Leitsatz (amtlich)

1. Die Geltendmachung von Ansprüchen im Hinblick auf bauliche Veränderungen am Gemeinschaftseigentum ist nach der WEG-Reform durch das WEMoG auch in verwalterlosen Zwei-Personen-Gemeinschaften nur durch die Gemeinschaft möglich, selbst wenn das Verfahren bereits vor dem 1.12.2020 anhängig war (Fortführung von Kammer, Urteil vom 28.1.2021 – 2-13 S 155/19).

2. Ein Eigentümer ist nicht berechtigt, Ansprüche im eigenen Namen für die Gemeinschaft geltend zu machen. Bei Klagen gegen einen Eigentümer wird die Gemeinschaft jedoch nur von den übrigen Eigentümern vertreten.

 

Verfahrensgang

AG Büdingen (Urteil vom 25.02.2020; Aktenzeichen 2 C 398/19)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Büdingen vom 25.02.2020 abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Die Anschlussberufung wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtstreits.

Die Revision wird zugelassen.

Das Urteil und das angefochtene Urteil im Umfang der Berufungszurückweisung sind vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert wird auf bis zu 3.000 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin macht gegen den Beklagten – die Parteien sind die beiden einzigen Mitglieder der WEG, für die ein Verwalter nicht bestellt ist – einen Beseitigungsanspruch bezüglich einer vom Kläger auf Gemeinschaftseigentum errichteten Betonmauer samt des darauf befindlichen Holzzauns sowie des eingebauten Tores geltend, nebst 334,75 EUR vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten.

Das Amtsgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, hat der Klage bezüglich des Beseitigungsbegehrens stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. …

Mit der Berufung begehrt der Beklagte die Klageabweisung in Gänze. … Im Termin vor der Kammer hat die Klägerin den Rechtsstreit hilfsweise bezüglich des Beseitigungsanspruchs für den Fall für erledigt erklärt, dass das Gericht durch die Reform die Klagebefugnis der Klägerin nicht mehr als gegeben ansieht und zudem für den Fall, dass die Kammer auch keine Beeinträchtigung des Sondereigentums der Klägerin sieht. Dem hat sich der Beklagte angeschlossen.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Der Rechtsstreit war in der Sache zu entscheiden, denn die von der Klägerin abgegebene hilfsweise Erledigungserklärung ist unzulässig.

Nach überwiegender Auffassung und der Rechtsprechung des BGH kann ein Kläger nicht an dem Klageantrag festhalten und für den Fall, dass das Gericht die Klage für erledigt erachtet, den Rechtsstreit für erledigt erklären (vgl. nur BGH NJW 1965, 1597; WM 1982, 1260; MüKoZPO/Schulz § 91a Rn. 81; Musielak/Voit/Flockenhaus § 91a Rn. 31). Insoweit muss der Kläger sich entscheiden, ob er mit vollem Kostenrisiko an der Klage festhält oder die Sache für erledigt erklärt. Jede andere Auffassung hätte auch zur Folge, dass bei einer wie hier erklärten übereinstimmenden Erledigungserklärung, die Frage, ob die Rechtshängigkeit der Sache durch eine Bewirkungshandlung der Parteien (MüKoZPO/Schulz § 91a Rn. 23) geendet hat, von einer Rechtseinordnung des Gerichts abhängig ist, die durchaus in verschiedenen Instanzen unterschiedlich ausfallen kann. Dies ist mit dem Wesen der Rechtshängigkeit nicht zu vereinen.

2. In der Sache hat die Berufung des Beklagten Erfolg, weil nach dem Rechtsstand zum Zeitpunkt der Entscheidung durch das Berufungsgericht der Klägerin die Aktivlegitimation für die geltend gemachten Ansprüche fehlt. …

Nach dem seit dem 1. Dezember 2020 geltenden WEG ist gem. § 9a Abs. 2 Alt. 1 WEG die Gemeinschaft – alleine – im Rahmen einer gesetzlichen Vergemeinschaftung für die Ansprüche aus § 1004 BGB auf Beseitigung von Beeinträchtigungen des Gemeinschaftseigentums zuständig (Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rn. 1421; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 3 Rn. 126 ff.). Abwehrrechte aus dem Binnenrecht, die nach altem Recht gem. § 15 Abs. 3 WEG aF dem einzelnen Eigentümer zustanden, stehen nach neuem Recht nur noch dem Verband zu, denn gem. § 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG besteht eine Verpflichtung zur Einhaltung des Binnenrechts nur gegenüber dem Verband. Der einzelne Eigentümer ist, dies ist ausdrücklich Ziel der Novellierung insoweit (BT-Drs. 19/18791 S. 47), nicht mehr berechtigt, diese Ansprüche geltend zu machen.

Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche unterfallen dieser Änderung, denn die Klägerin beruft sich für ihre geltend gemachten Ansprüche auf bauliche Veränderungen des Beklagten bezüglich des Gemeinschaftseigentums, die sie nach altem Recht, wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, nach § 1004 BGB; § 15 Abs. 3 WEG aF abwehren konnte.

Dies ist nun nicht mehr der Fall. Bezüglich der Ansprüche auf Einhaltung des Binnenrechtes (§ 15 Abs. 3 WEG aF) ist die Klägerin nicht mehr Anspruchsinhaberin (§ 14 ...

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