Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats. Öffentliche Bauaufträge. Vertrag zwischen einer öffentlichen Einrichtung und einem privaten Unternehmen über die Miete eines noch nicht errichteten Gebäudes. Errichtung eines Bauwerks gemäß den vom Mieter genannten Erfordernissen. Ausnahme

 

Normenkette

Richtlinie 2004/18/EG Art. 1, 16

 

Beteiligte

Kommission/ Österreich

Europäische Kommission

Republik Österreich

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Europäische Kommission trägt die Kosten.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 12. Juli 2019,

Europäische Kommission, vertreten durch L. Haasbeek, M. Noll-Ehlers und P. Ondrůšek als Bevollmächtigte,

Klägerin,

gegen

Republik Österreich, zunächst vertreten durch M. Fruhmann, dann durch J. Schmoll als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter M. Ilešič, E. Juhász (Berichterstatter), C. Lycourgos und I. Jarukaitis,

Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 22. Oktober 2020

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission die Feststellung, dass die Republik Österreich gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 2, 28 und 35 Abs. 2 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. 2004, L 134, S. 114) verstoßen hat, indem die Stadt Wien-Wiener Wohnen (im Folgenden: Wiener Wohnen) den Vertrag vom 25. Mai 2012 bezüglich des Bürogebäudes in der Guglgasse 2-4 in Wien (Österreich) ohne Durchführung eines wettbewerblichen Vergabeverfahrens und ohne entsprechende Bekanntmachung direkt vergeben hat.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 2

Die Erwägungsgründe 2 und 24 der Richtlinie 2004/18 lauteten:

„(2) Die Vergabe von Aufträgen in den Mitgliedstaaten auf Rechnung des Staates, der Gebietskörperschaften und anderer Einrichtungen des öffentlichen Rechts ist an die Einhaltung der im Vertrag niedergelegten Grundsätze gebunden, insbesondere des Grundsatzes des freien Warenverkehrs, des Grundsatzes der Niederlassungsfreiheit und des Grundsatzes der Dienstleistungsfreiheit sowie der davon abgeleiteten Grundsätze wie z. B. des Grundsatzes der Gleichbehandlung, des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung, des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung, des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des Grundsatzes der Transparenz. Für öffentliche Aufträge, die einen bestimmten Wert überschreiten, empfiehlt sich indessen die Ausarbeitung von auf diesen Grundsätzen beruhenden Bestimmungen zur gemeinschaftlichen Koordinierung der nationalen Verfahren für die Vergabe solcher Aufträge, um die Wirksamkeit dieser Grundsätze und die Öffnung des öffentlichen Beschaffungswesens für den Wettbewerb zu garantieren. Folglich sollten diese Koordinierungsbestimmungen nach Maßgabe der genannten Regeln und Grundsätze sowie gemäß den anderen Bestimmungen des Vertrags ausgelegt werden.

(24) Dienstleistungsaufträge, die den Erwerb oder die Miete von unbeweglichem Vermögen oder Rechten daran betreffen, weisen Merkmale auf, die die Anwendung von Vorschriften über die Vergabe von öffentlichen Aufträgen unangemessen erscheinen lassen.”

Rz. 3

Art. 1 („Definitionen”) dieser Richtlinie bestimmte in Abs. 2 Buchst. b:

„‚Öffentliche Bauaufträge’ sind öffentliche Aufträge über entweder die Ausführung oder gleichzeitig die Planung und die Ausführung von Bauvorhaben im Zusammenhang mit einer der in Anhang I genannten Tätigkeiten oder eines Bauwerks oder die Erbringung einer Bauleistung durch Dritte, gleichgültig mit welchen Mitteln, gemäß den vom öffentlichen Auftraggeber genannten Erfordernissen. Ein ‚Bauwerk’ ist das Ergebnis einer Gesamtheit von Tief- oder Hochbauarbeiten, das seinem Wesen nach eine wirtschaftliche oder technische Funktion erfüllen soll.”

Rz. 4

Art. 2 („Grundsätze für die Vergabe von Aufträgen”) der Richtlinie sah vor:

„Die öffentlichen Auftraggeber behandeln alle Wirtschaftsteilnehmer gleich und nichtdiskriminierend und gehen in transparenter Weise vor.”

Rz. 5

In Art. 16 („Besondere Ausnahmen”) der Richtlinie 2004/18 hieß es:

„Diese Richtlinie findet keine Anwendung auf öffentliche Dienstleistungsaufträge, die Folgendes zum Gegenstand haben:

a) Erwerb oder Miete von Grundstücken oder vorhandenen Gebäuden oder anderem unbeweglichen Vermögen oder Rechte daran ungeachtet der Finanzmodalitäten dieser Aufträge; jedoch fallen Finanzdienstleistungsverträge jeder Form, die gleichzeitig, vor oder nach dem Kauf- oder Mietvertrag abgeschlossen werden, unter diese Richtlinie;

…”

Rz. 6

Art. 28 („Anwendung des offenen und des nichtoffenen Verfahrens, des Verhandlungsverfahrens und des wettbewerblichen Dialogs”) dieser Richtlinie lautete:

„Für die...

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