ein Verwertungsrecht aus § 166 InsO bzw. eine mit den Kreditinstituten abgeschlossene Verwertungsvereinbarung, die verpfändeten Aktien freihändig zu verwerten. Es sollten weitere Investoren angesprochen werden und die Durchführung von due diligence-Prüfungen bei der I AG ermöglicht werden. In diesem Fall, so der Vortrag des klagenden Verwalters, hätte in einem transparenten Bietprozess der wahre Wert der Aktien gehoben werden können. Bei einer derartigen Vorgehensweise wäre es ihm gelungen, einen Übererlös zugunsten der Masse zu realisieren.

Die gegenüber den Beklagten zu 1 - 3 geltend gemachten Schadensersatzansprüche werden letztlich darauf gestützt, dass es den Kreditinstituten durch diverse Pflichtverletzungen und täuschungsgleiche Handlungen gelungen ist, die verpfändeten Aktien günstig selbst zu erwerben. Die Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte zu 4, die die verpfändeten Aktien erworben hat, werden damit begründet, dass sie die S GmbH zusammen mit der Beklagte zu 1, der H Bank, planmäßig in die Insolvenz getrieben hat, um so die Aktien günstig erwerben zu können.

Die Abläufe im Insolvenzeröffnungsverfahren und im eröffneten Verfahren waren nach dem Vortrag des Insolvenzverwalters dadurch gekennzeichnet, dass die Beklagten zu 1 - 3 ihm wichtige Informationen (due diligence-Berichte) vorenthielten und alles taten, dass der Kläger potenziellen Investoren die Durchführung weiterer due diligence-Prüfungen nicht ermöglichen konnte. Seitens der Gläubigerbanken wurde Zeitdruck aufgebaut und durch die Ansetzung des Versteigerungstermins der Zeitdruck nochmals verstärkt. Der Insolvenzverwalter verkaufte dann schließlich die verpfändeten Aktien einen Tag vor dem angesetzten Versteigerungstermin an die Konsortialbanken, zu denen die Beklagten zu 1 - 3 gehörten. Der Verkauf fand am 23.2.2004 statt. Vorher hatte die S GmbH am 21.11.2003 Eigenantrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt. Am 27.1.2004 war das Insolvenzverfahren eröffnet worden.

(Sachverhalt formuliert von Dr. Christian Tetzlaff, Radebeul)

 

Entscheidungsgründe

...

Das LG Hamburg, Kammer 18 für Handelssachen, hat die Klage mit Urt. v. 30.4.2010 abgewiesen (Az. 418 O 63/09).

Darin hat es im Wesentlichen ausgeführt, hinsichtlich des "Zeitraums bis zur Insolvenz" seien etwaige Schadensersatzansprüche verjährt. Alle vorgetragenen Umstände, die eine Pflichtverletzung der Beklagten zu 1 - 3 begründen könnten, hätten sich im Zeitraum vor Fälligkeit der Kredite (am 3.11.2003) ereignet. Ein (erster) Schaden sei spätestens am 21.11.2003 entstanden (Kosten des Insolvenzverfahrens). Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen i.S.d. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB habe vorgelegen: Es komme auf die Kenntnis der Organe der Sirius an, da in dem hier vorliegenden Fall einer Rechtsnachfolge auf den Kenntnisstand des ursprünglichen Gläubigers abzustellen sei. Es könne daher dahingestellt blieben, ob/wann der Kläger selbst Kenntnis erlangt habe. Die Sirius habe von allen relevanten Vereinbarungen und Schriftsätzen Kenntnis gehabt. Sofern Druck auf sie ausgeübt worden sein sollte, sei ihr dies zwangsläufig auch bekannt gewesen. Zudem sei der Sirius das Wissen der WCM und deren Vorstandsvorsitzenden Flach...

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