Leitsatz (amtlich)

Zur bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung von Lebens- und Rentenversicherungsverträgen nach Widerspruch gem. § 5a VVG a.F.

 

Normenkette

VVG a.F. § 5a; BGB § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, § 818 Abs. 1 Alt. 1, Abs. 3

 

Verfahrensgang

OLG Köln (Urteil vom 05.09.2014; Aktenzeichen 20 U 77/14)

LG Aachen (Urteil vom 11.04.2014; Aktenzeichen 9 O 419/13)

 

Nachgehend

BVerfG (Nichtannahmebeschluss vom 23.05.2016; Aktenzeichen 1 BvR 2230/15, 1 BvR 2231/15)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des 20. Zivilsenats des OLG Köln vom 5.9.2014 insoweit aufgehoben, als den Klägern jeweils Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz vor dem 19.11.2013 zuerkannt worden sind, und auch insoweit die Berufung der Kläger gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des LG Aachen vom 11.4.2014 zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Die klagenden Eheleute fordern von der Beklagten Rückzahlung von Versicherungsprämien und Nutzungsersatz.

Rz. 2

Mit Versicherungsbeginn zum 1.11.2003 schlossen der Kläger eine fondsgebundene Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (BUZ) sowie die Klägerin eine fondsgebundene Rentenversicherung mit aufgeschobener lebenslanger Rentenzahlung und garantierter Todesfallleistung bei Tod vor Beginn der Rentenzahlung bei der Beklagten im sog. Policenmodell gem. § 5a VVG a.F. in der seinerzeit gültigen Fassung ab.

Rz. 3

Die im jeweiligen Begleitschreiben zum Versicherungsschein vom 14.11.2003 unter der Rubrik "WICHTIGE HINWEISE" enthaltene Widerspruchsbelehrung lautete wie folgt:

"WIDERSPRUCHSRECHT Wie Ihnen bereits aufgrund unseres Hinweises im Versicherungsantrag bekannt ist, können Sie innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt des Versicherungsscheins dem Versicherungsvertrag widersprechen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs."

Rz. 4

In der Folgezeit erbrachten der Kläger Beitragszahlungen i.H.v. 33.841,79 EUR (32.025,33 EUR für die Hauptversicherung und 1.816,46 EUR für die BUZ) und die Klägerin i.H.v. 27.000 EUR.

Rz. 5

Mit Schreiben vom 9.8.2012 kündigten die Kläger ihre Verträge. Daraufhin zahlte die Beklagte Rückkaufswerte i.H.v. 21.588,70 EUR an den Kläger und i.H.v. 21.596,70 EUR an die Klägerin. Mit Schreiben vom 7.9.2013 forderten die Kläger die Beklagte zur verzinslichen Rückerstattung aller geleisteten Beiträge unter Anrechnung der Rückkaufswerte mit Fristsetzung zum 25.9.2013 auf; mit Schreiben vom 8.9.2013 erklärten sie u.a. den Widerspruch gem. § 5a VVG a.F. Am 12.2.2014 erstattete die Beklagte zunächst einbehaltene Stornoabzüge i.H.v. 1.975,77 EUR an den Kläger und i.H.v. 1.620,01 EUR an die Klägerin.

Rz. 6

Mit der Klage verlangen die Kläger - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzgl. der bereits gezahlten Rückkaufswerte. Der Kläger hat 12.741,02 EUR nebst Zinsen und weitere Zinsen i.H.v. 13.251,44 EUR nebst Zinsen gefordert, die Klägerin Zahlung von 5.403,30 EUR nebst Zinsen und weitere Zinsen i.H.v. 11.434,63 EUR.

Rz. 7

Nach Auffassung der Kläger sind die Versicherungsverträge mangels ordnungsgemäßer Belehrung über das Widerspruchsrecht nicht wirksam zustande gekommen. Auch nach Ablauf der Jahresfrist des - gegen Gemeinschaftsrecht verstoßenden - § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. hätten sie den Widerspruch noch erklären können.

Rz. 8

Die Beklagte sieht die Widersprüche der Kläger wegen Verfristung, zumindest aber wegen Verwirkung als unwirksam an. Außerdem sei ein Widerspruch nach Kündigung und Vertragsabwicklung nicht mehr zulässig. Jedenfalls sind nach ihrer Auffassung bei einer Beitragsrückerstattung folgende Positionen zu Lasten der Kläger anzurechnen:

Kläger

Klägerin

BUZ-Beiträge:

1.816,46 EUR

Abschlusskosten:

3.509,03 EUR

2.520 EUR

Verwaltungskosten:

2.880,19 EUR

3.476,97 EUR

Risikobeiträge:

3.609,16 EUR

494,72 EUR

Ratenzahlungszuschläge:

130,63 EUR

Rz. 9

Bei dem ggf. geschuldeten Nutzungsersatz seien zugunsten der Kläger nur nachgenannte Posten zu berücksichtigen:

Kläger

Klägerin

Fondserträge und laufende Überschussbeteiligung:

1.614,55 EUR

2.654,79 EUR

Schlussgewinn BUZ:

53,60 EUR

53,60 EUR

Rz. 10

Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung in Bezug auf etwaige bis 31.12.2010 entstandene Prämienrückzahlungsansprüche erhoben.

Rz. 11

Das LG hat die Klage abgewiesen. Das OLG hat ihr unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise - zugunsten des Klägers i.H.v. 6.475,85 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 8.451,62 EUR seit dem 26.9.2013 bis zum 12.2.2014 und aus 6.475,85 EUR seit dem 13.2.2014, zugunsten der Klägerin i.H.v. 5.996,96 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 7.616,97 EUR seit dem 26.9.2013 bis zum 12.2.2014 und aus 5.996,96 EUR seit dem 13.2.2014 - stattgegeben. Mit der Revision erstrebt die Beklagte auch insoweit Klageabweisung.

 

Entscheidungsgründe

Rz. 12

Die Revision hat nur hinsichtlich eines Teils der Zinsansprüche Erfolg.

Rz. 13

I. Das Berufungsgericht hat den Klägern jeweils einen Bereicherungsanspruch auf Erstattung der von ihnen geleisteten Prämien abzgl. der darauf entfallenden Risikoanteile und des Prämienanteils für die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung des Klägers und als gezogene Nutzungen die von der Beklagten erzielten Erträge zuerkannt. Es hat die Widerspruchserklärungen der Kläger als nicht verfristet angesehen. Die 14-tägige Widerspruchsfrist des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. sei nicht wirksam in Gang gesetzt worden. Die in den Policenbegleitschreiben enthaltenen Widerspruchsbelehrungen seien zum einen deshalb inhaltlich fehlerhaft, weil der notwendige Hinweis darauf fehle, dass der Widerspruch in Textform zu erheben sei. Dieser Hinweis sei nicht deshalb entbehrlich, weil von der "Absendung" des Widerspruchs die Rede sei. Damit werde dem Versicherungsnehmer nicht klar vor Augen geführt, dass nur ein in Textform verfasster Widerspruch wirksam sei. Zum anderen sei in der Belehrung nicht darauf hingewiesen worden, dass die Widerspruchsfrist erst zu laufen beginne, wenn dem Versicherungsnehmer neben dem Versicherungsschein auch die Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformation überlassen worden seien. § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F., der ein Erlöschen des Widerspruchsrechts ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie vorgesehen habe, sei auf Lebens- und Rentenversicherungsverträge nicht anwendbar.

Rz. 14

Die Kläger hätten ihre Widerspruchsrechte nicht verwirkt und mit der Erklärung des Widerspruchs im Jahr 2013 nicht gegen Treu und Glauben verstoßen, da die Beklagte es versäumt habe, die Kläger ordnungsgemäß über ihr Widerspruchsrecht zu belehren. Auch ein Erlöschen der Widerspruchsrechte nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung komme nicht in Betracht.

Rz. 15

Die Kläger könnten somit aus ungerechtfertigter Bereicherung die gezahlten Versicherungsprämien zurückverlangen. Dabei müssten sie sich die darauf entfallenden Risikoanteile sowie der Kläger zusätzlich die auf die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung entfallenden Versicherungsbeiträge anrechnen lassen, um den während der Zeit der Prämienzahlung genossenen Versicherungsschutz als erlangten Vermögensvorteil auszugleichen. Demgegenüber komme eine Anrechnung des Prämienanteils, der auf Abschluss- und Verwaltungskosten entfallen sei, nicht in Betracht. Die Beklagte könne insoweit vor allem nicht den Einwand der Entreicherung erheben. Da sie durch ihre unzureichenden Widerspruchsbelehrungen wesentlich dazu beigetragen habe, dass die Verträge nicht wirksam zustande gekommen seien, erscheine es nicht angemessen, die Kläger mit den Kosten für den Vertragsabschluss und die Vertragsdurchführung zu belasten. Die Beklagte müsse daher das Risiko tragen, dass sie ihre Vertragskosten unnötig aufgewandt habe. Gleiches gelte für die Ratenzahlungszuschläge.

Rz. 16

Nutzungen stünden dem Kläger nur i.H.v. 1.668,15 EUR zu. Hierbei handele es sich um die von der Beklagten ermittelten Fondserträge, die laufenden Überschussbeteiligungen aus der Hauptversicherung und den Schlussgewinn aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Der Anspruch beschränke sich auf die Erstattung der tatsächlich durch die Beklagte gezogenen Nutzungen. Grundsätzlich bedürfe es hierzu eines entsprechenden Tatsachenvortrages des Versicherungsnehmers. Der Kläger habe insoweit nur Bezug auf eine Zinsberechnung genommen, der sich entnehmen lasse, dass die Zinsforderung auf der Basis von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ermittelt worden sei. Einer Vermutung, dass die Beklagte mit den eingezahlten Prämien einen entsprechenden Gewinn erzielt habe, fehle die Basis. Die von ihr gezogenen Nutzungen habe die Beklagte unwidersprochen mit einem Gesamtbetrag von 1.668,15 EUR angegeben.

Rz. 17

Der Klägerin seien Nutzungen in Form von Fondserträgen, Überschussbeteiligung und Schlussgewinn i.H.v. 2.708,39 EUR zu erstatten.

Rz. 18

Gesetzliche Zinsen auf die Beitragsrückerstattungsansprüche seien den Klägern ab dem 26.9.2013 zuzuerkennen.

Rz. 19

Die Ansprüche der Kläger seien nicht verjährt, da sie erst mit Ausübung des Widerspruchsrechts entstanden seien.

Rz. 20

II. Die hiergegen gerichtete Revision ist zulässig, insb. gem. § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO aufgrund der Zulassung durch das Berufungsgericht statthaft. Dieses hat die Revision entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht nur beschränkt auf die Höhe der gegen die Beklagte bestehenden Zahlungsansprüche der Kläger zugelassen.

Rz. 21

Eine Beschränkung der Revisionszulassung auf die Anspruchshöhe lässt sich dem Berufungsurteil nicht entnehmen. Ausweislich seines Tenors wurde die Revision zugelassen, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist, was ihre Verurteilung dem Grunde nach mitumfasst. Eine eindeutige Zulassungsbeschränkung auf die Frage der Anspruchshöhe ist auch den Gründen der angefochtenen Entscheidung nicht zu entnehmen. Das Berufungsgericht hat die Zulassung der Revision damit begründet, dass die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung eines Lebensversicherungsvertrages, dem wirksam widersprochen worden sei, bislang in den Einzelheiten nicht geklärt sei.

Rz. 22

III. Die Revision ist im Wesentlichen unbegründet.

Rz. 23

1. Zu Recht hat das Berufungsgericht den Klägern Bereicherungsansprüche zuerkannt.

Rz. 24

a) Die zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsverträge schaffen keinen Rechtsgrund für die Prämienzahlungen. Sie sind infolge der Widersprüche der Kläger nicht wirksam zustande gekommen. Die Widersprüche waren - ungeachtet des Ablaufs der in § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. normierten Jahresfrist - rechtzeitig.

Rz. 25

aa) Nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts belehrte die Beklagte die Kläger nicht ordnungsgemäß i.S.v. § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. über das Widerspruchsrecht.

Rz. 26

(1) Die den Klägern in den Policenbegleitschreiben vom 14.11.2003 erteilten Widerspruchsbelehrungen sind bereits insofern inhaltlich fehlerhaft, als sie keinen Hinweis darauf enthalten, dass der Widerspruch in Textform zu erheben war. Die notwendige Belehrung über das gesetzliche Formerfordernis (vgl. BGH, Urt. v. 28.1.2004 - IV ZR 58/03, VersR 2004, 497 unter 3b) erfolgte entgegen der Auffassung der Revision nicht dadurch, dass den Klägern weiterhin mitgeteilt wurde, zur Fristwahrung genüge die rechtzeitige "Absendung" der Widerspruchserklärung (Senat, Urt. v. 17.6.2015 - IV ZR 426/13, juris Rz. 12). Selbst wenn ein verständiger Versicherungsnehmer nur verkörperte Erklärungen als der Absendung zugänglich ansieht, so bleibt für ihn dennoch unklar, ob hierzu eine Verkörperung in Textform ausreicht oder ob es nicht der traditionellen Schriftform bedarf. Dass dem Versicherungsnehmer, wie die Revision in Erwägung zieht, durch die Belehrung über den gesetzlichen Standard hinausgehend die Möglichkeit eines Widerspruchs in mündlicher Form eingeräumt werden sollte, ist ihrem Text nicht zu entnehmen.

Rz. 27

(2) Außerdem ist - wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - die Mitteilung des Fristbeginns unzureichend und damit fehlerhaft, weil die erteilten Belehrungen hierfür entgegen § 5a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. allein auf den Erhalt des Versicherungsscheins, nicht aber auch der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformation abstellten. Insoweit ist, anders als die Revision meint, ohne Belang, ob den Klägern zusammen mit den Versicherungsscheinen auch die übrigen erforderlichen Unterlagen zugingen und der Fristbeginn in der Belehrung damit faktisch richtig angegeben worden war. Dieser Umstand ändert nichts an der inhaltlichen Fehlerhaftigkeit der Belehrung, sondern betrifft allein die Auswirkung derselben auf den konkreten Fall. Für die Frage der Ordnungsgemäßheit der Belehrung kommt es auf derartige Kausalitätsfragen nicht an (vgl. BGH, Urt. v. 17.12.1992 - I ZR 73/91, BGHZ 121, 52, 57).

Rz. 28

bb) Für einen solchen Fall einer nicht ordnungsgemäßen Widerspruchsbelehrung bestimmte § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. zwar, dass das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt.

Rz. 29

(1) Das Widerspruchsrecht bestand hier aber nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort. Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. auf der Grundlage der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19.12.2013 (VersR 2014, 225). Der Senat hat mit Urteil vom 7.5.2014 (IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101 Rz. 17-34) entschieden und im Einzelnen begründet, die Regelung müsse richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert werden, dass sie im Anwendungsbereich der Zweiten und der Dritten Richtlinie Lebensversicherung keine Anwendung findet und für davon erfasste Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn der Versicherungsnehmer - wie hier - nicht ordnungsgemäß über das Recht zum Widerspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat.

Rz. 30

(2) Die Kündigungen der Versicherungsverträge stehen den späteren Widersprüchen nicht entgegen (vgl. Senatsurteil vom 7.5.2014, a.a.O., Rz. 36 m.w.N.). Ein Erlöschen der Widerspruchsrechte nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung kommt ebenfalls nicht in Betracht (vgl. Senatsurteil vom 7.5.2014, a.a.O., Rz. 37 m.w.N.).

Rz. 31

(3) Entgegen der Auffassung der Revision haben die Kläger das Recht zum Widerspruch nicht verwirkt. Es fehlt hier jedenfalls am Umstandsmoment. Ein schutzwürdiges Vertrauen kann die Beklagte schon deshalb nicht in Anspruch nehmen, weil sie die Situation selbst herbeigeführt hat, indem sie den Klägern keine ordnungsgemäßen Widerspruchsbelehrungen erteilte (vgl. Senatsurteil vom 7.5.2014, a.a.O., Rz. 39 m.w.N.).

Rz. 32

Ob - wie die Revision meint - der Verwirkungseinwand möglich ist, wenn eine Widerspruchsbelehrung nur marginale Fehler aufweist (so Heyers, NJW 2014, 2619, 2621), braucht hier nicht entschieden zu werden. Die genannten Belehrungsmängel sind nicht belanglos, sondern betreffen für die Ausübung des Widerspruchsrechts wesentliche Punkte - das Textformerfordernis und den Beginn der Widerspruchsfrist.

Rz. 33

b) Die bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen der Europarechtswidrigkeit des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sind nicht auf eine Wirkung ab Zugang des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken, sondern nur eine Rückwirkung entspricht dem Effektivitätsgebot (dazu im Einzelnen Senatsurteil vom 7.5.2014, a.a.O., Rz. 41-44).

Rz. 34

2. Aus den wirksamen Widerspruchserklärungen folgende bereicherungsrechtliche Ansprüche waren bei Erhebung der Klage im November 2013 noch nicht verjährt. Zu diesem Zeitpunkt war die maßgebliche regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB nicht abgelaufen. Diese konnte erst mit Schluss des Jahres 2013 beginnen, da die Kläger erst in diesem Jahr den Widerspruch erklärten. Der nach einem Widerspruch gem. § 5a VVG a.F. geltend gemachte Bereicherungsanspruch entstand erst mit Ausübung des Widerspruchsrechts i.S.v. § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB; jedenfalls zu diesem Zeitpunkt hatte der Versicherungsnehmer Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners i.S.v. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB (vgl. BGH, Urt. v. 8.4.2015 - IV ZR 103/15, VersR 2015, 700 Rz. 19 ff.).

Rz. 35

3. Das Berufungsgericht ist damit zutreffend davon ausgegangen, dass die Kläger von der Beklagten Prämienrückzahlung gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB verlangen können. Richtig ist auch, dass die Rückgewähransprüche der Höhe nach nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien umfassen und den Klägern bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung der jedenfalls bis zur Kündigung des jeweiligen Vertrages genossene Versicherungsschutz anzurechnen ist. Der Wert des Versicherungsschutzes kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden; bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung zukommen (Senat, Urt. v. 7.5.2014, a.a.O., Rz. 45 m.w.N.).

Rz. 36

a) Ausgehend davon hat das Berufungsgericht den geschuldeten Wertersatz auf der Grundlage der Prämienkalkulation der Beklagten in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise geschätzt.

Rz. 37

aa) Bei dem Rückgewähranspruch des Klägers hat es berücksichtigt, dass er bis zu seiner Kündigung faktisch den Schutz gegen das Todesfall- und das Berufsunfähigkeitsrisiko erlangt hatte, und den auf die gezahlten Prämien entfallenden Risikoanteil, der nach den nicht angegriffenen Feststellungen 3.609,16 EUR betrug, sowie die auf die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung entfallenden Beiträge i.H.v. 1.816,46 EUR in Abzug gebracht.

Rz. 38

Den faktisch genossenen Versicherungsschutz, den die Klägerin aufgrund der von ihr abgeschlossenen Rentenversicherung für die Zeit ab Beginn des vierten Versicherungsjahres bis zur Kündigung in Form einer Mindesttodesfallsumme von 60 % der Gesamtbeitragssumme genoss, hat das Berufungsgericht mit dem von der Beklagten angegebenen Betrag von 494,72 EUR angesetzt.

Rz. 39

Möglicherweise auf die Risikoabsicherung entfallende Kostenanteile (vgl. OLG Stuttgart VersR 2015, 561, 563; Rudy, r+s 2015, 115, 120) konnte das Berufungsgericht schon mangels entsprechenden Vortrags der Beklagten nicht berücksichtigen. Die Revision macht insoweit geltend, dass die Verwaltung des übernommenen Risikos mit Kosten verbunden sei, die nicht durch die Risikokosten gedeckt seien, sondern separat in die Prämie einkalkuliert würden. Dazu hat die Beklagte jedoch nichts Näheres vorgetragen.

Rz. 40

bb) Es ist auch nicht ersichtlich, dass die von der Beklagten geltend gemachten Abschluss- und Verwaltungskosten den Wert eines Vermögensvorteils zum Ausdruck brächten, welchen die Kläger von der Beklagten empfangen hätten.

Rz. 41

b) Hinsichtlich dieser Kosten kann sich die Beklagte - wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat - nicht gem. § 818 Abs. 3 BGB auf den Wegfall der Bereicherung berufen.

Rz. 42

aa) Vermögensnachteile des Bereicherungsschuldners sind nur berücksichtigungsfähig, wenn sie bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise adäquat-kausal auf der Bereicherung beruhen (BGH, Urt. v. 5.3.2015 - IX ZR 164/14, NJW-RR 2015, 677 Rz. 14; v. 23.10.1980 - IVa ZR 45/80, NJW 1981, 277 unter 5c; jeweils m.w.N.). Nach dieser Maßgabe sind die Verwaltungskosten bereits deshalb nicht bereicherungsmindernd zu berücksichtigen, weil sie nicht adäquat-kausal durch die Prämienzahlungen der Kläger entstanden, sondern unabhängig von den streitgegenständlichen Versicherungsverträgen angefallen und beglichen worden sind. Auch die Verwendung der Verwaltungskostenanteile der gezahlten Prämien für die Bestreitung von Aufwendungen für den Versicherungsbetrieb wirkt nicht bereicherungsreduzierend, da die Beklagte auf diese Weise den Einsatz sonstiger Finanzmittel erspart hat (so im Ergebnis auch OLG Karlsruhe, Urt. v. 9.6.2015 - 12 U 106/13 (14), juris Rz. 43; OLG Schleswig, Urt. v. 26.2.2015 - 16 U 61/13, juris Rz. 57 f.; OLG Dresden, Urt. v. 24.2.2015 - 4 U 786/14, juris Rz. 47; KG r+s 2015, 179, 181; OLG Stuttgart, Urt. v. 28.5.2015 - 7 U 27/15, S. 7 f.; vom 23.2.2015 - 7 U 44/14, S. 9; r+s 2015, 123, 125; VersR 2015, 561, 564; OLG Köln r+s 2015, 121 Rz. 23; VersR 2015, 177, 178; LG Meiningen, Urt. v. 10.12.2014 - (17) - 3 S 52/14, S. 14 f.; LG Heidelberg, Urt. v. 25.9.2014 - 1 S 8/14, juris Rz. 38 und - 1 S 15/13, juris Rz. 37; a.A. Rudy, r+s 2015, 115, 120).

Rz. 43

bb) Auch in Bezug auf die Abschlusskosten kann die Beklagte nicht mit Erfolg den Entreicherungseinwand erheben. Solche Aufwendungen, die dem Bereicherungsschuldner im Zusammenhang mit der Erlangung des Bereicherungsgegenstandes entstanden sind, sind nicht ohne Weiteres bereicherungsmindernd anzuerkennen; vielmehr hängt dies maßgeblich davon ab, welcher der Parteien des Bereicherungsverhältnisses das jeweilige Entreicherungsrisiko zugewiesen ist (BGH, Urt. v. 27.9.2013 - V ZR 52/12, NJW 2014, 854 Rz. 31; v. 26.9.1995 - XI ZR 159/94, NJW 1995, 3315 unter II 2c; v. 25.10.1989 - VIII ZR 105/88, BGHZ 109, 139, 145; jeweils m.w.N.; vgl. Baumann in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl., § 1 Rz. 195). Hinsichtlich der Abschlusskosten ist das Entreicherungsrisiko nach den maßgeblichen Wertungsgesichtspunkten der Beklagten zugewiesen. Dabei ist allerdings entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht entscheidend, dass die Unwirksamkeit des Vertragsschlusses zwischen den Klägern und der Beklagten darauf beruht, dass die Beklagte die Kläger nicht ordnungsgemäß über ihr Widerspruchsrecht belehrt hat (so auch Reiff, r+s 2015, 105, 108; insoweit a.A. OLG Dresden WM 2015, 1142, 1144; Urt. v. 24.2.2015 - 4 U 786/14, juris Rz. 46; OLG Köln r+s 2015, 121 Rz. 23; VersR 2015, 177, 178). Vielmehr gebietet es der mit der richtlinienkonformen Auslegung bezweckte Schutz des Versicherungsnehmers, dass der Versicherer in Fällen des wirksamen Widerspruchs das Entreicherungsrisiko hinsichtlich der Abschlusskosten trägt (OLG Karlsruhe, Urt. v. 9.6.2015 - 12 U 106/13 (14), juris Rz. 43; vom 22.5.2015 - 12 U 122/12 (14), juris Rz. 51; OLG Schleswig, Urt. v. 26.2.2015 - 16 U 61/13, juris Rz. 58; LG Heidelberg, Urt. v. 25.9.2014 - 1 S 8/14, juris Rz. 38 und - 1 S 15/13, juris Rz. 37; vgl. KG r+s 2015, 179, 181 zur Rückabwicklung nach Rücktritt gem. § 8 Abs. 5 VVG a.F.; a.A. OLG Koblenz, Urt. v. 12.6.2015 - 10 U 220/12 S. 20 ff.; OLG Stuttgart, Urt. v. 28.5.2015 - 7 U 27/15, S. 7 f.; vom 23.2.2015 - 7 U 44/14, S. 9; r+s 2015, 123, 125; VersR 2015, 561, 563 f.; LG Frankfurt/M., Urt. v. 23.4.2015 - 2-23 O 411/13, S. 7; Reiff, r+s 2015, 105, 109; Rudy, r+s 2015, 115, 119 f.). Dem hier zu beachtenden europarechtlichen Effektivitätsgebot widerspräche es, wenn der Versicherungsnehmer zwar auch nach Ablauf der Jahresfrist des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG dem Zustandekommen des Vertrages widersprechen könnte, aber die Abschlusskosten tragen müsste. Insbesondere im Falle des Widerspruchs nach kurzer Prämienzahlungsdauer würde das Widerspruchsrecht weitgehend entwertet, weil die bezahlten Beiträge zu einem erheblichen Teil durch die Abschlusskosten aufgezehrt würden.

Rz. 44

c) Auch die Ratenzahlungszuschläge führen zu keinem teilweisen Wegfall der Bereicherung der Beklagten (so auch OLG Dresden, Urt. v. 24.2.2015 - 4 U 786/14, juris Rz. 47; OLG Köln r+s 2015, 121 Rz. 24; a.A. Rudy, r+s 2015, 115, 120). Soweit die Ratenzahlungszuschläge - wie die Revision erstmals vorträgt - einen Verwaltungsaufwand kompensieren sollen, kann auf die Ausführungen zu den Verwaltungskostenanteilen verwiesen werden. Soweit sie als Ausgleich für einen Zinsausfall und ein besonderes Beitragszahlungsrisiko dienen, ist schon nicht erkennbar, inwiefern in ihrer Höhe die Bereicherung der Beklagten entfallen sein sollte.

Rz. 45

4. Die Kondiktionsansprüche der Kläger umfassen nicht nur die - nach Abzug des Wertersatzes für den genossenen Versicherungsschutz verbleibenden - Versicherungsprämien, sondern gem. § 818 Abs. 1 Alt. 1 BGB auch die durch die Beklagte hieraus gezogenen Nutzungen.

Rz. 46

Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass nach § 818 Abs. 1 Alt. 1 BGB nur die Nutzungen herauszugeben sind, die vom Bereicherungsschuldner tatsächlich gezogen wurden (Senat, Beschl. v. 30.7.2012 - IV ZR 134/11, juris Rz. 5; BGH, Urt. v. 8.10.1991 - XI ZR 259/90, BGHZ 115, 268, 270; v. 4.6.1975 - V ZR 184/73, BGHZ 64, 322, 323). Es hat zu Recht die Darlegungs- und Beweislast beim Versicherungsnehmer gesehen und ihm einen entsprechenden Tatsachenvortrag abverlangt, der nicht ohne Bezug zur Ertragslage des jeweiligen Versicherers auf eine tatsächliche Vermutung einer Gewinnerzielung in bestimmter Höhe - etwa in Höhe der von den Klägern verlangten Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz - gestützt werden kann (vgl. Senatsbeschluss vom 30.7.2012, a.a.O.).

Rz. 47

Über Weiteres hatte der Senat in diesem Verfahren nicht zu entscheiden, da keine der Parteien Einwendungen gegen die Schätzung des Berufungsgerichts erhoben hat.

Rz. 48

5. Das Berufungsgericht hat den Klägern in Anbetracht ihrer weit überzogenen Forderungen zu Unrecht Verzugszinsen aus den ihnen nach Abzug der erhaltenen Rückkaufswerte verbleibenden Kondiktionsansprüchen seit dem 26.9.2013 zuerkannt. Vielmehr hat die Beklagte aus dem Differenzbetrag ausschließlich Prozesszinsen gemäß den §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB seit dem 19.11.2013 zu entrichten.

Rz. 49

Mit Ablauf der durch die Kläger zum 25.9.2013 gesetzten Zahlungsfrist geriet die Beklagte nicht in Verzug. Zwar kann das Forderungsschreiben der Kläger vom 7.9.2013 als Mahnung gem. § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB ausgelegt werden. Diese war hier aber nicht verzugsbegründend. Der Gläubiger kann aus einer Mahnung keine Rechte herleiten, wenn er eine weit übersetzte Forderung geltend macht (BGH, Urt. v. 13.11.1990 - XI ZR 217/89, NJW 1991, 1286 unter III m.w.N.; OLG Stuttgart VersR 2015, 561, 565; Palandt/Grüneberg, BGB, 74. Aufl., § 286 Rz. 20 m.w.N.; Reiff, r+s 2015, 105, 113). Dies ist hier der Fall, da die Kläger in ihrem Schreiben die Rückerstattung aller geleisteten, lediglich um die bereits erfolgten Zahlungen der Beklagten geminderten Versicherungsbeiträge zzgl. weit übersetzter Zinsen als Nutzungsersatz begehrten. Dass die Beklagte die Erfüllung der berechtigten Kondiktionsansprüche zu einem bestimmten Zeitpunkt vor Klageerhebung i.S.d. § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB ernsthaft und endgültig verweigerte, haben die Kläger nicht mit der allgemeinen Behauptung einer "Verweigerung der Auszahlung des korrekten Betrages" dargetan.

 

Fundstellen

Haufe-Index 8330904

DB 2015, 8

DStR 2015, 13

EBE/BGH 2015

EWiR 2015, 637

NZG 2015, 5

WM 2015, 1614

ZIP 2015, 61

JZ 2015, 529

MDR 2015, 1069

MDR 2015, 8

NZS 2015, 5

VersR 2015, 1101

VuR 2015, 471

VuR 2015, 7

ZfS 2015, 570

StX 2015, 511

r+s 2015, 435

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