Leitsatz (amtlich)

a) Der Verwalter, der verurteilt worden ist, einem Wohnungseigentümer die Zustimmung zur Veräußerung seines Wohnungseigentums gem. § 12 Abs. 1 WEG zu erteilen, muss die Kosten des Rechtsstreits im Innenverhältnis zu den übrigen Wohnungseigentümern nicht selber tragen.

b) Der Verwalter darf die Kosten eines Verfahrens nach § 12 Abs. 1 WEG jedenfalls dann aus dem Gemeinschaftsvermögen entnehmen, wenn der Verwaltervertrag ihn dazu ermächtigt.

 

Normenkette

WEG § 12 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Itzehoe (Urteil vom 29.06.2018; Aktenzeichen 11 S 4/17)

AG Pinneberg (Urteil vom 06.12.2016; Aktenzeichen 60 C 67/15)

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil der 11. Zivilkammer des LG Itzehoe vom 29.6.2018 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung des Beklagten gegen das Teil- und Endurteil des AG Pinneberg vom 6.12.2016 hinsichtlich des Urteilstenors zu 2i.H.v. 9.636,78 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 15.1.2016 und hinsichtlich des Urteilstenors zu 4i.H.v. 3.981,13 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 15.1.2016 zurückgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Der Beklagte war bis Ende 2014 Verwalter der klagenden Wohnungseigentümergemeinschaft. Nach der Teilungserklärung bedarf die Veräußerung von Wohnungseigentum der Zustimmung des Verwalters. Der Beklagte verweigerte drei Wohnungseigentümern die Zustimmung zur Veräußerung ihres Wohnungseigentums. Auf deren Klagen wurde er zur Erteilung der Zustimmung verurteilt. Die Kosten der Verfahren wurden ihm auferlegt. Der Beklagte entnahm zum Ausgleich dieser Kosten Geldbeträge i.H.v. 3.981,13 EUR im Jahr 2014 und i.H.v. 9.636,78 EUR im Jahr 2015 aus dem Gemeinschaftsvermögen.

Rz. 2

Das AG hat der auf Rückzahlung dieser Beträge gerichteten Klage der Wohnungseigentümergemeinschaft stattgegeben. Die Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg gehabt. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision will der Beklagte die Klageabweisung erreichen. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

 

Entscheidungsgründe

I.

Rz. 3

Das Berufungsgericht meint, die Klägerin könne von dem Beklagten die Rückzahlung der aus dem Gemeinschaftsvermögen entnommenen Geldbeträge i.H.v. insgesamt 13.617,91 EUR verlangen, weil die Entnahme zu Unrecht erfolgt sei. Der Verwalter dürfe zwar die Kosten eines Rechtsstreits aus dem Verwaltungsvermögen bezahlen, soweit es sich dabei um Kosten der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums i.S.v. § 16 Abs. 2 WEG handele. So liege es aber nur, wenn die Eigentümergemeinschaft selbst oder sämtliche Wohnungseigentümer gemeinsam und gleichberechtigt an einem Rechtsstreit mit Dritten beteiligt seien. Wie sich aus § 16 Abs. 8 WEG ergebe, seien dagegen Kosten eines Rechtsstreits gem. § 43 WEG - von der in der Vorschrift genannten Ausnahme abgesehen - keine Kosten der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums. In diesen Fällen seien die Kosten grundsätzlich von den Parteien selbst zu tragen. Das gelte erst Recht für Streitigkeiten zwischen einzelnen Wohnungseigentümern und dem Verwalter, sofern dieser, wie hier, persönlich in Anspruch genommen werde. Selbst wenn, wie der Beklagte vorgetragen habe, die Wohnungseigentümer in einer Eigentümerversammlung den Antrag eines veräußernden Wohnungseigentümers auf Erteilung der Zustimmung abgelehnt haben sollten, ändere dies an der grundsätzlichen Kostentragungspflicht des Beklagten nichts. Darin liege keine Kostenübernahmeerklärung der Gemeinschaft.

II.

Rz. 4

Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung lässt sich ein Rückzahlungsanspruch der Klägerin aus § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht bejahen.

Rz. 5

1. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts stellt die Entnahme der Geldbeträge aus dem Gemeinschaftsvermögen nicht schon deswegen eine Pflichtverletzung nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB dar, weil der Beklagte von vorneherein keine Erstattung der Verfahrenskosten verlangen könnte.

Rz. 6

a) Nach § 12 Abs. 1 WEG kann als Inhalt des Sondereigentums vereinbart werden, dass ein Wohnungseigentümer zur Veräußerung seines Wohnungseigentums der Zustimmung anderer Wohnungseigentümer oder eines Dritten bedarf. Ist - wie hier - der Verwalter zustimmungsberechtigte Person, wird er bei der Entscheidung über die Zustimmung zur Veräußerung in aller Regel als Treuhänder und mittelbarer Stellvertreter der Wohnungseigentümer tätig (BGH, Urt. v. 20.7.2012 - V ZR 241/11 NJW 2012, 3232 Rz. 13; Urt. v. 13.5.2011 - V ZR 166/10 NJW-RR 2011, 1453 Rz. 9; BGH, Urt. v. 26.9.1990 - IV ZR 226/89, BGHZ 112, 240, 242). Daran ändert sich regelmäßig auch dann nichts, wenn die Wohnungseigentümer nach der Teilungserklärung ausnahmsweise nicht die Entscheidung über die Zustimmung an sich ziehen und selbst treffen können (vgl. dazu BGH, Urt. v. 13.5.2011 - V ZR 166/10 NJW-RR 2011, 1453 Rz. 9 m.w.N.). Auch dann wird der Verwalter im Interesse der übrigen Wohnungseigentümer tätig.

Rz. 7

b) Der Verwalter, der verurteilt worden ist, einem Wohnungseigentümer die Zustimmung zur Veräußerung seines Wohnungseigentums gem. § 12 Abs. 1 WEG zu erteilen, muss die Kosten des Rechtsstreits im Innenverhältnis zu den übrigen Wohnungseigentümern nicht selber tragen. Er hat, weil er für und im Interesse der übrigen Wohnungseigentümer tätig geworden ist, einen Ersatzanspruch jedenfalls unter dem Gesichtspunkt einer Geschäftsbesorgung (§§ 675 Abs. 1, 670 BGB).

Rz. 8

c) Anders als das Berufungsgericht meint, schließt § 16 Abs. 8 WEG den Ersatzanspruch nicht aus. Zweck der Vorschrift ist es, den Vorrang der gerichtlichen Kostenentscheidung zu sichern. Sie soll verhindern, dass Binnenstreitigkeiten zwischen den Wohnungseigentümern untereinander auf Kosten aller Wohnungseigentümer ohne Rücksicht auf die jeweilige Parteistellung und die gerichtliche Kostenentscheidung ausgetragen werden (vgl. BGH, Urt. v. 4.4.2014 - V ZR 168/13, ZWE 2014, 261 Rz. 15; zu § 16 Abs. 5 WEG a.F. vgl. BGH, Beschl. v. 15.3.2007 - V ZB 1/06, BGHZ 171, 335 Rz. 22). Die Regelung schließt nicht aus, dass der Verwalter, der - wie hier - für die Wohnungseigentümer tätig wird, einen Anspruch auf Ersatz seiner in einer Streitigkeit nach § 43 Nr. 3 WEG entstandenen Aufwendungen aus Geschäftsbesorgung hat (§§ 675 Abs. 1, 670 BGB). Aus ihr folgt nur, dass im Innenverhältnis zwischen veräußernden und verbleibenden Wohnungseigentümern der veräußernde Wohnungseigentümer nicht entgegen der Entscheidung des Gerichts mit Kosten belastet werden darf.

Rz. 9

d) Der Beklagte durfte die Verfahrenskosten dem Gemeinschaftsvermögen entnehmen. Der Verwalter darf die Kosten eines Verfahrens nach § 12 Abs. 1 WEG jedenfalls dann aus dem Gemeinschaftsvermögen entnehmen, wenn der Verwaltervertrag ihn dazu ermächtigt. Eine solche Ermächtigung ist in Nr. 2.4h) des Verwaltervertrags vom 1.7.1997 enthalten und wird auch von der Klägerin nicht in Frage gestellt.

Rz. 10

2. Die Entnahme der Verfahrenskosten aus dem Gemeinschaftsvermögen war entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht deshalb i.S.d. § 280 Abs. 1 BGB pflichtwidrig, weil der Beklagte die gegen ihn geführten Prozesse verloren hat. Der Umstand, dass er zur Erteilung der Zustimmung gem. § 12 Abs. 1 WEG verurteilt worden ist, bedeutet nicht ohne Weiteres, dass er bei deren Verweigerung pflichtwidrig gehandelt hat. Dies schließt nämlich nicht aus, dass der Verwalter aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht im Zeitpunkt seiner Entscheidung nach sorgfältiger Prüfung der Umstände zu der Auffassung gelangen durfte, dass ein wichtiger Grund zur Versagung der Zustimmung nach § 12 Abs. 2 WEG vorliegt. Das Risiko einer abweichenden Beurteilung durch das Prozessgericht ist dem Verwalter nicht zuzuweisen, weil er nicht im eigenen, sondern im Interesse der anderen Wohnungseigentümer tätig wird und zudem einen Beurteilungsspielraum bei der Einschätzung hat, ob ein wichtiger Grund i.S.v. § 12 Abs. 2 Satz 1 WEG gegeben ist (vgl. dazu Rz. 14).

III.

Rz. 11

Das Berufungsurteil kann deshalb keinen Bestand haben und ist gem. § 562 Abs. 1 ZPO aufzuheben. Eine eigene Sachentscheidung ist dem Senat nicht möglich; vielmehr bedarf es weiterer Feststellungen durch das Berufungsgericht (§ 563 Abs. 3 ZPO).

Rz. 12

1. Auf der Grundlage des von der Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat mit der Gegenrüge aufgezeigten Vorbringens der Klägerin kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Gemeinschaft aus anderen Gründen ein auf Rückzahlung der entnommenen Verfahrenskosten gerichteter Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB zusteht. Die Klage ist nämlich auch darauf gestützt, dass der Beklagte die Zustimmung zur Veräußerung gem. § 12 WEG schuldhaft pflichtwidrig versagt hat.

Rz. 13

a) Nach § 12 Abs. 2 Satz 1 WEG darf die Zustimmung zur Veräußerung des Wohnungseigentums nur aus einem wichtigen Grund versagt werden. Durch das Erfordernis der Zustimmung sollen sich die übrigen Wohnungseigentümer dagegen schützen können, dass Wohnungseigentum in die Hand eines persönlich oder finanziell unzuverlässigen Erwerbers gerät (BGH, Beschl. v. 11.10.2012 - V ZB 2/12, BGHZ 195, 120 Rz. 13). Verweigert oder erteilt der Verwalter die Zustimmung schuldhaft pflichtwidrig, kann er ggf. für einen entstehenden Schaden ersatzpflichtig sein (§§ 280 Abs. 1, 249 ff. BGB; vgl. dazu BayObLG NJW-RR 1993, 280; OLG Hamburg, ZMR 2004, 850 f.; OLG Düsseldorf, NZM 2005, 787; Hügel/Elzer, WEG, 2. Aufl., § 12 Rz. 75 ff.; Staudinger/Kreuzer, BGB [2018], § 12 WEG Rz. 77, 78).

Rz. 14

b) An das Vorliegen einer schuldhaft pflichtwidrigen Zustimmungsversagung sind aber hohe Anforderungen zu stellen (so auch Gottschalg, Die Haftung von Verwalter und Beirat, 3. Aufl., Rz. 252). Nicht ausreichend ist, dass die Beurteilung der Sache zweifelhaft ist und sowohl für die Erteilung als auch für die Versagung der Zustimmung gute Gründe sprechen. Die Einschätzung des Verwalters über das Vorliegen eines wichtigen Grundes unterliegt einem Beurteilungsspielraum (vgl. BGH, Beschl. v. 21.12.1995 - V ZB 4/94, BGHZ 131, 347, 354 zur Zustimmung zu einer baulichen Veränderung des Wohnungseigentums; Staudinger/Kreuzer, BGB [2018], § 12 WEG Rz. 55; Gottschalg, a.a.O.). Die Grenzen des Beurteilungsspielraums sind erst überschritten, wenn die Entscheidung des Verwalters offensichtlich unvertretbar und nicht nachvollziehbar ist. Dem Verwalter, der seine Bewertung, die rechtlichen Voraussetzungen der Zustimmung seien nicht erfüllt, mit Sorgfalt gebildet hat, kann nicht angelastet werden, wenn er sich gleichwohl irrt und aus diesem Grund die Zustimmung verweigert. Weil er bei der Entscheidung über die Zustimmung die Interessen der anderen Wohnungseigentümer wahrnimmt, kann er bei zweifelhafter Rechtslage einer Verletzung seiner Pflicht nämlich nicht dadurch vorbeugen, dass er die Zustimmung erteilt. Denn ebenso wie er bei Nichtvorliegen eines wichtigen Grundes die Zustimmung zu erteilen hat, hat er sie, wenn ein solcher wichtiger Grund doch vorhanden ist, zu versagen. Einem solchen, nicht lösbaren Pflichtenwiderstreit ist der Verwalter nicht auszusetzen (vgl. BGH, Beschl. v. 21.12.1995 - V ZB 4/94, BGHZ 131, 347, 354 f.).

Rz. 15

c) Der Verwalter ist grundsätzlich auch nicht verpflichtet, eine Weisung der Wohnungseigentümer darüber einzuholen, ob er die Zustimmung nach § 12 WEG erteilen oder versagen soll. Er ist dazu aber jedenfalls in Zweifelsfällen befugt (vgl. BGH, Beschl. v. 21.12.1995 - V ZB 4/94, BGHZ 131, 346, 353). Er hat sie dann umfassend über den Sachverhalt sowie die tatsächlichen und rechtlichen Zweifelsfragen aufzuklären. Die übrigen Wohnungseigentümer müssen in der Lage sein, das Risiko, das sie mit der Zustimmung zu der Veräußerung des Wohnungseigentums oder mit deren Versagung eingehen, zutreffend abzuschätzen. Unterlässt der Verwalter schuldhaft eine solche Aufklärung, so kann er schadensersatzpflichtig sein, weil er den Wohnungseigentümern keine ordnungsgemäße Grundlage für die zu treffende Entscheidung verschafft hat (vgl. BGH, Beschl. v. 21.12.1995 - V ZB 4/94, BGHZ 131, 346, 353).

Rz. 16

2. Wie es sich hier verhält, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Mit der Frage, ob der Beklagte die Zustimmung zur Veräußerung des Wohnungseigentums gem. § 12 WEG schuldhaft pflichtwidrig versagt hat und die Klägerin unter diesem Gesichtspunkt nach § 280 Abs. 1 BGB die Rückzahlung der entnommenen Verfahrenskosten verlangen kann, hat es sich nicht befasst.

IV.

Rz. 17

Infolgedessen ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).

Rz. 18

Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass das Berufungsgericht die Frage, ob die Versagung der Zustimmung durch den Beklagten schuldhaft pflichtwidrig war, eigenständig zu prüfen hat. Es ist dabei nicht an die Beurteilung durch die rechtskräftigen Urteile in den Zustimmungsverfahren gebunden. Zum einen erwachsen die Gründe eines Urteils nicht in Rechtskraft. Zum anderen gilt für die Frage, ob der Beklagte die Zustimmung zur Veräußerung des Wohnungseigentums gem. § 12 WEG schuldhaft pflichtwidrig versagt hat, im Hinblick auf den Beurteilungsspielraum des Verwalters bei der Einschätzung über das Vorliegen eines wichtigen Grundes i.S.d. § 12 Abs. 2 Satz 1 WEG ein anderer Maßstab (vgl. Rz. 14). Dabei wird auch dem Vortrag des Beklagten nachzugehen sein, die Wohnungseigentümer hätten in der Eigentümerversammlung vom 13.10.2014 den Antrag der veräußernden Wohnungseigentümer auf Erteilung der Zustimmung zur Veräußerung des Wohnungseigentums abgelehnt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 13697174

NJW 2020, 8

NWB 2020, 752

NJW-RR 2020, 393

DNotI-Report 2020, 93

JurBüro 2020, 165

MittBayNot 2020, 330

NZM 2020, 330

ZMR 2020, 11

ZMR 2020, 422

ZfIR 2020, 345

JZ 2020, 176

MDR 2020, 12

MDR 2020, 340

WuM 2020, 309

ZWE 2020, 188

MietRB 2020, 109

NJW-Spezial 2020, 257

RdW 2020, 507

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