Leitsatz (amtlich)

1. Beauftragt ein öffentlicher Auftraggeber ein Gemeinschaftsunternehmen, an dem er selbst zur Hälfte beteiligt ist, ohne Durchführung eines den Anforderungen des Vierten Teils des GWB und der VgV genügenden Vergabeverfahrens mit ausschreibungspflichtigen Dienstleistungen (hier: Facility Management) und will das Gemeinschaftsunternehmen dazu gehörende Teilleistungen (hier: Abfallentsorgung), die als solche dem GWB-Vergaberegime unterfallen, in der Folge nachunternehmerähnlich weiter vergeben, ist es gegenüber einem daran interessierten Unternehmen zur Einhaltung der einschlägigen Bestimmungen über das Vergabeverfahren der VgV und der VOL/A gleichermaßen verpflichtet, wie es der öffentliche Auftraggeber selbst ohne Einschaltung des Gemeinschaftsunternehmens gewesen wäre.

2. Zur Auftraggebereigenschaft einer Messegesellschaft.

 

Verfahrensgang

Vergabekammer des Landes Berlin (Beschluss vom 10.04.2006; Aktenzeichen VK-B 1-3/06)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Vergabekammer des Landes Berlin, 1. Beschlussabteilung, - VK-B 1-3/06 vom 10.4.2006 geändert:

Der Antragsgegnerin wird untersagt, Entsorgungsdienstleistungen für die gesamte Abfallentsorgung auf dem Messegelände Berlin, der Deutschlandhalle und des ICC sowie für die Abfallentsorgung bei allen von der M B GmbH in Berlin/Brandenburg durchgeführten Veranstaltungen ohne Ausschreibungsverfahren nach Maßgabe des Vierten Teils des GWB und der VgV zu vergeben.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Nachprüfungsverfahrens beider Instanzen zu tragen. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten seitens der Antragstellerin im Verfahren vor der Vergabekammer wird für notwendig erklärt.

Der Beschwerdewert wird auf 64.960 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Die Beteiligten streiten darum, ob die Antragstellerin verlangen kann, dass die Antragsgegnerin, die C.F. GmbH & Co KG (im Folgenden: CFG), ein Gemeinschaftsunternehmen, an dem die M.B. GmbH zur Hälfte neben einem Konsortium von privaten Unternehmen beteiligt ist, Entsorgungsleistungen im Bereich der von der M B GmbH bewirtschafteten Liegenschaften und Veranstaltungen nicht ohne Durchführung eines den Regelungen des Vierten Teils des GWB und der VgV genügenden Vergabeverfahrens vergeben darf.

Die Geschäftsanteile der M.B. GmbH werden zu 99,7 % vom Land Berlin gehalten. Satzungsgemäßer Gegenstand des Unternehmens ist das Veranstalten, Durchführen und Betreuen von Messen, Ausstellungen, Kongressen und Tagungen, Sport- und Unterhaltungsveranstaltungen zur Stärkung des Messeplatzes Berlin im In- und Ausland sowie die Teilnahme an Veranstaltungen dieser Art und alle mit derartigen Geschäften zusammenhängende Aktivitäten. Die Gesellschaft hat unter Beachtung erwerbswirtschaftlicher Grundsätze zu arbeiten.

Im Dezember 2004 schlossen das Land Berlin und die M.B. GmbH eine sog. Grundlagenvereinbarung, in der Rechte und Pflichten des Landes Berlin und der M.B. GmbH geregelt wurden. Die Grundlagenvereinbarung enthält u.a. folgende Erklärungen und Regelungen:

Der Umsatz der M.B. GmbH soll von ... Mio. EUR im Jahr 2003 auf ... Mio. EUR im Jahr 2008 steigen. Das Konzernergebnis soll sich spätestens im Jahr 2008 positiv darstellen. Die M.B. GmbH zahlt an das Land Berlin jährlich einen Pachtzins i.H.v. ... Mio. EUR (netto) für das Messegelände und erhält vom Land für Wartung und Instandhaltung von landeseigenen Grundstücken und Gebäuden einschließlich ICC einen pauschalen Ausgleich i.H.v. ... Mio. EUR (netto).

Die M.B. stellt die Deutschlandhalle wie bisher auch weiterhin für den Eissport zur Verfügung. Bis zum Jahr 2008 sind keine Neubauten erforderlich.

Die M.B. erhält für die Vorbereitung und Durchführung der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung (ILA) im Jahr 2006 zum letzten Mal Zuschüsse des Landes Berlin, danach nicht mehr.

Damit diese Geschäftsziele erreicht werden können, stellt das Land im laufenden und im kommenden Jahr insgesamt ... Mio. EUR zur Stärkung der Kapitalbasis zur Verfügung. Diese Summe wird mit der bereits 2003 erfolgten Zahlung i.H.v. ... Mio. EUR verrechnet. Der verbleibende Betrag von ... Mio. EUR wird der M.B. in 2004 und 2005 zu je ... Mio. EUR zur Verfügung gestellt.

Die Geschäftsführung der M.B. GmbH berichtet vierteljährlich über die Erreichung ihrer Geschäftsziele, an der sich auch ihre Vergütung orientieren wird.

Durch einen am 30.9.2001 geschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrag (Akten der VK Bl. 453 ff.) hat die M.B. GmbH die Rechtsvorgängerin der CFG, die CF GmbH, deren gesamtes Stammkapital die M.B. GmbH hielt, mit der Erbringung von Dienstleistungen für die technische und infrastrukturelle Betreuung der Liegenschaften des Messebetriebs (F Management) ab Anfang Oktober 2001 beauftragt. Diese Leistungen hatte zuvor die M.B. GmbH selbst erbracht oder Dritte damit beauftragt. Die CFG ist nach dem Geschäftsbesorgungsvertrag zur Beauftragung von Subunternehmern berechtigt.

Durch notarielle Vereinbarung vom 24.12.2001 schufen die M.B. GmbH und die F...

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