Leitsatz (amtlich)

Für das Bestehen der Pflicht des Vermieters, die Wohnung gem. § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB zum vertragsgemäßen Gebrauch zu überlassen und sie fortlaufend in diesem Zustand zu erhalten, ist es unerheblich, ob der Mieter die Sache tatsächlich nutzt und ihn ein Mangel daher subjektiv beeinträchtigt.

 

Normenkette

BGB § 535 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 14.03.2017; Aktenzeichen 2-17 S 53/16)

AG Bad Homburg (Entscheidung vom 15.06.2016; Aktenzeichen 2 C 2295/14 (27))

 

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil der 17. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. vom 14.3.2017 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Kläger

- hinsichtlich des Klageantrags zu Ziff. 1c (Gastherme) einschließlich der hierauf bezogenen Ziff. 2,

- hinsichtlich der nach dem Klageantrag zu Ziff. 3 begehrten Feststellung einer Minderungsquote von 15 % wegen der nach dem Klageantrag zu Ziff. 1c beanspruchten Instandsetzungsmaßnahme und

- hinsichtlich der auf die Widerklage erkannten Miet- und Nebenkostenzahlbeträge, soweit dabei eine Minderungsquote von 15 % versagt worden ist,

zurückgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerde- und des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Die Kläger sind seit dem 1.5.2014 Mieter einer Wohnung der Beklagten in Bad Homburg. Die monatliche Bruttomiete beläuft sich auf 834,68 EUR; die Grundmiete beträgt 589,68 EUR.

Rz. 2

Die Parteien streiten im Wege von Klage und Widerklage über verschiedene Instandsetzungsarbeiten, die Feststellung einer Berechtigung der Kläger zur Mietminderung sowie über die Zahlung von Miete und Betriebskostennachforderungen. Im Revisionsverfahren stehen nur noch Ansprüche wegen eines behaupteten Defekts der Gastherme im Streit, wofür die Kläger eine Minderungsquote von 15 % ansetzen.

Rz. 3

Das AG hat die auf Vornahme näher bezeichneter Instandsetzungsarbeiten, auf Feststellung einer vollständigen Mietminderung sowie auf Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten gerichtete Klage abgewiesen und der auf Zahlung rückständiger Miete und einer Betriebskostennachforderung gerichteten Widerklage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der Kläger hat lediglich hinsichtlich der vorgerichtlichen Anwaltskosten und bezüglich der Widerklage insoweit Erfolg gehabt, als darin eine Nebenkostenvorauszahlung für das Jahr 2015 enthalten ist.

Rz. 4

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger hat der Senat die Revision - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsbehelfs - in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang zugelassen. In diesem Umfang verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren sowie bezüglich der Widerklage ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Rz. 5

Die Revision hat Erfolg.

I.

Rz. 6

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt:

Rz. 7

Den Klägern fehle für eine auf die Instandsetzung der Gastherme und eine auf deren Defekt basierende Minderung der Miete gerichtete Klage bereits das Rechtsschutzbedürfnis, weil die Wohnung seit dem Jahr 2016 nicht von ihnen, sondern von einem Dritten bewohnt werde, der auch die laufende Miete entrichte. Der Kläger zu 1) habe in seiner Anhörung in erster Instanz selbst angegeben, die Wohnung werde von seiner Tochter und seinem Schwager bewohnt, der auch die Miete zahle. Soweit in der Berufung demgegenüber behauptet worden sei, bei der Klägerin zu 2) handele es sich entgegen der Angabe in der Klageschrift nicht um die Ehefrau, sondern um die dort wohnende Tochter des Klägers zu 1), sei dies nicht unter Beweis gestellt worden. Die Kläger hätten auch keinen Anspruch auf Feststellung der Minderung; die Wohnung sei den Klägern vertragsgemäß zur Verfügung gestellt worden, so dass die Miete nicht gemindert und die Widerklage auf Zahlung rückständiger Miete begründet sei.

II.

Rz. 8

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch der Kläger aus § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB auf Instandsetzung der Gastherme sowie auf Feststellung einer auf den Defekt der Gastherme gestützten Mietminderung i.H.v. 15 % (§ 536 Abs. 1 Satz 2 BGB) nicht verneint und ein mit der Widerklage geltend gemachter Zahlungsanspruch in Höhe einer Minderungsquote von 15 % nicht bejaht werden.

Rz. 9

1. Wie die Revision mit Recht rügt, fehlt es der auf Instandsetzung der defekten Therme gerichteten Klage weder an dem erforderlichen Rechtsschutzinteresse, noch kann sie insoweit auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen als unbegründet angesehen werden.

Rz. 10

a) Bei Leistungsklagen ergibt sich ein Rechtsschutzbedürfnis regelmäßig schon aus der Nichterfüllung des behaupteten materiellen Anspruchs, dessen Vorliegen für die Prüfung des Interesses an seiner gerichtlichen Durchsetzung zu unterstellen ist (st.Rspr.; BGH, Urt. v. 30.9.2009 - VIII ZR 238/08, NJW 2010, 1135 Rz. 7; v. 4.6.2014 - VIII ZR 4/13, WuM 2014, 558 Rz. 17; v. 21.9.2017 - I ZR 58/16, WRP 2017, 1488 Rz. 37; jeweils m.w.N.). Nur ausnahmsweise können besondere Umstände das Verlangen des Klägers, in die materiell-rechtliche Prüfung seines Anspruchs einzutreten, als nicht schutzwürdig erscheinen lassen.

Rz. 11

Anhaltspunkte dafür, dass mit der Klage prozessfremde Ziele verfolgt werden und die Kläger die Gerichte als Teil der Staatsgewalt "unnütz bemüht" haben (vgl. BGH, Urt. v. 4.6.2014 - VIII ZR 4/13, a.a.O., Rz. 18; Roth in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., vor § 253 Rz. 154) sind vom Berufungsgericht nicht im Ansatz festgestellt und auch sonst nicht ersichtlich.

Rz. 12

Da die Beklagte den Instandsetzungsanspruch der Kläger bestreitet, sind diese auf die gerichtliche Geltendmachung angewiesen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist es für die Frage des Rechtsschutzinteresses nicht von Bedeutung, ob die Kläger selbst in der von ihnen angemieteten Wohnung leben oder sie nahen Familienangehörigen überlassen haben. Dieser Umstand lässt das Rechtsschutzinteresse der Kläger an der gerichtlichen Klärung der zwischen den Parteien streitigen Begehren nicht entfallen. Sofern das Berufungsgericht mit seinem Hinweis auf die Überlassung der Wohnung an Familienangehörige gemeint haben sollte, dem Anspruch der Kläger stehe wegen dieses Umstands der Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens (§ 242 BGB) entgegen, so handelte es sich hierbei um einen allein materiell-rechtlichen Einwand, der nicht geeignet ist, bereits das Rechtsschutzinteresse der Kläger an der materiell-rechtlichen Prüfung des von ihnen erhobenen Anspruchs zu verneinen.

Rz. 13

b) Die Entscheidung des Berufungsgerichts über den Instandsetzungsanspruch bezüglich der Gastherme stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Insbesondere kann das Bestehen dieses Anspruchs nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht verneint werden. Der - revisionsrechtlich zu unterstellende - längere Ausfall der Gastherme stellt einen Mangel dar. Da die Wohnung mit Heizung vermietet wurde, schuldet die Beklagte die Versorgung mit Wärme, mithin die Überlassung einer intakten Heizanlage und unabhängig von der genauen technischen Ausgestaltung damit auch die Warmwasserversorgung (vgl. BGH vom 22.1.2014 - VIII ZR 391/12, NJW 2014, 1951 Rz. 15; Häublein in MünchKomm/BGB, 7. Aufl., § 535 Rz. 76). Die Kläger haben hinreichend substantiiert zur Mangelhaftigkeit vorgetragen.

Rz. 14

c) Auch die Überlassung der Wohnung an Dritte vermag einen Anspruch auf Instandsetzung der Gastherme nicht auszuschließen. Den Vermieter trifft die Pflicht, die Wohnung "zum vertragsgemäßen Gebrauch" zu überlassen und sie fortlaufend in diesem Zustand zu erhalten, § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB (vgl. BGH, Urt. v. 19.11.2014 - VIII ZR 191/13, BGHZ 203, 256 Rz. 25). Für das Bestehen dieser Hauptleistungspflicht ist es unerheblich, ob der Mieter die Sache tatsächlich nutzt und ihn der Mangel daher subjektiv beeinträchtigt.

Rz. 15

d) Die Kläger sind schließlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) - im Hinblick auf die vom Berufungsgericht angenommene Überlassung der Wohnung an Familienangehörige - an der Geltendmachung des Instandsetzungsanspruchs gehindert. Ob den Klägern insoweit ein vertragswidriges Verhalten anzulasten ist, kann dahinstehen, weil durch eine etwaige Vertragsverletzung der Kläger die Pflicht der Beklagten, die Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu erhalten, angesichts des mangels Kündigung fortbestehenden Mietverhältnisses nicht berührt würde.

Rz. 16

2. Das weiter geltend gemachte Begehren auf Feststellung einer Minderungsquote kann mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung ebenfalls nicht verneint werden.

Rz. 17

a) Das Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO) folgt schon daraus, dass die Mietminderung zwischen den Parteien streitig ist. Es ist auch nicht durch die Erhebung der auf Zahlung gerichteten Widerklage entfallen, da es an der Identität der Streitgegenstände fehlt. Die Minderung als Gegenstand der Feststellungsklage ist bezüglich der Zahlungsklage der Beklagten lediglich eine entscheidungsrelevante Vorfrage. Damit ist nur ein Teilaspekt betroffen und liegt nicht der gleiche Streitstoff vor (vgl. BGH, Urt. v. 21.12.1989 - IX ZR 234/88, NJW-RR 1990, 1532 unter I 2; BeckOK/ZPO/Bacher, Stand: 1.3.2018, § 256 Rz. 10).

Rz. 18

b) Nach dem revisionsrechtlich zu unterstellenden Sachvortrag der Kläger ist von dem Bestehen eines Minderungsrechts auszugehen. Angesichts der essentiell notwendigen Versorgung einer Wohnung mit warmem Wasser liegt ein Mangel vor, der auch eine nicht unerhebliche Minderung der Gebrauchstauglichkeit der Wohnung i.S.v. § 536 Abs. 1 Satz 3 BGB nach sich zieht (vgl. BGH, Urt. v. 30.6.2004 - XII ZR 251/02, NJW-RR 2004, 1450 unter II 3a aa).

Rz. 19

Auch dem Minderungsbegehren steht die Überlassung der Wohnung an Dritte nicht entgegen. Die Minderung nach § 536 Abs. 1 BGB tritt kraft Gesetzes ein. Daher kann der Vermieter ebenso wie bei der Instandhaltungspflicht nicht mit Erfolg einwenden, der Mieter hätte die Mietsache, auch wenn sie zum vertragsgemäßen Gebrauch tauglich gewesen wäre, doch nicht genutzt (BGH, Urt. v. 11.2.1958 - VIII ZR 12/57, NJW 1958, 785 unter I; v. 29.10.1986 - VIII ZR 144/85, NJW 1987, 432 unter II 1c; Staudinger/V. Emmerich, BGB, Neubearb. 2018, § 536 Rz. 93).

Rz. 20

c) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung haben die Kläger hinreichend dazu vorgetragen, dass die Gastherme von Anfang an nicht funktioniert habe. Jedenfalls aus der Gesamtschau des Vorbringens wird deutlich, dass die Kläger mit der Rüge des bereits zum Überlassungszeitpunkt unbewohnbaren Zustands der Räumlichkeiten auch die Gastherme als umfasst ansahen.

Rz. 21

Anders als die Revisionserwiderung meint, ist auch die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht als untaugliches Beweismittel anzusehen. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass ein Sachverständiger - ggf. in Verbindung mit weiteren Angaben aus einer Parteianhörung - aus dem Ist-Zustand der Therme Rückschlüsse auf deren Funktion in der Vergangenheit ziehen kann.

Rz. 22

3. Auch die Widerklageforderung auf Zahlung rückständiger Miete kann, soweit die Kläger im streitigen Zeitraum eine Minderung i.H.v. 15 % wegen der defekten Gastherme geltend gemacht haben, mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht als begründet erachtet werden, denn das Berufungsgericht hat die erforderlichen Feststellungen zur entscheidenden Frage des vertragsgemäßen Zustands der Therme bisher nicht getroffen.

III.

Rz. 23

Nach alledem ist das Berufungsurteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist noch nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO) und ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 12036143

NJW 2018, 8

NWB 2018, 3070

NJW-RR 2018, 1285

JurBüro 2018, 556

NZM 2018, 1020

ZAP 2018, 1272

ZMR 2018, 2

ZMR 2018, 996

JZ 2018, 708

MDR 2018, 11

MDR 2018, 1237

WuM 2018, 641

MietRB 2018, 290

MietRB 2018, 291

NJW-Spezial 2018, 705

RÜ 2018, 756

RdW 2019, 283

BBB 2018, 52

GK/Bay 2019, 262

GuG 2019, 193

MK 2018, 193

MK 2019, 57

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