Leitsatz (amtlich)

1. Liegt der Sitz des Vermieters weit entfernt vom Ort der Mietwohnung (hier: über 400 km), ist der Anspruch des Mieters auf Einsicht in die Betriebskostenbelege am Ort des Mietobjekts zu erfüllen.

2. Auf die Übersendung von Fotokopien, gleich ob mit oder ohne Kostentragungspflicht, muss sich der Mieter regelmäßig nicht verweisen lassen.

 

Verfahrensgang

AG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 16.11.2010; Aktenzeichen 10 C 2317/10)

 

Tenor

  • 1.

    Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Freiburg im Breisgau vom 16. November 2010 - 10 C 2317/10 - aufgehoben.

    Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger oder seinem Bevollmächtigten die Einsichtnahme in die Originalbelege zur Nebenkostenabrechnung des Kalenderjahres 2008, die Mietwohnung xxxxxx im Hause xxxxxxxxx in Freiburg betreffend, am Mietort Freiburg zu ermöglichen.

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

  • 2.

    Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

  • 3.

    Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.

  • 4.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

  • 5.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

  • 6.

    Beschluss: Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird festgesetzt auf 626,18 EUR.

 

Gründe

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO).

Die zulässige Berufung des Klägers hat auch in der Sache überwiegend Erfolg.

1.

a)

Bei der Frage, an welchem Ort die Verpflichtung zur Vorlage der Belege zur Nebenkostenabrechnung zu erfüllen ist, handelt es sich in erster Linie um eine Frage der Auslegung des jeweiligen Mietvertrags. Die Parteien können den Erfüllungsort dieser Verpflichtung jedenfalls durch individualvertragliche Vereinbarung frei bestimmen (vgl. (Schmidt-Futterer, Mietrecht, 10. Aufl. 2011, § 556 Rn. 486). Auch aus § 269 BGB ergibt sich, dass maßgeblich für den Leistungsort in erster Linie die ausdrückliche oder stillschweigende Parteivereinbarung ist. In zweiter Linie sind die Umstände des Einzelfalls maßgeblich, darunter insbesondere die Natur des Schuldverhältnisses (vgl. Grüneberg, in: Palandt, BGB, 70. Aufl. 2011, § 269 Rn. 8 ff.). Beim Wohnungsmietvertrag als gegenseitigem Verträgen mit einer Mehrzahl von Verpflichtungen gibt es insofern nicht von vornherein einen einheitlichen Erfüllungsort, vielmehr ist letzterer für jede Vertragspflicht gesondert zu bestimmen (vgl. Grüneberg a.a.O. Rn. 7 m.w.N.).

Hinsichtlich der hier streitigen Verpflichtung zur Vorlage von Belegen geht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs davon aus, dass diese in Fällen, in denen Vermieter und Mieter ihre Wohnung bzw. ihren Sitz im gleichen Ort haben, in den Räumen des Vermieters zu erfüllen ist. Bei Unzumutbarkeit der Einsichtnahme dort für den Mieter hält der Bundesgerichtshof jedoch auch jenseits des Anwendungsbereichs von § 29 Abs. 2 Satz 1 NMV einen Anspruch auf Übersendung von Fotokopien gegen Kostenerstattung für denkbar (vgl. Urteil vom 8. März 2006 - VIII ZR 78/05 -, NJW 2006, S. 1419). Befinden sich die Mietsache (bzw. der Wohnsitz des Mieters) und der Sitz des Vermieters nicht am gleichen Ort, so geht eine verbreitete Auffassung in Schrifttum und Rechtsprechung dahin, dass der Mieter Einsicht am Mietort jedenfalls dann verlangen kann, wenn Mietort und Sitz des Vermieters weit voneinander entfernt sind (vgl. dazu übereinstimmend Schmidt-Futterer, a.a.O. § 556 Rn. 488; Weitemeyer, in: Staudinger, BGB, § 556 Rn. 114 [2006], jeweils m.w.N).

b)

Nach diesen Grundsätzen ist Erfüllungsort der Pflicht zur Vorlage von Belegen im hier zu entscheidenden Fall der Mietort Freiburg.

Eine ausdrückliche oder konkludente Regelung über den Erfüllungsort ist dem Mietvertrag (As. I 9 ff.) vorliegend nicht zu entnehmen. Die Kammer schließt aber anders als das Amtsgericht aus den Umständen des Mietverhältnisses im Einzelfall unter Berücksichtigung von Treu und Glauben, dass die Belege in Freiburg vorzulegen sind. Insofern würdigt die Kammer, dass der Mietvertrag zwischen dem Kläger und der Rechtsvorgängerin der Beklagten, die ihren Sitz in Karlsruhe hatte, abgeschlossen wurde; die in Bochum ansässige Beklagte ist in den Vertrag eingetreten. Der Kläger hat ein schutzwürdiges Interesse, sich zur Einsichtnahme nicht nach Bochum begeben zu müssen, zumal er mit einer solchen Möglichkeit beim Abschluss des Vertrags auch nicht rechnen musste.

Im Übrigen gilt: Schon der ursprünglichen Vermieterin, einer gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft, dürfte es ohne Weiteres zuzumuten gewesen sein, die die Wohnung betreffenden Belege auf Anforderung in Freiburg zur Verfügung zu stellen, zumal diese ein Objekt in Freiburg und nicht in Karlsruhe oder anderswo betreffen. Für die Beklagte, eine ausweislich ihrer Firma auf Wohnungsbewirtschaftung spezialisierte GmbH & Co. KG, gilt nichts anderes, zumal sich die Beklagte für die Durchführung der Nebenkostenabrechnung ersichtlich der Hilfe eines verbundenen Unternehmens - der xxxxxxxxxxxxxxxx Kundenservice GmbH - bedient, so dass von einer gewissen organisatorischen Leistungsfähigkeit ohn...

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