Leitsatz (amtlich)

1. Macht der Insolvenzverwalter nach Eintritt der Insolvenz des Mieters von der Ausübung des Wegnahmerechts des Mieters gemäß § 539 BGB Gebrauch, so ist die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands der Mietsache Masseverbindlichkeit, da der Insolvenzverwalter den Zustand des Mietgegenstandes durch eigene Handlungen im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO verändert hat.

2. Der Umstand, dass der Mieter Einrichtungen in der Mietsache nicht entfernt, kann der Annahme einer Rückgabe dann entgegenstehen und damit eine Vorenthaltung im Sinne von § 546 a BGB begründen, wenn wegen des Belassens der Einrichtungen nur eine teilweise Räumung des Mietobjekts anzunehmen ist

(hier: Entfernung einer Leichtbaumetallhalle ohne Beseitigung der Fundamente).

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 29 O 201/17)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 17.09.2020; Aktenzeichen IX ZR 62/19)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 05. Dezember 2017 verkündete Urteil der Zivilkammer 29 des Landgerichts Berlin - 29 O 201/17 - teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

1. Der Beklagte wird verurteilt, die für die Errichtung der Leichtbaumetallhalle

mit den Grundmaßen von 25 m × 66 m erbauten Fundamente auf dem Grundstück

L... abzubrechen und das Abbruchmaterial zu

entfernen.

2. Der Beklagte wird ferner verurteilt, an die Klägerin einen Betrag von 9.527,25 EUR

nebst 9 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 04. März

2017 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz haben die Klägerin 60 % und der Beklagte 40 % zu tragen. Von den Kosten des Rechtsstreits in zweiter Instanz haben die Klägerin 58 % und der Beklagte 42 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung zu Ziffer 1. durch Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Im Übrigen dürfen die Parteien die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 10 % leistet.

 

Gründe

I. Die Berufung der Klägerin richtet sich gegen das am 05. Dezember 2017 verkündete Urteil der Zivilkammer 29 des Landgerichts Berlin, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird.

Die Klägerin trägt zur Begründung der Berufung vor:

1. Zunächst zutreffend habe das Landgericht angenommen, dass die Beräumung bzw. Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes einer Mietsache grundsätzlich bloße Insolvenzforderung gemäß §§ 38, 108 Abs. 3 InsO sei. Das Landgericht verkenne aber, dass dann, wenn der Insolvenzverwalter nach Insolvenzeröffnung nachteilige Veränderungen auf dem Grundstück vorgenommen habe, ein Anspruch gegen die Insolvenzmasse gemäß §§ 53,55 InsO begründet werde. Dies gelte - entgegen der Ansicht des Landgerichts - insbesondere dann, wenn der Insolvenzverwalter das dem insolventen Mieter nach Vertragsende zustehende Wegnahmerecht gemäß § 539 Abs. 2 BGB ausübe. In diesem Falle führe die Verletzung der Pflicht zur Herstellung des früheren Zustandes gemäß § 258 BGB zur Masseverbindlichkeit. Denn der Berechtigte könne das Wegnahmerecht ohne gleichzeitige Wiederherstellung des Ursprungszustandes nicht ausüben.

Der Beklagte habe - unstreitig - die Leichtbaumetallhalle abgebaut, weggenommen und verwertet, ohne auch die von der Insolvenzschuldnerin für die Errichtung der Halle erbauten Fundamente abzubrechen. Weiter habe der Beklagte den Schutt, den der Abbau der Halle verursacht habe, sowie unverwertbare Gegenstände, die sich noch in der Halle befunden hätten, nicht entfernt.

Das Landgericht verkenne, dass der Abbau und die Wegnahme der Leichtbaumetallhalle nicht lediglich der Abwicklung einer schon vor Verfahrenseröffnung bestehenden Rechtsbeziehung dienten. Die Abwicklung der Rechtsbeziehung zwischen der Klägerin und der Insolvenzschuldnerin habe sich insolvenzrechtlich in Kündigung des Mietverhältnisses und Rückgabe der Mietsache (ohne Beräumung und Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes) erschöpft. Der Beklagte habe in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter das Wegnahmerecht erst ausgeübt, damit die Halle in die Insolvenzmasse integriert und durch eigene Handlung die Pflicht der Masse gemäß § 258 BGB zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes begründet. Dies betreffe vorliegend insbesondere den Abbruch der allein für die Errichtung der Halle erbauten Fundamente.

Ebenfalls habe der Beklagte den beim Abbau der Halle entstandenen und vom ihm verursachten Schutt- und Müllberg sowie die aus der Halle verbrachten unverwertbaren Gegenstände zu entfernen. Keinesfalls handele sich um die ursprünglich in der Halle befindlichen Gegenstände, die nur umgelagert worden seien.

Diese nachteiligen Veränderungen gingen unmittelbar auf die Handlungen des Be...

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