Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Beurteilung der Systemrelevanz eines Kraftwerks nach § 13f EnWG genügt die Bundesnetzagentur ihrem aus § 78 EnWG folgenden Ermittlungs- und Prüfungsauftrag auch durch eine Bezugnahme auf die Ergebnisse der Netzreservebedarfsfeststellung sowie die dieser zugrunde liegenden Systemanalyse der Übertragungsnetzbetreiber.

2. Für die Ausweisung als systemrelevant kommt es nicht darauf an, ob bei dem Kraftwerk die Möglichkeit eines Brennstoffwechsels besteht. Insoweit handelt es sich nicht um eine Voraussetzung, sondern um eine Rechtsfolge der Ausweisung als systemrelevant.

3. Bei der nach § 13f Abs. 1 S. 1 EnWG vorzunehmenden Prognose der Wahrscheinlichkeit einer nicht unerheblichen Gefährdung oder Störung der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems im Falle einer Einschränkung der Gasversorgung eines Kraftwerks müssen die infolge eines teilweisen Ausfalls des Übertragungsnetzes zu erwartenden Schäden in ein angemessenes Verhältnis zu dem Eingriff in die Rechte der Anlagenbetreiber gestellt werden. Angesichts der hohen Bedeutung der Versorgungssicherheit und der Schwere der durch einen Netzausfall eintretenden Schäden mit Gefahren auch für Leib und Leben von Menschen genügt für die Gefahrenprognose ein niedriger Wahrscheinlichkeitsgrad.

4. Bezugspunkt dieser Gefahrenprognose ist die Wahrscheinlichkeit einer Gefährdung oder Störung der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitäts-versorgungssystems. Die Einschränkung oder Unterbrechung der Gasversorgung wird dagegen von der Vorschrift vorausgesetzt und ist Ausgangspunkt, nicht Gegenstand der Prognose.

 

Normenkette

EnWG § 13f

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss der Bundesnetzagentur vom 28.09.2017, Az.: 608-2017-13f-2, wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen außergerichtlichen Aufwendungen der Bundesnetzagentur sowie der weiteren Beteiligten.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

A. Die Beschwerdeführerin ist ein Tochterunternehmen der A. Sie betreibt am Standort ... in innerstädtischer Lage in ... ein Heizkraftwerk mit Kraft-Wärme-Kopplung. Zu dem Heizkraftwerk gehören zwei Gas- und Dampfanlagen mit einer Leistung von jeweils 75 MW, die an das 110-kV Netz der B angeschlossen sind.

Die Beteiligte ist der verantwortliche Übertragungsnetzbetreiber in der Regelzone, in der das streitgegenständliche Heizkraftwerk der Beschwerdeführerin liegt. Sie hatte dieses bereits in den Jahren 2013 und 2015 als systemrelevant ausgewiesen. Die Bundesnetzagentur hatte die Ausweisungen jeweils für die Dauer von 24 Monaten genehmigt.

Mit Schreiben vom 03.07.2017 beantragte die Beteiligte unter Bezugnahme auf die Systemanalyse der Übertragungsnetzbetreiber vom 24.04.2017 bei der Bundesnetzagentur die Verlängerung der Ausweisung systemrelevanter Gaskraftwerke in ihrer Regelzone, u.a. auch des streitgegenständlichen Kraftwerks.

Die von der Bundesnetzagentur am 24.04.2017 auf ihrer Internetseite veröffentlichte Systemanalyse gelangt zu dem Ergebnis, dass im Starkwind - Starklast - Szenario für den Winter 2017/2018 sowie den Winter 2018/2019 ein Bedarf an Netzreserve bestehe, um ausreichend Redispatch-Potential gewährleisten zu können und das Netz auch in dieser Situation n-1 sicher sowie unter Beachtung von Mehrfachfehlern betreiben zu können. Eine Starkwind - Starklast - Situation ist von einer hohen Stromproduktion im Norden bei geringer Einspeisung durch Photovoltaikanlagen und hoher Nachfrage im Süden geprägt. In einer solchen Lage kommt es zu einem hohen Lastfluss von Norden nach Süden, wofür die Transportkapazitäten des deutschen Übertragungsnetzes nicht ausreichen. Infolgedessen müssen Kraftwerke im Süden ihre Einspeisung erhöhen, während die Übertragungsnetzbetreiber im Norden Erzeugungsanlagen im Wege des Redispatch abregeln. Als Gegenmaßnahme muss die Stromerzeugung in Süddeutschland zur Begrenzung der Lastflüsse von Norden nach Süden sichergestellt sein.

In der Systemanalyse kommen die Übertragungsnetzbetreiber zu dem Ergebnis, dass ein Wegfall von am Markt aktiven, redispatchfähigen Kraftwerken diesen Bedarf noch vergrößere. Für den Winter 2018/2019 sei sogar eine ausländische Reservekraftwerkskapazität i.H.v. 2,1 GB erforderlich. Die Bundesnetzagentur bestätigte die Systemanalyse der Übertragungsnetzbetreiber am 28.04.2017 (Feststellung des Bedarfs an Netzreserve für den Winter 2017/2018 sowie das Jahr 2018/2019 und zugleich Bericht über die Ergebnisse der Prüfung der Systemanalyse).

In dem Antrag auf Ausweisung unter anderem auch des streitgegenständlichen Kraftwerks als systemrelevant machte die Beteiligte unter Bezugnahme auf die Ergebnisse der Systemanalyse geltend, dass es eine wesentliche Gefährdung des deutschen Energieversorgungssystems darstelle, wenn die im Antrag bezeichneten Kraftwerke nicht zur Verfügung stünden. Zugleich führte sie aus, dass Kraftwerke, die nicht im Wege des Redispatch e...

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