Leitsatz (amtlich)

Die Presse darf ein Foto, das die abgebildete Person in einer privaten Situation zeigt und dessen Veröffentlichung zunächst rechtswidrig war, nicht schon deshalb ohne Einwilligung des Abgebildeten erneut veröffentlichen, weil dieser inzwischen Informationen über sein Privatleben teilweise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat.

 

Normenkette

GG Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1; BGB § 823 Abs. 1, § 1004; KUG §§ 22, 23 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 02.09.2003; Aktenzeichen 11 U 6/03)

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 14.11.2002)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 11. Zivilsenats des OLG Frankfurt v. 2.9.2003 - 11 U 6/03 - im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die auf Unterlassung gerichtete Klage hinsichtlich der Veröffentlichung des

in der Zeitschrift SUPER ILLU Nr. 11/02 auf S. 26 mit der Bildunterschrift "Beweis Als dieses Foto Anfang Februar erschien, wurde die Affäre von Anke und B. T. bekannt"

abgedruckten Fotos abgewiesen worden ist. Auch insoweit wird die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. v. 14.11.2002 zurückgewiesen.

Soweit die Klägerin mit der Revision die Unterlassung der Verbreitung von Wortberichterstattung begehrt, wird das Rechtsmittel als unzulässig verworfen.

Die weiter gehende Revision der Klägerin wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Revisionsverfahrens tragen die Klägerin 2/3 und die Beklagte 1/3. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich mit der Klage gegen eine Berichterstattung in der von der Beklagten verlegten Zeitschrift SUPER ILLU.

Die Klägerin unterhält seit 2001 eine Beziehung zu dem damaligen Ehemann der Schauspielerin Uschi Glas, B. T.. In Nr. 11/02 der genannten Zeitschrift erschien ein Artikel ihres Chefredakteurs unter der Überschrift "Ein Kompliment für Sachsens schöne Mädchen", in dem sich unter einem Portraitfoto der Klägerin (im Folgenden: Foto 1) die Bildunterschrift befindet "Die Uschi-Glas-Rivalin Anke S... stammt aus P...". Im Heftinneren wurde dieses Foto in einem Artikel unter der Überschrift "Die Sächsin. Eine ganz besondere Frau" nochmals vergrößert veröffentlicht. Es trägt die Bildnebenschrift "Erinnerung an Urlaub. Die Uschi-Glas-Rivalin wird von Freunden als sportlich, fleißig, fröhlich und geschäftstüchtig beschrieben". Auf dieser Seite befindet sich mit der Bildunterschrift "Münchener Szene" ein Bild der Klägerin, das auf einer Weihnachtsparty in München 1996 aufgenommen wurde (Foto 2). Im Rahmen des Artikels ist ein weiteres Foto der Klägerin veröffentlicht, das sie mit B. T. beim Spaziergang am Deininger Weiher zeigt (Foto 3); darunter findet sich die Bildunterschrift: "Als dieses Foto Anfang Februar erschien, wurde die Affäre von Anke und B. T. bekannt". Unter der Überschrift des Artikels findet sich eine Unterüberschrift, in der es u.a. heißt: "Die junge Rivalin, die in die Ehe von Uschi Glas einbrach, stammt aus P...". In dem Artikel wird kurz der Lebenslauf der Klägerin geschildert.

Die Klägerin begehrt die Unterlassung der erneuten Veröffentlichung der genannten Fotos und einiger Textbeiträge. Die Beklagte hält die Veröffentlichung unter dem Gesichtspunkt eines überwiegenden Informationsinteresses sowie deswegen für zulässig, weil die Klägerin und B. T. im Januar 2003 ihre Beziehung selbst öffentlich gemacht hätten.

Das LG hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten durch das angefochtene Urteil im Wesentlichen abgewiesen. Lediglich den Unterlassungsausspruch hinsichtlich des mit der Bildunterschrift "Münchener Szene" versehenen Fotos (Foto 2) hat es aufrecht erhalten. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen ein Unterlassungsanspruch bezüglich der erneuten Veröffentlichung ursprünglich rechtswidrig verbreiteter Fotografien nachträglich entfallen kann.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht verneint eine ausdrückliche und eine konkludente Einwilligung in die Veröffentlichung der Fotos. Es ist weiter der Ansicht, die Klägerin sei durch ihre Beziehung mit B. T. nicht zu einer Person der Zeitgeschichte geworden. Aus der "Begleiterrechtsprechung" lasse sich für den Fall nichts herleiten. Das öffentliche Interesse an der Klägerin sei erst durch die identifizierende Berichterstattung begründet worden, die das Ziel verfolgt habe, die Klägerin als "Rivalin" von Uschi Glas aufzubauen und das Zerbrechen der Ehe Glas/T. als öffentliches zeitgeschichtliches Ereignis erst zu konstituieren. Ein überwiegendes Informationsinteresse an der lediglich der Befriedigung von Neugier und Sensationslust dienenden Berichterstattung habe nicht bestanden.

Es gehe jedoch nicht um die Feststellung der Rechtswidrigkeit der seinerzeitigen Veröffentlichung, sondern um die Unterlassung erneuter Veröffentlichung. Insoweit fehle die Wiederholungsgefahr hinsichtlich der Fotos 1 und 3. Eine erneute Veröffentlichung der Fotos stelle keine Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin dar. Durch den gemeinsamen Auftritt der Klägerin mit B. T. bei der Veranstaltung zur Verleihung des deutschen Videopreises im Januar 2003 und die dabei abgegebenen Erklärungen habe die Klägerin ihre Privat- und Sozialsphäre insoweit selbst öffentlich gemacht. Mit dem bisherigen Rechtsschutzanspruch, der damit begründet worden sei, die Klägerin habe ein Recht auf Anonymität und trage in keiner Weise dazu bei, dass ihr Privatleben an die Öffentlichkeit gelange, könne sie nicht mehr durchdringen.

Die Annahme eines überwiegenden Interesses der Beklagten an der Publikation von Bildern der Klägerin gelte allerdings nicht schrankenlos. Der Beklagten seien insoweit zeitliche und inhaltliche Grenzen gesetzt. Zeitlich seien derartige Veröffentlichungen nur so lange als rechtmäßig zu bewerten, wie das Scheitern der Ehe Glas/T. noch als zeitgeschichtlicher Vorgang angesehen werden müsse, an dem die Öffentlichkeit ein Interesse habe. Nach der inzwischen rechtskräftigen Scheidung dieser Ehe werde die Bedeutung des Vorgangs auch für das öffentliche Informationsinteresse stetig abnehmen, so dass die Klägerin jedenfalls nicht zeitlich unbegrenzt Veröffentlichungen von Fotografien, die sie abbilden, hinnehmen müsse. Gegenwärtig müsse allerdings das Interesse der Klägerin an der Unterlassung nicht genehmigter Bildveröffentlichungen wegen fortbestehender Aktualität des Vorgangs noch für einen begrenzten Zeitraum hinter dem Informationsinteresse zurücktreten.

Darüber hinaus müsse die Klägerin auch keineswegs eine Veröffentlichung sämtlicher der Presse zugänglich gemachter Fotografien hinnehmen. Es bestehe kein überwiegendes Veröffentlichungsinteresse an Bildern, die die Klägerin in Bereichen der geschützten Intim- und Privatsphäre zeigten bzw. die aus früherer Zeit stammten und in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit ihrem heutigen Leben als Partnerin von B. T. stünden. Davon ausgehend könne hinsichtlich des Fotos 1, eines neutralen Portraitfotos, ebenso wenig von einem berechtigten Interesse an der Unterlassung ausgegangen werden, wie hinsichtlich des aus der Privatsphäre stammenden Fotos 3 (Deininger Weiher), nachdem die Klägerin sich zu ihrer Beziehung bekannt habe. Anderes gelte für Foto 2, das nichts mit dem zeitgeschichtlichen Ereignis der Ehekrise Glas/T. zu tun habe und zu einem Bereich der Persönlichkeit der Klägerin gehöre, der bislang in keiner Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sei.

Die beanstandete Textberichterstattung könne im Hinblick darauf, dass die Klägerin zwischenzeitlich hinsichtlich ihrer Beziehung zu B. T. selbst an die Öffentlichkeit getreten sei, ebenfalls nicht mehr untersagt werden.

II.

Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision nur teilweise stand.

1. Das Berufungsgericht verneint mit dem LG eine Einwilligung der Klägerin in die Veröffentlichung der Fotos. Dies nimmt die Revision als ihr günstig hin. Diese Wertung ist auch nicht zu beanstanden.

2. Nach den Ausführungen des Berufungsgerichts war die von der Beklagten vorgenommene Veröffentlichung rechtswidrig.

a) Davon geht im Ergebnis auch die Revision aus. Soweit sie dem Berufungsgericht vorwirft, die Systematik der §§ 22, 23 KUG verkannt und trotz Verneinung der Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG eine Abwägung nach § 23 Abs. 2 KUG vorgenommen zu haben, sind dessen Ausführungen so zu verstehen, dass eine Abwägung zwischen den widerstreitenden Grundrechten aus den Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 5 Abs. 1 GG vorgenommen wird, um festzustellen, ob die hier in Frage stehenden Bildnisse dem "Bereiche der Zeitgeschichte" überhaupt zugeordnet werden können.

Das ist rechtlich nicht zu beanstanden. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG erlaubt die Veröffentlichung von Bildnissen aus dem Bereich der Zeitgeschichte unabhängig von dem Einwilligungserfordernis des § 22 KUG. Die Vorschrift nimmt nach der gesetzgeberischen Intention und nach Sinn und Zweck der Regelung auf das Informationsinteresse der Allgemeinheit und auf die Pressefreiheit Rücksicht. Die Belange der Öffentlichkeit sind daher gerade bei der Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals zu beachten. Das weitere dem Grundrechtseinfluss offen stehende Tatbestandsmerkmal des "berechtigten Interesses" in § 23 Abs. 2 KUG bezieht sich von vornherein nur auf Personen von zeitgeschichtlicher Bedeutung und kann folglich die Belange der Pressefreiheit nicht mehr ausreichend aufnehmen, wenn diese zuvor bei der Abgrenzung des Personenkreises außer Acht gelassen worden sind (BVerfG v. 15.12.1999 - 1 BvR 653/96, BVerfGE 101, 361 [391 f.] = MDR 2000, 211; v. 26.4.2001 - 1 BvR 758/97, 1 BvR 1857/98, 1 BvR 1918/98, 1 BvR 2109/99, 1 BvR 182/00, NJW 2001, 1921 [1922 f.]). Eine Abwägung der widerstreitenden Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 5 Abs. 1 GG ist mithin schon bei der Zuordnung zum Bereich der Zeitgeschichte erforderlich, wobei der Beurteilung ein normativer Maßstab zu Grunde zu legen ist, der der Pressefreiheit und zugleich dem Persönlichkeitsschutz ausreichend Rechnung trägt (BVerfG v. 26.4.2001 - 1 BvR 758/97, 1 BvR 1857/98, 1 BvR 1918/98, 1 BvR 2109/99, 1 BvR 182/00, NJW 2001, 1921 [1922]). Demgemäß verlangt auch der erk. Senat, dass bereits in diesem Zusammenhang eine Interessenabwägung hinsichtlich der betroffenen Grundrechte vorzunehmen ist (BGH, Urt. v. 12.12.1995 - VI ZR 223/94, MDR 1996, 365 = NJW 1996, 985 [986] = VersR 1996, 341 f.; v. 9.3.2004 - VI ZR 217/03, BGHReport 2004, 1049 = VersR 2004, 863; v. 28.9.2004 - VI ZR 305/03, II 2a; vgl. ferner Wenzel/von Strobl-Albeg, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 8, Rz. 4 ff.).

b) Nicht zu beanstanden ist auch unter Berücksichtigung des Urteils des EuGH für Menschenrechte v. 24.6.2004 (EuGHMR v. 24.6.2004 - 59320/00, NJW 2004, 2647 ff.), dass das Berufungsgericht bei seiner Abwägung die Ehekrise Glas/T. wegen des daran bestehenden öffentlichen Interesses als zeitgeschichtlichen Vorgang ansieht, gleichwohl aber (ausgehend von der hergebrachten Definition der absoluten und relativen Person der Zeitgeschichte) für die Zeit vor dem öffentlichen Auftreten der Klägerin (hierzu unten 3 c) ein überwiegendes Informationsinteresse am Privatleben der Klägerin verneint.

3. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Unterlassungsklage sei weitgehend unbegründet, weil die Klägerin jedenfalls für einen gewissen Zeitraum die Bildberichterstattung über sich im Zusammenhang mit der Ehekrise und nachfolgenden Scheidung von Uschi Glas und B. T. dulden müsse, hält revisionsrechtlicher Überprüfung nur zum Teil stand.

a) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, eine Verurteilung zur Unterlassung einer Handlung könne nicht ohne weiteres darauf gestützt werden, dass in der Vergangenheit eine Rechtsverletzung stattgefunden hat. Eine solche Verurteilung kann vielmehr nur dann erfolgen, wenn eine erneute Rechtsverletzung künftig zu erwarten ist. Ob dies der Fall ist, wird unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr geprüft. Das Bestehen einer Wiederholungsgefahr, also die Besorgnis weiterer Beeinträchtigungen (vgl. § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB), ist Tatbestandsmerkmal jedes Unterlassungsanspruchs und damit materielle Anspruchsvoraussetzung (BGH, Urt. v. 13.5.1987 - I ZR 79/85, MDR 1987, 998 = NJW 1987, 3251 [3253]; v. 16.1.1992 - I ZR 84/90, MDR 1992, 359 = GRUR 1992, 318 [319]; v. 10.2.1994 - I ZR 16/92, MDR 1994, 677 = NJW 1994, 2096; Bamberger/Roth/Fritzsche, BGB, § 1004 Rz. 78; Medicus in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 1004 Rz. 97; Staudinger/Gursky, BGB, Neubearb. 1999, § 1004 Rz. 208; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl., Kap. 6, Rz. 7; Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 12, Rz. 7). Dies ergibt sich aus der Rechtsnatur des Unterlassungsanspruchs. Auch wer in der Vergangenheit in seinen Rechten verletzt worden ist, hat keinen Anspruch darauf, dass ein Verhalten unterlassen wird, das sich inzwischen als nicht mehr rechtswidrig darstellt (so Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl., Kap. 6, Rz. 4). Davon gehen letztlich auch diejenigen Stimmen aus, die der Wiederholungsgefahr lediglich prozessuale Bedeutung beimessen (Nachweise bei Medicus in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 1004 Rz. 97; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl., Kap. 6, Rz. 6).

b) Die Ausführungen der Revision dazu, dass ein Wegfall der Wiederholungsgefahr hier nicht bejaht werden könne, berücksichtigen nicht ausreichend, dass sich das Fehlen der Wiederholungsgefahr auf Grund unterschiedlicher Umstände ergeben kann. Die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung mag der häufigste Grund für die Beseitigung dieser Gefahr sein. Er ist aber keineswegs der Einzige. Die Überlegung, dass die Wiederholungsgefahr bei bereits geschehener Rechtsverletzung vermutet wird und dass an die Widerlegung der Vermutung strenge Anforderungen zu stellen sind, hilft jedenfalls dann nicht weiter, wenn es nicht um eine Abschätzung des mutmaßlichen künftigen Verhaltens des Rechtsverletzers geht, sondern darum, ob die Wiederholungsgefahr auf Grund veränderter Umstände aus rechtlichen Gründen zu verneinen ist.

c) Hier hat das Berufungsgericht geprüft, inwieweit die Voraussetzungen des § 23 KUG hinsichtlich künftiger Veröffentlichungen auch noch nach dem Auftreten der Klägerin bei der Veranstaltung zur Verleihung des deutschen Videopreises vorliegen. Diese Frage ist für die in Rede stehenden Fotos 1 und 3, deren Veröffentlichung das Berufungsgericht derzeit gleichermaßen für zulässig hält, richtigerweise unterschiedlich zu beantworten.

aa) Das Berufungsgericht stützt seine Bewertung darauf, dass sich die Klägerin durch ihr Auftreten in einen zeitgeschichtlichen Vorgang eingeordnet habe, so dass sie einer dies darstellenden Berichterstattung nicht ihr Recht auf Privatheit und Anonymität entgegenhalten könne.

Diese Überlegung ist im Grundsatz nicht zu beanstanden. In der Rechtsprechung sowohl des BVerfG als auch des erkennenden Senats ist bereits mehrfach betont worden, dass sich niemand auf ein Recht zur Privatheit hinsichtlich solcher Tatsachen berufen kann, die er selbst der Öffentlichkeit preisgibt (BVerfG v. 15.12.1999 - 1 BvR 653/96, BVerfGE 101, 361 [385] = MDR 2000, 211; v. 15.12.1999 - 1 BvR 653/96, MDR 2000, 211 = NJW 2000, 1021 [1022 f.]; BGH, Urt. v. 9.12.2003 - VI ZR 373/02, MDR 2004, 507 = BGHReport 2004, 542 = VersR 2004, 522 [524] = NJW 2004, 762; v. 9.12.2003 - VI ZR 404/02, BGHReport 2004, 545 = CR 2004, 624 = VersR 2004, 525 [526] = NJW 2004, 766). Der Schutz der Privatsphäre vor öffentlicher Kenntnisnahme entfällt, soweit sich jemand selbst damit einverstanden zeigt, dass bestimmte, gewöhnlich als privat geltende Angelegenheiten öffentlich gemacht werden; die Erwartung, dass die Umwelt die Angelegenheiten oder Verhaltensweisen in einem Bereich mit Rückzugsfunktion nur begrenzt oder nicht zur Kenntnis nimmt, muss situationsübergreifend und konsistent zum Ausdruck gebracht werden (BVerfGE 101, 361 [385]; v. 15.12.1999 - 1 BvR 653/96, MDR 2000, 211 = NJW 2000, 1021 [1023]; zur Problematik vgl. Wenzel/von Strobl-Albeg, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 8, Rz. 75; Neben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, S. 230 f.; Seitz, NJW 2000, 2167). Dies gilt auch und insb. für den Bildnisschutz bei Anwendung der §§ 22, 23 KUG, die mit ihrem abgestuften Schutzkonzept einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Schutz der Persönlichkeit und den Informationsinteressen der Allgemeinheit anstreben, gilt also auch, soweit bereits bei der Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG eine Interessenabwägung vorzunehmen ist.

bb) Unter den Umständen des Streitfalls durfte das Berufungsgericht eine künftige in zeitlicher Nähe zu den Vorgängen stehende erneute Veröffentlichung des Portraitfotos (Foto 1) als nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG erlaubt ansehen.

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, die von der Revision nicht konkret beanstandet worden sind, liegt hier ein Fall vor, in dem die Betroffene gerade nicht situationsübergreifend und konsistent zum Ausdruck gebracht hat, ihre Privatsphäre solle nicht Gegenstand der Berichterstattung in der Presse sein. Die Klägerin hat sich danach selbst mit ihrem öffentlichen Auftritt an die Öffentlichkeit gewandt, ihre Identität und ihre Rolle als neue Lebensgefährtin von B. T. auch gegenüber der Boulevardpresse offen gelegt und dies sowohl mit dem von ihr gebilligten Interview ihres Partners als auch mit der Einwilligung in die von ihr und B. T. dabei angefertigten Fotografien dokumentiert.

Ohne Rechtsfehler nimmt das Berufungsgericht an, unter diesen Umständen dürfe das hier in Frage stehende neutrale Portraitfoto in dem vom Berufungsgericht gekennzeichneten Zeitraum trotz seines fehlenden Bezuges zu dem zeitgeschichtlichen Vorgang veröffentlicht werden, weil es die Privatsphäre der Klägerin nur insoweit berühre, als sie als Person optisch in gleicher Weise identifizierbar werde, wie es durch die von ihr gebilligten Aufnahmen anlässlich der Veranstaltung zur Verleihung des deutschen Videopreises auch geschehen sei. Die Verwendung kontextneutraler Fotoaufnahmen bei der Presseberichterstattung ist nicht zu beanstanden, wenn weder die Veröffentlichung des jeweiligen Fotos als solche noch der Zusammenhang, in dem es gebracht wird, das Persönlichkeitsrecht des Abgebildeten beeinträchtigen (vgl. BVerfG v. 26.4.2001 - 1 BvR 758/97, 1 BvR 1857/98, 1 BvR 1918/98, 1 BvR 2109/99, 1 BvR 182/00, NJW 2001, 1921 [1924 ff.]; BGH, Urt. v. 9.3.2004 - VI ZR 217/03, BGHReport 2004, 1049 = VersR 2004, 863 [864]; Wenzel/von Strobl-Albeg, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 8, Rz. 26 ff.). Dies ist nach den nicht zu beanstandenden Ausführungen des Berufungsgerichts hinsichtlich des Fotos 1 der Fall.

cc) Anders verhält es sich hingegen mit dem Foto 3, das die Klägerin mit B. T. am Deininger Weiher zeigt. Eine ausdrückliche oder stillschweigende Einwilligung der Klägerin in die Veröffentlichung dieses Fotos hat das Berufungsgericht - wie ausgeführt - ohne Rechtsfehler verneint. Seine Auffassung, dieses Foto dürfe gleichwohl nunmehr veröffentlicht werden, weil es nach dem ausdrücklichen Bekenntnis der Klägerin zu dieser Beziehung und den in ihrem Einverständnis gefertigten, die Beziehungspartner abbildenden Fotografien keinen weiter gehenden Gehalt aufweise, ist nicht zutreffend. Das Foto zeigt die Klägerin nicht nur in einer erkennbar privaten Situation (vgl. hierzu BGH v. 19.12.1995 - VI ZR 15/95, BGHZ 131, 332 [337 ff.] = MDR 1996, 913). Es stammt auch aus einer Zeit, zu der sie ihre Privatsphäre noch nicht preisgegeben hatte und zu der seine Veröffentlichung mangels eines berechtigten Informationsinteresses als rechtswidrig anzusehen war.

Eine Veränderung der Umstände kann die Veröffentlichung derartiger Fotos nur unter besonderen Voraussetzungen rechtfertigen, für die hier nichts vorgetragen ist. Dass ein Foto geeignet sein kann, einen inzwischen von der abgebildeten Person der Öffentlichkeit preisgegebenen Teil ihres Privatlebens zu illustrieren, reicht dazu nicht aus. Wer - möglicherweise unter dem tatsächlichen Druck einer nicht mehr rückgängig zu machenden Berichterstattung - an die Öffentlichkeit tritt, muss nicht hinnehmen, dass die nunmehr im Grundsatz zulässige Berichterstattung über ihn mit Fotos bebildert wird, die der Öffentlichkeit zunächst nur unter Verletzung des Persönlichkeitsrechts zugänglich gemacht werden konnten. Insoweit kann ein überwiegendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit nicht bejaht werden. Diesem Interesse kann ausreichend dadurch Rechnung getragen werden, dass zulässig zu veröffentlichendes Bildmaterial aus neuerer Zeit verwendet wird.

4. Soweit sich die Revision gegen das Berufungsurteil wegen der Ausführungen zur Wortberichterstattung der Beklagten wendet, ist sie unzulässig, weil das Berufungsgericht sie nicht zugelassen hat.

Das Berufungsgericht hat eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass es die Revision nur zur Klärung der Rechtsfrage zulassen will, unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf Unterlassung der erneuten Veröffentlichung ursprünglich rechtswidrig verbreiteter Fotografien nachträglich entfallen kann. Zwar enthält der Tenor des Berufungsurteils eine solche Einschränkung nicht. Es genügt jedoch, dass sich die Einschränkung mit ausreichender Deutlichkeit aus den Entscheidungsgründen ergibt (BGHZ 48, 134 [136]; BGH v. 29.1.2003 - XII ZR 92/01, BGHZ 153, 358 [360 f.] = MDR 2003, 695 = BGHReport 2003, 536). Hat das Berufungsgericht über mehrere selbstständige prozessuale Ansprüche entschieden und ist die Rechtsfrage, deretwegen es die Revision zugelassen hat, nur für einen von ihnen erheblich, so ist in der Angabe des Zulassungsgrundes regelmäßig die - wie geboten - eindeutige Beschränkung der Zulassung der Revision auf diesen Anspruch zu sehen (BGHZ 48, 134 [136]; BGH v. 29.1.2003 - XII ZR 92/01, BGHZ 153, 358 [361 f.] = MDR 2003, 695 = BGHReport 2003, 536).

Nach ständiger Rechtsprechung kann das Berufungsgericht die Zulassung der Revision auf einen rechtlich selbstständigen und abtrennbaren Teil des Streitstoffes beschränken, auf den auch die Partei selbst ihre Revision begrenzen könnte (BGH, Urt. v. 25.3.1980 - VI ZR 61/79, BGHZ 76, 397 [399] = MDR 1980, 663; v. 9.12.2003 - VI ZR 404/02, BGHReport 2004, 545 = CR 2004, 624 = VersR 2004, 525). Unzulässig ist es, die Zulassung auf Einzelne von mehreren Anspruchsgrundlagen oder auf bestimmte Rechtsfragen zu beschränken (BGH v. 3.6.1987 - IVa ZR 292/85, BGHZ 101, 276 [278] = MDR 1987, 917; v. 20.4.1990 - V ZR 282/88, BGHZ 111, 158 [166] = MDR 1990, 909 jeweils m.w.N.). Der Teil des Prozess-Stoffs, für den die Zulassung ausgesprochen wird, muss vom restlichen Prozess-Stoff abtrennbar sein; im Falle einer Zurückverweisung darf die Änderung dieses Teils nicht in die Gefahr eines Widerspruchs zu dem nicht anfechtbaren Teil geraten (BGH, Urt. v. 4.6.2003 - VIII ZR 91/02, BGHReport 2003, 1165 = MDR 2003, 1248 = ZIP 2003, 1399 [1401]; v. 23.9.2003 - XI ZR 135/02, BGHReport 2003, 1413 = MDR 2004, 105 = NJW 2003, 3703 f.). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

III.

Soweit die Revision begründet ist, kann der Senat selbst entscheiden, weil die Sache entscheidungsreif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1268463

NJW 2005, 594

BGHR 2005, 315

EBE/BGH 2004, 2

EBE/BGH 2004, 406

GRUR 2005, 76

ZAP 2005, 215

AfP 2004, 540

DSB 2005, 20

MDR 2005, 334

VersR 2005, 84

WRP 2005, 117

K&R 2005, 131

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