Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorrang des Planfeststellungsverfahrens vor der zivilrechtlichen Nachbarschaftsklage auf Unterlassung von Lärmbelästigung durch Bahnbetrieb

 

Leitsatz (amtlich)

Während eines noch laufenden Planfeststellungsverfahrens nach § 72 VwVfG i.V.m. § 18 ff. AEG besteht für eine zivilrechtliche Nachbarschaftsklage, in der Ansprüche aus § 906 ZPO geltend gemacht werden (hier: Unterlassung von Lärmbelästigung durch Bahnbetrieb), regelmäßig kein Rechtsschutzbedürfnis Vielmehr bilden die Rechtsschutzmöglichkeiten der §§ 74 Abs. 2, 75 Abs. 2 VwVfG ein in sich geschlossenes Regelungssystem, das im Fall von Planfeststellungen den nachbarschaftlichen Interessen zum Ausgleich verhelfen soll.

 

Normenkette

AEG § 18c; VwVfG §§ 72, 74 Abs. 2, § 75 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Bremen (Urteil vom 10.12.2013; Aktenzeichen 8 O 448/13)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Bremen - 8. Zivilkammer - vom 10.12.2013 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage als unzulässig abgewiesen wird.

Die Kosten der Berufung hat der Kläger zu tragen.

Die Urteile des LG Bremen sowie des Senats sind vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Der Kläger macht Ansprüche auf Unterlassung von Lärmbelästigung wegen des Bahnbetriebs in der Nähe seiner Wohnung geltend.

Der Kläger bewohnt das in seinem Eigentum stehende Hausgrundstück X-Straße [...] in Bremen. Die X-Straße verläuft im rechten Winkel zum Bahndamm, auf welchem sich - an dieser Stelle etwa 1,5 Kilometer vom Hauptbahnhof entfernt - sechs Bahngleise befinden, auf denen u.a. die Beklagte ihren Zugverkehr betreibt. Zwischen dem Haus des Klägers und den Gleisen befinden sich noch drei weitere Wohngebäude. Von ihnen in Richtung Hauptbahnhof etwa 100 Meter entfernt verläuft eine Eisenbahnbrücke (Straßenüberführung), die in den vergangenen Jahren neu erstellt wurde. Etwa zwei Meter hohe Schallschutzwände sind im Bereich der Brücke angebracht, enden aber bereits im Bereich des Endpunkts der X-Straße.

Zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DB Netz AG wurden Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur und Beseitigung von Kapazitätsengpässen vereinbart. Zu den Maßnahmen gehört auch die Ertüchtigung des Verkehrsknoten Bremen, Bremen Hauptbahnhof Verlängerung Gleis 1 (Strecken 1401, 1500, 1750). Die DB Netz AG ist als Schieneninfrastrukturunternehmen der Beklagten für das Streckennetz verantwortlich. Sie führte als Vorhabenträgerin ein Planfeststellungsverfahren nach § 18 AEG durch, in dem am 16.12.2011 ein Planfeststellungsbeschluss erging. Gegenstand des Planfeststellungsverfahrens war auch die Erforderlichkeit von Schallschutzmaßnahmen zugunsten der Eigentümer betroffener baulicher Anlagen. Für das Klägergrundstück wurde eine Lärmbelästigung von maximal 48 dBA prognostiziert. In einem Verwaltungsrechtsstreit gegen die Bundesrepublik Deutschland sowie der DB Netz AG als Beigeladene vor dem OVG in Bremen (1 D 18/12) wendet sich der Kläger gegen den Planfeststellungsbeschluss und beantragt dessen Ergänzung um Maßnahmen des aktiven Lärmschutzes. Das Verfahren ist noch nicht rechtskräftig abgeschlossen.

Der Kläger hat behauptet, dass er spätestens seit Fertigstellung der neuen Brücke durch den von der Beklagten durchgeführten Zugverkehr über das zulässige Maß hinaus lärmbelastet sei. Die Schallschutzwand, die nach der Brücke ende, biete keinen ausreichenden Schallschutz. Insbesondere die von der Beklagten eingesetzten Güterzüge verursachten einen Lärm, der nicht nur tagsüber weit über den zulässigen Grenzwerten liege. Dazu hat er sich auf eigene Messungen bezogen. Er hat die Meinung vertreten, diese Angelegenheit habe nichts mit dem Planfeststellungsverfahren zu tun. Im vorliegenden Rechtsstreit gehe es um den Lärm, den die Beklagte insgesamt mit ihren Zügen auf den Gleisen verursache, und nicht um den Lärm, der zusätzlich durch das Vorhaben zur Ertüchtigung des Verkehrsknotens Bremen entstehe.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, die Gleise im Bereich des Hausgrundstücks X-Straße [...] in Bremen in einer Weise zu nutzen, dass die Lärmbelästigung tagsüber 64 dB(A) und nachts 54 dB(A), gemessen 1 Meter vor den Fenstern des Objektes X-Straße [...] in Bremen, überschritten wird,

2. den Kläger von vorgerichtlichen Ansprüchen seiner Rechtsanwälte i.H.v. EUR 489, 45 nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 11.12.2012 freizuhalten.

Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass die Klage bereits mangels Rechtsschutzbedürftigkeit unzulässig sei. Die einschlägigen Grenzwerte der 16. BImSchV seien nicht erreicht. Sie hat die Richtigkeit der von dem Kläger vorgenommenen Messungen bestritten. Die Beklagte sei zudem nicht passivlegitimiert. Zuständiges Eisenbahninfrastrukturunternehmen und Betreiberin des Schienenweges sei die DB Netz AG. Deshalb sei die Klage gegen diese zu richten. Es bestehe auch kein zivilrechtlicher Anspruch auf Lärmschutzmaßnahmen. Wegen des Planfeststellungsverfahrens ...

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