Verfahrensgang

AG Offenbach (Urteil vom 13.03.2013; Aktenzeichen 310 C 6/13)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Offenbach am Main vom 13.03.2013 wie folgt abgeändert:

Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 20.12.2012 zu Tagesordnungspunkt 5 wird für ungültig erklärt.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 60 % und die Beklagten 40 % zu tragen.

Das Urteil – und das angefochtene Urteil im Umfang der Zurückweisung – sind vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert der II. Instanz wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gem. § 540 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Berufung ist zulässig und insoweit begründet, als der Beschluss zu Tagesordnungspunkt 5 für ungültig zu erklären ist; im Übrigen ist sie unbegründet.

Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 20.12.2012 zu TOP 5, der Verwalterin zu gestatten, bei Liquiditätsengpässen bis zur Höhe von EUR 10.000,– kurzfristig auf die Instandhaltungsrücklage zurückzugreifen, ist für ungültig zu erklären, da er nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht.

Dies folgt daraus, dass der Beschluss generell bei Liquiditätsengpässen den kurzfristigen Zugriff auf die Instandhaltungsrücklage – unabhängig von der konkreten Höhe der Instandhaltungsrücklage zu diesem Zeitpunkt – und ohne Klärung des Begriffs kurzfristig – zulässt.

Grundsätzlich widerspricht es der Zweckbestimmung einer Instandhaltungsrücklage und bewegt sich damit nicht mehr im Rahmen einer ordnungsmäßigen Verwaltung, wenn diese für andere Maßnahmen, etwa zum Ausgleich von Wohngeldausfällen, verwendet wird (OLG München, NZM 2008, 613, hier zitiert nach Juris RdNr. 16; LG Saarbrücken NZM 1999, 870; Niedenführ in Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten § 21 Rn. 106). Die Instandhaltungsrücklage hat den gesetzlichen, hier von der Gemeinschaftsordnung auch nicht modifizierten, Zweck, notwendige größere Reparaturen des gemeinschaftlichen Eigentums zu sichern (OLG München, NZM 2008, 613, hier zitiert nach Juris; vgl. Niedenführ in Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten WEG 8. Aufl. § 21 Rn. 103).

Über Entnahmen aus der Instandhaltungsrücklage kann die Eigentümerversammlung mit Mehrheit beschließen (BayObLG NZM 2004, 745; Staudinger/Bub WEG Bearb. 2005 § 21 Rn. 203, Rn. 209; Müller Praktische Fragen des Wohnungseigentums 4. Aufl. Rn. 586). Ein Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung, eine vorhandene Instandhaltungsrücklage wieder aufzulösen, liegt nur dann im Rahmen einer ordnungsgemäßen Verwaltung, von dem durch Mehrheitsbeschluss nicht abgewichen werden darf, wenn dies nicht zur Unterschreitung der von § 21 Abs. 5 Nr. 4 WEG gebotenen Sicherheit führt (OLG Saarbrücken Beschlüsse vom 20. siebten 1998 – 5 W 110-98-35, vom 26.1.1999 – 5 W 212-98-65; Landgericht Saarbrücken vom 27.4.1999 NZM 1999, 870). Deshalb widerspricht es in der Regel den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung, die Instandhaltungsrücklage vollständig oder bis auf einen unbedeutenden Rest aufzulösen. Der Grundsatz der Zweckbindung dieser Rücklage erfordert den Verbleib einer „eisernen Reserve”. Diese erforderliche Mindestreserve, die nicht unterschritten werden darf, kann nicht abstrakt festgelegt werden, ihre Höhe hängt vielmehr von den Zustand, dem Alter und der Reparaturanfälligkeit der Anlage ab (Landgericht Saarbrücken a.a.O.).

Jedoch lassen Rechtsprechung (OLG Saarbrücken NJW-RR 2000, 87; LG Saarbrücken NZM 1999, 870) und Schrifttum (Merle in Bärmann/Pick/Merle WEG 9. Aufl. § 21 Rn. 170; Niedenführ in Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten § 21 Rn. 106; Staudinger/Bub § 21 Rn. 209) in mehr oder minder engen Grenzen Ausnahmen zu. In der Instandhaltungsrückstellung gebundene Mittel, die jedenfalls eine angemessene Höhe übersteigen, können für andere Zwecke verwendet werden (OLG München, a.a.O.; Staudinger/Bub a.a.O.; großzügiger Merle in Bärmann/Pick/Merle § 21 Rn. 170). Für die Ordnungsmäßigkeit des Beschlusses kann es damit, abgesehen von Feststellungen zur Höhe der seinerzeit vorhandenen Instandhaltungsrücklage, auch eine Rolle spielen, welche absehbaren Instandsetzungsmaßnahmen in der nächsten Zeit anstanden und welchen Kapitaleinsatz sie erforderten, ferner welche Aussichten vorhanden waren, einerseits die Rückstände doch noch einzutreiben und andererseits die Rücklage wieder aufzufüllen.

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Regelung, die die Eigentümerversammlung hier am 20.12.2012 beschlossen hat, zu unbestimmt, da sie insbesondere nicht festgelegt, welche Beträge als Instandsetzungsrücklage notwendig sind und nicht angegriffen werden dürfen.

Es ist zwar nicht zu verkennen, dass in der Situation der Eigentümerversammlung am 20.12.2012 der Beschluss in seinen Auswirkungen durchaus den Grundsätzen, nach denen die Rechtsprechung einen Zugriff auf die Instandhaltungsrücklage gestattet, entsprochen haben kann. Denn, da die Instandhaltung...

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