Rz. 11

Nach § 569 Abs. 2 liegt ein wichtiger Grund i. S. d. Generalklausel des § 543 Abs. 1 bei der Wohnraummiete dann vor, wenn ein Vertragsteil den Hausfrieden nachhaltig stört und die Unzumutbarkeitsvoraussetzungen des § 543 Abs. 1 vorliegen; unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls (BGH, Urteil v. 18.2.2015, VIII ZR 186/14, GE 2015, 509) zu prüfen, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Mietverhältnisses unzumutbar geworden ist. Die Vorschrift gilt gem. § 578 Abs. 2 Satz 1 für die Geschäftsraummiete entsprechend. Aus §§ 581 Abs. 2, 594e Abs. 1 ergibt sich die entsprechenden Anwendung auf Pacht und Landpacht.

 

Rz. 11a

Die von der Störung betroffenen Personen müssen Bewohner des Hauses oder sonstige Nutzer sein. Der Störende muss hingegen nicht im Haus wohnen oder sonstiger Nutzer sein; es genügt eine Einwirkung auf den Hausfrieden von außen. Die Störung von Personen, die nicht Nutzer des Hauses sind, fällt nicht unter § 569 Abs. 2 ( LG Paderborn, WuM 1992, 191; Schmidt-Futterer/Streyl, § 569 Rn. 37).

 

Rz. 11b

§ 569 Abs. 2 lehnt sich an § 554a a. F. an, beschränkt sich aber auf den Tatbestand des Hausfriedensbruchs und setzt ein schuldhaftes Verhalten des Störers nicht voraus (BGH, Urteil v. 8.12.2004, VIII ZR 218/03, GE 2005, 296; Kraemer, NZM 2001, 553 [554]). Das Verschulden ist aber Abwägungskriterium (BGH, a. a. O.; Kraemer, a. a. O., 562; LG Heidelberg, Urteil v. 15.4.2011, 5 S 119/10 NZM 2011, 693) bei der Frage, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses zugemutet werden kann.

 

Rz. 11c

Unter § 569 Abs. 2 können jedoch nur besonders schwerwiegende Vertragsverletzungen subsumiert werden. Die Vertragsverletzung muss so schwer sein, dass sie der betroffenen Partei die Fortsetzung des Mietverhältnisses, und sei es auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist oder bis zum sonstigen Vertragsende objektiv unzumutbar ist (Schmidt-Futterer/Streyl, § 569 Rn. 34).

 

Rz. 12

Erforderlich ist nach wie vor eine Vertragsverletzung in Form einer nachhaltigen Störung des Hausfriedens, die von dem Kündigungsgegner ausgehen muss.

Daher kommt eine fristlose Kündigung bei einer Hausfriedensstörung durch tätlichen Angriff auf einen Mitbewohner (AG München, Urteil v. 18.11.2014, 425 C 16113/14, juris; AG Münster, Urteil v. 28.8.2006, 48 C 1739/06, WuM 2007, 19) oder den Hauswart (LG Berlin, Urteil v. 17.7.2017, 65 S 149/17, GE 2017, 952; LG Karlsruhe, Urteil v. 30.7.2013, 9 S 57/13, ZMR 2014, 43), durch Einschlagen der Wohnungseingangstür zur Nachbarwohnung (AG Melsungen, Urteil v. 7.12.2017, 4 C 325/17, juris), durch eine Bedrohung (LG München I, Urteil v. 10.10.2012, 14 S 9204/12, NZM 2013, 25; LG Heidelberg, Urteil v. 15.4.2011, 5 S 119/10, NZM 2011, 693; AG Frankfurt, Urteil v. 26.3.2015, 33 C 3506/14, juris) bzw. (Lärm-)Belästigung der Mitmieter (LG Berlin, Beschluss v. 9.1.2018, 63 S 294/17, GE 2018, 333; LG Frankfurt/Main, Beschluss v. 28.12.2015, 2/11 S 248715, juris; AG Hamburg, Urteil v. 15.7.2016, 46 C 144/16, ZMR 2016, 882; AG Berlin-Lichtenberg, Urteil v. 25.3.2014, 6 C 425/13, GE 2014, 877) oder Beleidigung des in demselben Haus wohnenden Mitmieters (LG München, Urteil v. 27.9.2017, 14 S 288/17, ZMR 2018, 47) oder des Hausmeisters (AG Frankfurt/Main, Urteil v. 30.3.2017, 381 C 1469/16 (37), juris; AG Berlin-Neukölln, Urteil v. 22.4.2009, 16 C 481/08, GE 2009, 1193) ebenso in Betracht wie wenn der eine Teil den anderen in schwerer und unentschuldbarer Weise und vor allem wiederholt beleidigt (vgl. dazu näher § 543 Rn. 9). Dies gilt aber nur dann, wenn Kündigender und Kündigungsgegner in demselben Haus wohnen; schwere Beleidigungen des Mieters gegenüber seinem anderswo wohnenden Vermieter werden nur mit der Generalklausel (§ 543 Abs. 1) zu erfassen sein (Kraemer, a. a. O., 562). Bloße Unhöflichkeiten des Mieters reichen ebenso wenig aus wie das Aushängen eines dem Vermieter nachteiligen Urteils im Hausflur (LG Berlin, Urteil v. 17.3.1992, 64 S 437/91, GE 1992, 723). Es liegt kein Grund für eine wirksame Kündigung eines Mietverhältnisses vor, wenn der Mieter einen Brief an den Verwalter des Vermieters mit "Sehr geehrtes Verwalterlein" überschreibt; das gilt jedenfalls dann, wenn der Brief den Tonfall der bisherigen jahrelangen Kommunikation zwischen den beiden an Sarkasmus und Zynismus nicht merklich übertrifft (LG Berlin, Urteil v. 13.6.2008, 63 S 352/07, GE 2008, 1197 = ZMR 2009, 207). Verleumdungen und Nötigungen des Mieters machen jedoch die Fortsetzung des Mietverhältnisses für den Vermieter grundsätzlich unzumutbar. Erst Recht rechfertigen schwere Beleidigungen die fristlose Kündigung wie z. B. die Bezeichnung des Vermieters als "Halunke mit der höflichen Maske" (LG Köln, DWW 1988, 325), als "dumme Kuh" und "Arschloch" (LG Berlin, Urteil v. 22.2.2005, 63 S 410/04, GE 2005, 675), die Bezeichnung eines Hausbewohners als "Saujude", "Drecksack" oder "altes Schwein" (AG Dortmund, DWW 1996, 282). Beschim...

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