Leitsatz (amtlich)

Die nach der Neufassung des § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO mögliche Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils kann sich nicht auf den Berufungsantrag erstrecken; dieser ist auch nach neuem Recht in das Berufungsurteil aufzunehmen. Das Berufungsurteil muß deshalb, wenn es auf die wörtliche Wiedergabe des Antrages verzichtet, wenigstens erkennen lassen, was der Berufungskläger mit seinem Rechtsmittel erstrebt hat.

 

Normenkette

ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 05.07.2002)

AG Berlin-Köpenick

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der Zivilkammer 64 des Landgerichts Berlin vom 5. Juli 2002 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin hat an den Beklagten eine Wohnung vermietet. Mit der vorliegenden Klage verlangt sie von dem Beklagten die Zustimmung zu einer Mieterhöhung.

Das Amtsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und sie im übrigen als unbegründet abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht mit der Begründung zurückgewiesen, die Klage sei bereits unzulässig. Das Berufungsurteil enthält keinen Tatbestand, sondern lediglich eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen in dem amtsgerichtlichen Urteil sowie einen ergänzenden Hinweis auf die mit öffentlichen Fördermitteln erfolgte Modernisierung und Instandsetzung der Wohnung des Beklagten.

Mit ihrer zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag in vollem Umfang weiter.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsurteil ist aufzuheben, da es nicht erkennen läßt, welches Ziel die Klägerin mit ihrer Berufung verfolgt hat (§§ 545 Abs. 1, 546 ZPO).

Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, daß auf das Berufungsverfahren die Zivilprozeßordnung in der am 1. Januar 2002 geltenden Fassung anzuwenden ist, weil die mündliche Verhandlung vor dem Amtsgericht am 9. Januar 2002 geschlossen worden ist (§ 26 Nr. 5 EGZPO). Demgemäß reichte für die Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil anstelle des Tatbestandes aus (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Eine solche Verweisung kann sich jedoch nicht auf den in der zweiten Instanz gestellten Berufungsantrag der Klägerin erstrecken. Eine Aufnahme der Berufungsanträge in das Berufungsurteil ist aber auch nach neuem Recht, das eine weitgehende Entlastung der Berufungsgerichte bei der Urteilsabfassung bezweckt (Musielak/Ball, ZPO, 3. Aufl., § 540 Rdnr. 1), nicht entbehrlich (Meyer-Seitz, aaO § 540 Rdnr. 7; Musielak/Ball aaO § 540 Rdnr. 3). Der Antrag des Berufungsklägers braucht zwar nicht unbedingt wörtlich wiedergegeben zu werden; aus dem Zusammenhang muß aber wenigstens sinngemäß deutlich werden, was der Berufungskläger mit seinem Rechtsmittel erstrebt hat. So kann bei der Berufung des Klägers mit unverändertem Weiterverfolgen des erstinstanzlichen Sachantrages gegen ein klageabweisendes Urteil die Erwähnung dieser Tatsache genügen; bei teilweiser Anfechtung muß der Umfang des in die Berufung gelangten Streitgegenstandes deutlich werden (Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 540 Rdnr. 8).

Selbst an dieser Mindestvoraussetzung fehlt es aber im vorliegenden Fall. Die äußerst knapp gefaßten Urteilsgründe beschränken sich, von der erwähnten Bezugnahme abgesehen, auf die aus wenigen Sätzen bestehende Darlegung der Auffassung des Berufungsgerichts, daß die Höhe der öffentlichen Förderung für die Modernisierung der Wohnung in dem Mieterhöhungsverlangen der Klägerin nicht hinreichend erläutert worden, das Erhöhungsverlangen mithin unwirksam sei; daher sei die Klagefrist nicht in Gang gesetzt worden und die Klage unzulässig. Das Berufungsbegehren der Klägerin wird nicht erkennbar.

Da das Berufungsurteil eine der Vorschrift des § 540 ZPO entsprechende Darstellung nicht enthält, leidet es an einem von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensmangel (MünchKommZPO/Aktualisierungsbd.-Wenzel § 557 Rdnr. 27). Das Urteil ist daher aufzuheben, und die Sache ist zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

II.

In der neuen Berufungsverhandlung wird das Landgericht Gelegenheit haben, sich – auch unter Berücksichtigung der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Zulässigkeit einer Mieterhöhungsklage – mit den Argumenten der Revisionsbegründung auseinanderzusetzen.

 

Unterschriften

Dr. Deppert, Dr. Hübsch, Dr. Beyer, Dr. Wolst, Dr. Frellesen

 

Fundstellen

Haufe-Index 921691

BGHZ 2004, 99

BGHZ

BB 2003, 1147

NJW 2003, 1743

BGHR 2003, 629

BGHR

EBE/BGH 2003, 130

FamRZ 2003, 747

Nachschlagewerk BGH

ZAP 2003, 800

EzFamR aktuell 2003, 197

MDR 2003, 765

VersR 2003, 1415

KammerForum 2003, 281

Mitt. 2003, 334

ProzRB 2003, 296

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