Leitsatz (amtlich)

a) Die ärztliche Heilbehandlung ist regelmäßig nicht Ausübung eines öffentlichen Amtes i.S.v. Art. 34 GG.

b) Die Tätigkeit eines Durchgangsarztes ist jedoch nicht ausschließlich dem Privatrecht zuzuordnen. Die vom Durchgangsarzt zu treffende Entscheidung, ob die allgemeine oder die besondere Heilbehandlung erforderlich ist, ist als hoheitlich i.S.v. Art. 34 Satz 1 GG, § 839 BGB zu qualifizieren. Gleiches gilt für die vom Durchgangsarzt im Rahmen der Eingangsuntersuchung vorgenommenen Untersuchungen zur Diagnosestellung und die anschließende Diagnosestellung (Anschluss an BGH, Urt. v. 29.11.2016 - VI ZR 208/15, vorgesehen für BGHZ).

 

Normenkette

SGB VII § 34 Abs. 1, 3; GG Art. 34; BGB § 839

 

Verfahrensgang

Thüringer OLG (Urteil vom 28.05.2015; Aktenzeichen 4 U 412/14)

LG Erfurt (Urteil vom 16.05.2014; Aktenzeichen 10 O 1867/12)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten zu 1) und 2) wird das Urteil des 4. Zivilsenats des OLG Jena vom 28.5.2015 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Die Klägerin nimmt die Beklagten zu 1) bis 4) auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung nach einem Arbeitsunfall in Anspruch.

Rz. 2

Die Klägerin rutschte am 2.2.2007 bei ihrer Arbeit als Krankenpflegerin auf feuchtem Untergrund aus. Sie geriet in einen unfreiwilligen Spagat und verletzte sich dabei am linken Bein im Adduktorenbereich. Wegen starker Schmerzen begab sie sich in die Notaufnahme der von der Beklagten zu 4) betriebenen Klinik. Sie stellte sich in der durchgangsärztlichen Sprechstunde des Chefarztes, des Beklagten zu 3), vor und wurde von dem Beklagten zu 1), durch den sich der Beklagte zu 3) vertreten ließ, untersucht. Der Beklagte zu 1) gab im Durchgangsarztbericht als Erstdiagnose "Muskelzerrung rechter Oberschenkel" an. Unter "Art der Erstversorgung (durch den D-Arzt)" heißt es: "Beratung, bei Bedarf Ibuhexal 600". Als Art der Heilbehandlung ordnete der Beklagte zu 1) "allgemeine Heilbehandlung durch mich" an. Da die Schmerzen stärker wurden, stellte sich die Klägerin am 6.2.2007 erneut in der von der Beklagten zu 4) betriebenen Klinik vor. An diesem Tag war der Beklagte zu 2) als Durchgangsarzt in der Notaufnahme tätig. Die Klägerin schilderte dem Beklagten zu 2), dass sie bereits am 2.2.2007 bei dem Beklagten zu 1) vorstellig gewesen sei und sie die Schmerzen nicht mehr aushalte. Er stellte daraufhin die Diagnose "Zerrung" und verordnete ihr Ibuhexal 600. Darüber hinaus vereinbarte er mit der Klägerin einen Termin für den 13.2.2007. An diesem Tag wurde die Klägerin von dem Beklagten zu 3) untersucht. Nachdem sich aufgrund des klinischen und sonographischen Untersuchungsbefunds der Verdacht auf einen Adduktorenabriss ergeben hatte, stellte der Beklagte zu 3) die Indikation zur operativen Revision. Diese Operation wurde am 15.2.2007 in der Klinik der Beklagten zu 4) durchgeführt. Dabei zeigten sich am Sitzbein ein Abriss der Sehnenstruktur im Adduktorenbereich und der Abriss zweier Muskelgruppen.

Rz. 3

Die Klägerin wirft den Beklagten zu 1) und 2) vor, es am 2. bzw. 6.2.2007 unterlassen zu haben, die notwendigen und erforderlichen Befunde (Tastbefund, Sonographie, ggf. MRT) erhoben und deshalb fehlerhaft keine Indikation zur Operation gestellt zu haben.

Rz. 4

Das LG hat die Klage gegen die Beklagten zu 1) und 2) durch Teilurteil abgewiesen, weil sie als Durchgangsärzte in Ausübung eines öffentlichen Amtes tätig geworden und deshalb nicht passivlegitimiert seien. Auf die Berufung der Klägerin hat das OLG das landgerichtliche Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten zu 1) und 2) ihre Klageabweisungsanträge weiter.

 

Entscheidungsgründe

I.

Rz. 5

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Erlass des Teilurteils gegen die Beklagten zu 1) und 2) sei wegen der Gefahr einander widersprechender Entscheidungen unzulässig gewesen. Die Beklagten zu 1) und 2) hätten nicht in Ausübung eines öffentlichen Amtes gehandelt, weshalb sie möglicherweise persönlich hafteten. Zwar sei umstritten, ob der Durchgangsarzt auch bei der Eingangsuntersuchung, bei der Diagnosestellung und bei der Überwachung des Heilerfolges ein öffentliches Amt ausübe. Eine solche Fallgestaltung sei aber nicht gegeben, da die den Beklagten zu 1) und 2) vorgeworfenen Behandlungsfehler nicht die Entscheidung des Durchgangsarztes beträfen, ob eine allgemeine oder eine besondere Heilbehandlung eingeleitet werde. Die vom Durchgangsarzt vor seiner Entscheidung durchgeführten Untersuchungen hätten eine doppelte Zielrichtung. Sie seien einerseits Grundlage seiner in Ausübung eines öffentlichen Amtes zu treffenden Entscheidung, ob eine allgemeine vertragsärztliche Behandlung ausreiche oder eine besondere unfallmedizinische Behandlung erforderlich sei. Sie seien andererseits aber auch Grundlage seiner weiteren ärztlichen Entscheidungen, soweit er die Heilbehandlung selbst durchführe und dabei gegenüber dem Patienten nach den zivilrechtlichen Regeln eines Dienstvertrages hafte. Entscheidend für die Frage der Haftung sei, in welchem Bereich sich der Fehler bei der Untersuchung ausgewirkt habe. Komme es aufgrund von Versäumnissen bei der Untersuchung zu einer fehlerhaften Entscheidung der Frage, ob eine besondere Heilbehandlung einzuleiten sei, und werde der Patient dadurch geschädigt, hafte der Unfallversicherungsträger. Wirke sich der Fehler hingegen so aus, dass es zu einer unsachgemäßen Heilbehandlung durch den Durchgangsarzt komme, so hafte er persönlich nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen. Nach dem Vorbringen in der Klageschrift greife die Klägerin nicht die Entscheidung der Beklagten zu 1) und 2) an, ob eine allgemeine vertragsärztliche Behandlung ausreiche oder eine besondere unfallmedizinische Behandlung erforderlich gewesen sei. Sie rüge vielmehr, dass es aufgrund von Diagnose- und Befunderhebungsfehlern zu einer unsachgemäßen Heilbehandlung gekommen sei. In einem solchen Fall hafte der Durchgangsarzt persönlich.

II.

Rz. 6

Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

Rz. 7

1. Das Berufungsgericht ist allerdings zu Recht davon ausgegangen, dass ein Teilurteil auch bei grundsätzlicher Teilbarkeit des Streitgegenstandes nur ergehen darf, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen - auch infolge abweichender Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht - ausgeschlossen ist. Eine Gefahr sich widersprechender Entscheidungen ist namentlich dann gegeben, wenn in einem Teilurteil eine Frage entschieden wird, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren über andere Ansprüche oder Anspruchsteile noch einmal stellt oder stellen kann. Das gilt auch insoweit, als es um die Möglichkeit einer unterschiedlichen Beurteilung von bloßen Urteilselementen geht, die weder in Rechtskraft erwachsen noch das Gericht nach § 318 ZPO für das weitere Verfahren binden. Eine solche Gefahr besteht namentlich bei einer Mehrheit selbständiger prozessualer Ansprüche, wenn zwischen den prozessual selbständigen Ansprüchen eine materiell-rechtliche Verzahnung besteht oder die Ansprüche prozessual in ein Abhängigkeitsverhältnis gestellt sind (BGH, Urt. v. 29.3.2011 - VI ZR 117/10, BGHZ 189, 79 Rz. 15; v. 1.3.2016 - VI ZR 437/14, VersR 2016, 745 Rz. 30; BGH, Urt. v. 11.5.2011 - VIII ZR 42/10, BGHZ 189, 356 Rz. 13; v. 9.11.2011 - IV ZR 171/10, NJW-RR 2012, 101 Rz. 29; jeweils m.w.N.). Eine materiell-rechtliche Verzahnung kann bei subjektiver Klagehäufung, aber auch bei objektiver Häufung inhaltlich zusammenhängender Anträge auftreten (vgl. BGH, Urt. v. 28.11.2003 - V ZR 123/03, BGHZ 157, 133, 143). Ein Teilurteil über die Klage gegen einen von mehreren einfachen Streitgenossen ist daher in der Regel unzulässig, wenn die Möglichkeit besteht, dass es in demselben Rechtsstreit, auch im Instanzenzug, zu einander widersprechenden Entscheidungen kommt (vgl. BGH, Urt. v. 12.1.1999 - VI ZR 77/98, VersR 1999, 734 f.; v. 25.11.2003 - VI ZR 8/03, VersR 2004, 645, 646; v. 24.2.2015 - VI ZR 279/14, VersR 2016, 271 Rz. 7). Zwar muss gegenüber einfachen Streitgenossen grundsätzlich keine einheitliche Entscheidung getroffen werden. Eine Teilentscheidung ist aber nur zulässig, wenn sie unabhängig von der Entscheidung über den restlichen Verfahrensgegenstand ist (BGH, Urt. v. 13.10.2008 - II ZR 112/07, NJW 2009, 230 Rz. 8; v. 24.2.2015 - VI ZR 279/14, VersR 2016, 271 Rz. 7). Dies ist etwa dann der Fall, wenn das Teilurteil nur auf Gründen beruht, die ausschließlich diesen Streitgenossen berühren (BeckOK ZPO/Dressler, § 61 Rz. 12 [Stand: 1.9.2016]).

Rz. 8

2. Die Revision des Beklagten zu 1) macht mit Erfolg geltend, dass die Zulässigkeit des gegen ihn erlassenen Teilurteils nicht mit der Begründung verneint werden kann, er habe nicht hoheitlich gehandelt, weshalb er möglicherweise persönlich hafte. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die persönliche Haftung des Beklagten zu 1) ausgeschlossen. Denn er ist in der Funktion als Durchgangsarzt und damit in Ausübung eines öffentlichen Amtes tätig geworden (Art. 34 Satz 1 GG, § 839 BGB). Ob eine persönliche Haftung des Beklagten zu 2) in Betracht kommt, kann auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden.

Rz. 9

a) Nach Art. 34 Satz 1 GG haftet anstelle eines Bediensteten, soweit dieser in Ausübung des ihm anvertrauten öffentlichen Amtes gehandelt hat, der Staat oder die Körperschaft, in dessen Dienst er steht. Die persönliche Haftung des Bediensteten ist in diesem Fall ausgeschlossen. Ob sich das Handeln einer Person als Ausübung eines öffentlichen Amts darstellt, bestimmt sich nach ständiger Rechtsprechung des BGH danach, ob die eigentliche Zielsetzung, in deren Sinn der Betreffende tätig wurde, hoheitlicher Tätigkeit zuzurechnen ist und ob zwischen dieser Zielsetzung und der schädigenden Handlung ein so enger äußerer und innerer Zusammenhang besteht, dass die Handlung ebenfalls als noch dem Bereich hoheitlicher Betätigung angehörend angesehen werden muss. Dabei ist nicht auf die Person des Handelnden, sondern auf seine Funktion, d.h. auf die Aufgabe, deren Wahrnehmung die im konkreten Fall ausgeübte Tätigkeit dient, abzustellen (vgl. BGH, Urt. v. 9.3.2010 - VI ZR 131/09, VersR 2010, 768 Rz. 7; BGH, Urt. v. 22.6.2006 - III ZR 270/05, VersR 2006, 1684 m.w.N.).

Rz. 10

b) Die ärztliche Heilbehandlung ist allerdings regelmäßig nicht Ausübung eines öffentlichen Amtes i.S.v. Art. 34 GG. Auch stellt die ärztliche Behandlung nach einem Arbeitsunfall keine der Berufsgenossenschaft obliegende Aufgabe dar. Der Arzt, der die ärztliche Behandlung durchführt, übt deshalb kein öffentliches Amt aus und haftet für Fehler persönlich (vgl. BGH, Urt. v. 28.6.1994 - VI ZR 153/93, BGHZ 126, 297, 301; v. 9.12.2008 - VI ZR 277/07, BGHZ 179, 115 Rz. 14; v. 9.3.2010 - VI ZR 131/09, VersR 2010, 768 Rz. 8; v. 29.11.2016 - VI ZR 208/15, z.V.b. in BGHZ Rz. 8; BGH, Urt. v. 9.12.1974 - III ZR 131/72, BGHZ 63, 265, 270 f.).

Rz. 11

c) Die Tätigkeit eines Durchgangsarztes ist jedoch nicht ausschließlich dem Privatrecht zuzuordnen. Bei der - gem. § 34 Abs. 1 SGB VII i.V.m. § 27 Abs. 1 des nach § 34 Abs. 3 SGB VII geschlossenen Vertrags über die Durchführung der Heilbehandlung, die Vergütung der Ärzte sowie die Art und Weise der ärztlichen Leistungen - zu treffenden Entscheidung, ob die allgemeine oder die besondere Heilbehandlung erforderlich ist, erfüllt der Durchgangsarzt eine der Berufsgenossenschaft obliegende Aufgabe. Deshalb ist diese Entscheidung als Ausübung eines öffentlichen Amtes zu betrachten (vgl. BGH, Urt. v. 9.12.2008 - VI ZR 277/07, BGHZ 179, 115, 120; v. 29.11.2016 - VI ZR 208/15, z.V.b. Rz. 9). Ist seine Entscheidung über die Art der Heilbehandlung fehlerhaft und wird der Verletzte dadurch geschädigt, haftet für Schäden nicht der Durchgangsarzt persönlich, sondern die Berufsgenossenschaft nach Art. 34 Satz 1 GG i.V.m. § 839 BGB (vgl. BGH, Urt. v. 9.12.2008 - VI ZR 277/07, BGHZ 179, 115 Rz. 17; v. 9.3.2010 - VI ZR 131/09, VersR 2010, 768 Rz. 9; vom 29.11.2016 - VI ZR 208/15, z.V.b. in BGHZ Rz. 9). Gleiches gilt für die Überwachung des Heilungsverlaufs im Rahmen einer Nachschau, sofern sich der Durchgangsarzt dabei auf die Prüfung der Frage beschränkt, ob die bei der Erstvorstellung des Verletzten getroffene Entscheidung zugunsten einer allgemeinen Heilbehandlung aufrechtzuerhalten oder der Verletzte in die besondere Heilbehandlung zu überweisen ist (vgl. §§ 27 Abs. 1 Satz 3, 29 Abs. 1 des Vertrags gemäß § 34 Abs. 3 SGB VII über die Durchführung der Heilbehandlung, die Vergütung der Ärzte sowie die Art und Weise der ärztlichen Leistungen in der - hier maßgeblichen - ab 1.5.2001 gültigen Fassung (künftig: Vertrag 2001); Senat, Urt. v. 9.3.2010 - VI ZR 131/09, VersR 2010, 768 Rz. 12; v. 29.11.2016 - VI ZR 208/15, z.V.b. Rz. 9).

Rz. 12

Wie der Senat nach dem Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, sind darüber hinaus auch die vom Durchgangsarzt im Rahmen der Eingangsuntersuchung vorgenommenen Untersuchungen zur Diagnosestellung und die anschließende Diagnosestellung als hoheitlich i.S.v. Art. 34 Satz 1 GG, § 839 BGB zu qualifizieren (Senat, Urt. v. 29.11.2016 - VI ZR 208/15, z.V.b. Rz. 18 ff.). Diese Maßnahmen sind regelmäßig unabdingbare Voraussetzung für die Entscheidung, ob eine allgemeine Heilbehandlung oder eine besondere Heilbehandlung erfolgen soll. Sie bilden die Grundlage für die der Berufsgenossenschaft obliegende, in Ausübung eines öffentlichen Amtes erfolgende Entscheidung, ob eine allgemeine Heilbehandlung ausreicht oder wegen der Schwere der Verletzung eine besondere Heilbehandlung erforderlich ist, und stehen mit ihr in einem inneren Zusammenhang. Gleiches gilt für die - in § 27 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII gesondert neben der ärztlichen und zahnärztlichen Behandlung aufgeführte - Erstversorgung durch den Durchgangsarzt (Senat, Urt. v. 29.11.2016 - VI ZR 208/15, z.V.b. Rz. 24 ff.).

Rz. 13

d) Nach diesen Grundsätzen hat der Beklagte zu 1) bei der Untersuchung und Versorgung der Klägerin anlässlich ihrer Erstvorstellung in der durchgangsärztlichen Sprechstunde am 2.2.2007 in Ausübung eines öffentlichen Amtes gehandelt, so dass er für ihm in diesem Zusammenhang unterlaufene Fehler nicht persönlich in Anspruch genommen werden kann. Dies gilt insb. für den von der Klägerin erhobenen Vorwurf, der Beklagte zu 1) habe es unterlassen, die notwendigen und erforderlichen Befunde (Tastbefund, Sonographie, ggf. MRT) zu erheben und deshalb fehlerhaft keine Indikation zur Operation gestellt. Die - möglicherweise unzureichende - Befunderhebung im Rahmen der Eingangsuntersuchung und die - deshalb möglicherweise fehlerhaft - gestellte Diagnose haben sich notwendigerweise dahingehend ausgewirkt, dass der Beklagte zu 1) die Erforderlichkeit der besonderen Heilbehandlung in Form der Operation verneint hat.

Rz. 14

Der Umstand, dass das Berufungsgericht keine Feststellungen zu der Frage getroffen hat, ob der Beklagte zu 1) gem. § 24 Abs. 4 des Vertrags 2001 als ständiger Vertreter des Beklagten zu 3) anerkannt worden war, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn der Beklagte zu 3) ließ den Beklagten zu 1) - sei es in zulässiger Weise, sei es amtspflichtwidrig unter Verstoß gegen seine Verpflichtung aus § 24 Abs. 3 des Vertrags 2001, die durchgangsärztliche Tätigkeit persönlich auszuüben - im Rahmen des ihm von der Berufsgenossenschaft anvertrauten öffentlichen Amtes tätig werden und die damit verbundenen, der Berufsgenossenschaft obliegenden hoheitlichen Aufgaben wahrnehmen (vgl. Senat, Urt. v. 29.11.2016 - VI ZR 208/15, z.V.b. Rz. 30).

Rz. 15

e) Ob auch die persönliche Haftung des Beklagten zu 2) ausgeschlossen ist, kann auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden. Die Feststellungen des Berufungsgerichts lassen keine sicheren Rückschlüsse darauf zu, ob der Beklagte zu 2) die Klägerin im Rahmen der vom Beklagten zu 1) angeordneten allgemeinen Heilbehandlung ärztlich behandelt oder ob er eine Nachschau i.S.d. §§ 27 Abs. 1 Satz 3, 29 Abs. 1 des Vertrags 2001 durchgeführt und sich dabei auf die Prüfung der Frage beschränkt hat, ob die bei der Erstvorstellung der Klägerin getroffene Entscheidung zugunsten einer allgemeinen Heilbehandlung aufrechtzuerhalten ist. Da diesem rechtlichen Gesichtspunkt im bisherigen Verfahren keine Bedeutung beigemessen worden ist, muss den Parteien auch die Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag gegeben werden.

III.

Rz. 16

Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif. Das Berufungsurteil war deshalb aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§§ 562 Abs. 1, 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 10231804

NJW 2017, 1745

JZ 2017, 219

MDR 2017, 455

MedR 2017, 877

VersR 2017, 495

GesR 2017, 171

AiSR 2017, 215

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