Entscheidungsstichwort (Thema)

Entziehung

 

Verfahrensgang

AG Augsburg (Urteil vom 11.02.2004; Aktenzeichen 12 C 536/03)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Amtsgerichts Augsburg vom 11.2.2004 abgeändert.

II. Die Klage wird abgewiesen.

III. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen (§ 540 Abs. 1 ZPO); es wird insoweit auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Ergänzend ist auszuführen, daß die gegenständliche Wohnung seit Febr. 2003 vom Mieter … geräumt und seit 1.3.2003 an einen gewissen … weitervermietet ist.

Für die 2. Instanz hat die Beklagte Aufhebung des Ersturteils und Abweisung der Klage beantragt, die Klägerin Zurückweisung der Berufung.

 

Entscheidungsgründe

1.)

Gemäß den Feststellungen des Erstgerichtes, welches für das Berufungsgericht bindend ist (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) verursachte der Mieter … in der Eigentumswohnung der Beklagten bis zu seinem Auszug im Frühjahr 2003, insbesondere in den letzten 1 1/2 Jahren vor seinem Auszug, als er einen Untermieter … in die Wohnung aufnahm, ein unerträgliches Maß an Belästigungen für Mitbewohner der Wohnanlage. Diese äußerten sich durch ständige nächtliche Ruhestörungen, insbesondere bei Trinkgelagen zwischen dem Mieter … und seinem Untermieter …, die auch durch polizeiliche Einsätze nicht auf ein erträgliches Maß zu reduzieren waren. Obwohl die Hausverwaltung sich mehrfach an die Beklagte als Wohnungseigentümerin wandte und um Abhilfe ersuchte, ist seitens der Beklagten nichts geschehen.

Im übrigen werden die Feststellungen des Erstgerichtes im Rahmen der Berufungsbegründung von der Beklagten nicht in Frage gestellt.

2.)

Soweit die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung darauf verweist, dass der Mieter … bei einer Kündigung mit Selbstmord bzw. andere Mitbewohner mit „Umbringen” bedroht habe, so kann dies die Beklagte nicht entlasten, da insbesondere die Bedrohung anderer Mitbewohner Anlass dazu gegeben haben müßte, gegenüber dem Mieter … gegebenenfalls unter Mithilfe von Behörden vorzugehen. Bezeichnenderweise wurde der Auszug des Mieters … durch dessen Mutter veranlasst, die unter behördlicher Mithilfe dafür Sorge trug, dass dieser in das Bezirkskrankenhaus … verbracht wurde.

3.)

Gleichwohl besteht kein Anspruch gegenüber der Beklagten auf Veräußerung der Eigentumswohnung (§ 18 Abs. 1 WEG), da mit dem Auszug der Mieter … und seines Untermieters im Februar 2003 die unzumutbaren Zustände ihr Ende gefunden haben. Die Entziehung des Wohnungseigentumes stellt einen schweren Eingriff in das geschützte Eigentum (Art. 14 GG) dar und muß daher letztes Mittel sein, um unzumutbare Verhältnisse zu beseitigen. Liegen im Zeitpunkt der richterlichen Entscheidung die unzumutbaren Verhältnisse nicht mehr vor, so müssen besondere Gründe – insbesondere Wiederholungsgefahr – vorliegen, wenn alllein auf Grund vergangener Verletzungen eine Verpflichtung zur Veräußerung des Wohnungseigentums erfolgen soll, da die Entziehung nicht Sanktion für vergangene Verletzungen ist, sondern künftige Störungen verhindern will (vgl. Staudinger-Kreuzer, § 18 WEG Rdnr. 10; BVerfG NJW 94, 241). Eine hinreichend Wahrscheinlichkeit, dass sich die Zustände wiederholen können, vermag die Kammer nicht zu erkennen. Die vorliegenden Probleme sind im wesentlichen darauf zurückzuführen, dass 2 alleinstehende Männer mit Alkoholproblemen die Eigentumswohnung der Beklagten bewohnt haben. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte in Zukunft ihre Eigentumswohnung an Alkoholiker vermieten wird, sind für das Gericht nicht erkennbar und im übrigen seitens der Kläger nicht vorgetragen und daher lediglich theoretischer Natur.

Eine Verpflichtung zur Veräußerung kann auch dann bestehen, wenn eine Wiederholungsgefahr nicht zu erwarten ist, allerdings die Pflichtverletzung in der Vergangenheit so schwerwiegend war, dass den übrigen Wohnungseigentümern ein weiterer gemeinsamer Verbleib eines Wohnungseigentümers in der Gemeinschaft nicht mehr zumutbar ist (vgl. BVerG NJW 94, 242). Dies wird dann in Betracht zu ziehen sein, wenn die Pflichtverletzung auf das weitere Zusammenleben nachwirkt. Dies wird in erster Linie der Fall sein, wenn der Wohnungseigentümer weiterhin in der Wohnanlage wohnt und dementsprechend diese tagtäglich mit demjenigen Wohnungseigentümer konfrontiert sind, der beispielsweise durch Tätlichkeiten oder Beleidigungen eine schwerwiegende Pflichtverletzung in der Vergangenheit herbeigeführt hat. Eine solche Konstellation liegt jedoch, hier nicht vor.

4.)

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

5.)

Die Revision wird nicht zugelassen (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und ist zur Fortbildung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich, da die Zumutbarkeit des Verbleibes der Beklagten in der Wohnungseigentümergemeinschaft sich danach beurteilt, welche tatsächlichen Pflichtverletzung...

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