Leitsatz (amtlich)

a) Soweit die Organmitglieder einer durch Verschmelzung entstandenen Aktiengesellschaft (§ 2 Nr. 2 UmwG) mit denjenigen der übertragenden Rechtsträger personengleich sind, kann sich das Informationsrecht eines Aktionärs (§ 131 Abs. 1 S. 1 AktG) des neuen Rechtsträgers im Rahmen eines Hauptversammlungsbeschlusses über ihre Entlastung (§ 120 Abs. 1 AktG) auch auf etwaige Fehlleistungen im Zusammenhang mit der Verschmelzung erstrecken.

b) Werden einem Aktionär in der Hauptversammlung Auskünfte vorenthalten, die aus der Sicht eines objektiv urteilenden Aktionärs in der Fragesituation zur sachgerechten Beurteilung i.S.v. § 131 Abs. 1 S. 1 AktG des Beschlussgegenstandes "erforderlich" sind, so liegt darin zugleich ein "relevanter" Verstoß gegen das Teilnahme- und Mitwirkungsrecht des betreffenden Aktionärs bei der Beschlussfassung. Dieser Verstoß rechtfertigt die Anfechtbarkeit des Beschlusses, ohne dass es darauf ankommt, ob der tatsächliche Inhalt der in der Hauptversammlung verweigerten und später - evtl. erst im Anfechtungsprozess - erteilten Auskunft einen objektiv urteilenden Aktionär von der Zustimmung zu der Beschlussvorlage abgehalten hätte.

 

Normenkette

AktG § 120 Abs. 1, § 131 Abs. 1 S. 1, § 243 Abs. 1, 3; UmwG § 2 Nr. 2

 

Verfahrensgang

OLG Düsseldorf (Urteil vom 18.07.2002; Aktenzeichen 6 U 170/01)

LG Düsseldorf

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin zu 2) wird das Urteil des 6. Zivilsenats des OLG Düsseldorf v. 18.7.2002 aufgehoben, soweit die Anfechtungsklage der Klägerin zu 2) gegen die Entlastungsbeschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten v. 24.5.2000 abgewiesen worden ist.

Insoweit wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin zu 2) (künftig: Die Klägerin) ist Aktionärin der Beklagten, die durch Verschmelzung im Wege der Neugründung (§ 2 Nr. 2 UmwG) aus der T. AG und der F. K. AG H.-K. (im Folgenden: K. AG) hervorgegangen ist. Die Verschmelzung wurde am 17.3.1999 in das Handelsregister eingetragen. In der ersten ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten v. 24.5.2000 wurde u.a. die Entlastung des Vorstands und des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 1998/99 (TOP 3 und 4) mit Mehrheiten von über 99 % beschlossen.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin u.a. die beiden Entlastungsbeschlüsse angefochten und dazu geltend gemacht, die - mit den Organmitgliedern der übertragenden Rechtsträger weitgehend personenidentischen - Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats der Beklagten hätten im Zusammenhang mit der unternehmerisch verfehlten Verschmelzung ihre Sorgfaltspflichten verletzt, insb. die K. AG zu Lasten der Aktionäre der T. AG maßlos überbewertet. Die zur Rechtfertigung der Verschmelzung unterbreiteten Prognosen hätten sich in der Folge als völlig unrealistisch erwiesen. In der Hauptversammlung seien auf die Aufklärung dieses Sachverhalts zielende Auskunftsersuchen u.a. der Klägerin pflichtwidrig nicht beantwortet worden, um diese Fehlleistungen und Täuschungen zu verdecken. Die auch noch gegen weitere Hauptversammlungsbeschlüsse v. 24.5.2000 gerichtete Anfechtungsklage blieb in den Vorinstanzen insgesamt erfolglos. Der Senat hat die Revision der Klägerin insoweit zugelassen, als die Anfechtungsklage gegen die Entlastungsbeschlüsse abgewiesen worden ist. In diesem Umfang verfolgt die Klägerin ihr Anfechtungsbegehren mit der Revision weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

I. Das Berufungsgericht meint, die Behauptungen der Klägerin über angebliche Fehlleistungen von Vorstand und Aufsichtsrat im Rahmen der Verschmelzung seien gegenüber den Entlastungsbeschlüssen "von vornherein unerheblich", weil die Hauptversammlung bei der Entscheidung über die Entlastung ein nahezu freies Ermessen habe und es ihr frei stehe, auch eine pflichtvergessene Verwaltung zu entlasten. Die Entlastungsbeschlüsse seien auch nicht wegen Verletzung des Auskunftsrechts der Klägerin (§ 131 Abs. 1 S. 1 AktG) anfechtbar. Die auf nachteilige Auswirkungen der Verschmelzung zielenden Auskunftsbegehren der Klägerin seien für die Entscheidung eines objektiv urteilenden Aktionärs über die Entlastung der Organe der Beklagten schon nicht erforderlich gewesen (§ 131 Abs. 1 S. 1 AktG), weil die Verschmelzung von den Organen der übertragenden Rechtsträger betrieben worden sei und diese trotz weit gehender Personengleichheit nicht mit den Organen der Beklagten identisch seien, über deren Entlastung durch die angefochtenen Beschlüsse allein entschieden worden sei. Darüber hinaus fehle es an der erforderlichen Kausalität der angeblichen Auskunftspflichtverletzung für die Beschlussergebnisse.

II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Zu weit geht die Ansicht des Berufungsgerichts, es liege im Ermessen der Hauptversammlung, auch pflichtvergessenen Verwaltungsmitgliedern Entlastung zu erteilen (§ 120 AktG), ohne dass dies zur Anfechtbarkeit des Beschlusses (§ 243 Abs. 1 AktG) führe. Wie der Senat in seinem - nach Erlass des angefochtenen Urteils ergangenen - Urt. v. 25.11.2002 (BGH, Urt. v. 25.11.2002 - II ZR 133/01, BGHZ 153, 47 [52] = MDR 2003, 515 = AG 2003, 273 = BGHReport 2003, 434) klargestellt hat, ist ein Hauptversammlungsbeschluss, der den Verwaltungsmitgliedern trotz eines schwer wiegenden und eindeutigen Gesetzes- oder Satzungsverstoßes Entlastung erteilt, selbst inhaltlich gesetzwidrig und deshalb nach § 243 Abs. 1 AktG anfechtbar. Ein solcher Verstoß ist aber von dem Berufungsgericht nicht festgestellt. Die Revision erhebt insoweit auch keine Aufklärungsrüge.

2. Von Rechtsirrtum beeinflusst ist die Annahme des Berufungsgerichts, die Entlastungsbeschlüsse seien auch nicht wegen Verletzung des Auskunftsrechts der Klägerin (§ 131 Abs. 1 S. 1 AktG) anfechtbar.

a) Wie sich schon aus § 243 Abs. 4 AktG ergibt und von dem Berufungsgericht im Ansatz nicht verkannt wird, kann ein Hauptversammlungsbeschluss auch wegen Verletzung des Informationsrechts eines Aktionärs (§ 131 AktG) gesetzwidrig und daher gem. § 243 Abs. 1 AktG anfechtbar sein. Das Informationsrecht des Aktionärs gem. § 131 AktG ist Teil seines (auch durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG geschützten) Mitgliedschaftsrechts und Voraussetzung für dessen sinnvolle Ausübung in der Hauptversammlung gem. § 118 AktG (BVerfG, Beschl. v. 20.9.1999 - 1 BvR 636/95, AG 2000, 74 = NJW 2000, 349). Gemäß § 131 Abs. 1 S. 1 AktG ist jedem Aktionär auf Verlangen in der Hauptversammlung vom Vorstand Auskunft über Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben, soweit dies zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstandes der Tagesordnung erforderlich ist. Wie die Revision zu Recht rügt, lässt sich die Erforderlichkeit der von der Klägerin in der Hauptversammlung begehrten Auskünfte jedenfalls mit der von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht verneinen.

aa) Das - mit dem Aktiengesetz 1965 eingeführte - Merkmal der Erforderlichkeit der Auskunft gem. § 131 Abs. 1 S. 1 AktG zielt lediglich darauf ab, missbräuchlich ausufernde Auskunftsbegehren zu verhindern, um die Hauptversammlung nicht mit überflüssigen, für eine sachgemäße Beurteilung des Beschluss- oder sonstigen Gegenstandes der Tagesordnung unerheblichen Fragen zu belasten (BegrRegE bei Kropff, Aktiengesetz 1965, S. 185; Decher in Großkomm./AktG, 4. Aufl., § 131 Rz. 132). Entsprechend der Funktion des Auskunftsrechts, das auch zur Meinungs- und Urteilsbildung anderer Aktionäre, insb. der Minderheitsaktionäre, in der Hauptversammlung beitragen soll (BGH v. 12.11.2001 - II ZR 225/99, BGHZ 149, 158 [164] = MDR 2002, 282 = BGHReport 2002, 199; Zöllner in Kölner Komm./AktG, § 131 Rz. 3, 81; Kubis in MünchKomm/AktG, 2. Aufl., § 131 Rz. 3, 41), ist Maßstab für die "Erforderlichkeit" bzw. "Beurteilungserheblichkeit" (Kubis in MünchKomm/AktG, 2. Aufl., § 131 Rz. 44) eines Auskunftsverlangens der Standpunkt eines objektiv urteilenden Aktionärs (BGH v. 12.11.2001 - II ZR 225/99, BGHZ 149, 158 [164] = MDR 2002, 282 = BGHReport 2002, 199), der die Gesellschaftsverhältnisse nur auf Grund allgemein bekannter Tatsachen kennt und daher die begehrte Auskunft als nicht nur unwesentliches Beurteilungselement benötigt (Decher in Großkomm./AktG, 4. Aufl., § 131 Rz. 141; Hüffer, AktG 6. Aufl., § 131 Rz. 12, jeweils m.w.N.).

bb) Für das Auskunftsrecht im Rahmen einer bevorstehenden Organentlastung gem. § 120 AktG gilt im Grundsatz nichts Anderes. Zu entscheiden haben die Aktionäre hier darüber, ob die Tätigkeit der Organmitglieder im abgelaufenen Geschäftsjahr zu billigen ist, sie in der Unternehmensführung eine "glückliche Hand" bewiesen haben und ihnen das Vertrauen auch für ihre künftige Tätigkeit auszusprechen ist (BGH v. 20.5.1985 - II ZR 165/84, BGHZ 94, 324 [326] = AG 1986, 21 = GmbHR 1985, 356 = MDR 1986, 125; Mülbert in Großkomm./AktG, 4. Aufl., § 120 Rz. 25 ff.). Weder die beschränkte Wirkung der Entlastung (§ 120 Abs. 2 S. 2 AktG) noch das der Hauptversammlung bei dieser Entscheidung zustehende Ermessen (bis zu der oben I 1 genannten Grenze) rechtfertigen eine Einschränkung des Auskunftsrechts gem. § 131 AktG oder eine Verschärfung seiner Anforderungen (Decher in Großkomm./AktG, 4. Aufl., § 131 Rz. 188), wie das Berufungsgericht meint. Auch ein innerhalb der Ermessensgrenzen liegender Entlastungsbeschluss ist gem. § 243 Abs. 1, 4 AktG anfechtbar, wenn einem Aktionär die zur Ermessensausübung erforderlichen Auskünfte unberechtigt verweigert werden (BGHZ 36, 121 [139 ff.]), was freilich voraussetzt, dass das Auskunftsbegehren auf Vorgänge von einigem Gewicht gerichtet ist, die für die Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit der Verwaltung von Bedeutung sind. Für eine weiter gehende Einschränkung besteht kein Anlass, weil einem Aktionär nicht zuzumuten ist, die Tätigkeit der Verwaltung ohne die dazu erforderlichen Informationen "abzusegnen" und ihr das Vertrauen auszusprechen.

cc) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts waren die von der Klägerin begehrten Auskünfte über die Anteile der verschmolzenen Rechtsträger an dem insgesamt enttäuschenden Jahresergebnis nicht deshalb für die Entlastungsentscheidung "irrelevant", weil die Verschmelzung von den Organen der Rechtsvorgängerinnen der Beklagten vorbereitet und durchgeführt worden ist. Abgesehen davon, dass die von der Klägerin gestellten Fragen zum Teil die Geschäftstätigkeit der Beklagten und damit die Tätigkeit ihrer Organe im abgelaufenen Geschäftsjahr betrafen, verkennt das Berufungsgericht, dass die Entlastung gem. § 120 Abs. 1 AktG sich nicht auf die institutionellen "Organe", sondern - auch bei der üblichen Form der Gesamtentlastung (Hüffer, AktG 6. Aufl., § 120 Rz. 8) - auf die Organmitglieder bezieht. Diese waren hier - wie das Berufungsgericht feststellt - mit denjenigen der übertragenden Rechtsträger weitgehend personengleich. Es lässt sich daher nicht von vornherein ausschließen, dass ihre etwaigen unternehmerischen Fehlleistungen oder Fehleinschätzungen im Zusammenhang mit der Verschmelzung, auf deren Herausstellung die Auskunftsbegehren der Klägerin zielten, aus der Sicht eines objektiv urteilenden Aktionärs für die Entscheidung über die Entlastung zumindest unter dem Aspekt des darin liegenden Vertrauensvotums für die Zukunft (vgl. oben bb) eine Rolle spielen konnten. Das gilt unabhängig von der Rechtsfrage, ob die Verschmelzung eine Zäsur für den Vergangenheitsbezug der Entlastung bildet und die Hauptversammlung des neuen Rechtsträgers daher nicht befugt ist, die Organmitglieder der übertragenden Rechtsträger für ihre frühere Tätigkeit zu entlasten (Lutter/Grunewald, UmwG, 2. Aufl., § 20 Rz. 29; Kubis in MünchKomm/AktG, 2. Aufl., § 120 Rz. 19, a.A. Martens, AG 1986, 57 [59]). Hier geht es umgekehrt darum, ob den Organmitgliedern mit Rücksicht auf etwaige frühere Fehlleistungen und deren Auswirkungen auf die wirtschaftliche Gesamtlage der Gesellschaft das Vertrauensvotum zu verweigern war. Dass die von der Klägerin gestellten Fragen nach den Ursachen für die enttäuschende Geschäftslage der Beklagten "Angelegenheiten der Gesellschaft" i.S.v. § 131 Abs. 1 S. 1 AktG betrafen, kann ernstlich nicht bezweifelt werden.

Ob die Entlastungsbeschlüsse der übertragenden Rechtsträger v. 25. und 26.2.1999 Rechtswirkung für die Beklagte und deren Hauptversammlung hatten, kann dahinstehen. Denn unabhängig davon kann sich das Auskunftsrecht des Aktionärs im Rahmen der Entlastungsentscheidung auch auf frühere Tätigkeiten der Organmitglieder (Zöllner in Kölner Komm./AktG, § 131 Rz. 49) sowie auf Vorgänge außerhalb des betreffenden Geschäftsjahrs erstrecken, wenn diese Vorgänge sich erst jetzt ausgewirkt haben oder bekannt geworden sind, oder es um neue Gesichtspunkte geht, die einen zurückliegenden Vorgang in einem neuen Licht erscheinen lassen (Decher in Großkomm./AktG, 4. Aufl., § 131 Rz. 150 f.; Zöllner in Kölner Komm./AktG, § 131 Rz. 25).

b) Zu Recht beanstandet die Revision schließlich die Hilfsbegründung des Berufungsgerichts, die Anfechtung der vorliegenden Entlastungsbeschlüsse scheitere jedenfalls an fehlender Kausalität der angeblichen Auskunftspflichtverletzung für die Entscheidung eines objektiv urteilenden Aktionärs.

aa) Zur Einschränkung des nach einhelliger Ansicht zu weit gefassten § 243 Abs. 1 AktG (Hüffer in MünchKomm/AktG, 2. Aufl., § 243 Rz. 27), wonach jeder Verfahrensverstoß zur Anfechtbarkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses führen würde, hat der Senat zwar früher gefordert, dass das Beschlussergebnis - im Sinne einer potenziellen, von der Gesellschaft zu widerlegenden Kausalität - auf dem Verstoß "beruhen" muss. Um namentlich in den Fällen eines Verstoßes gegen Informations- oder Berichtspflichten den Schutz der Minderheitsaktionäre nicht leer laufen zu lassen, kam es allerdings nach dieser Rechtsprechung nicht darauf an, ob die an der Gültigkeit des Beschlusses interessierte Aktionärsmehrheit diesen in jedem Fall gefasst hätte, sondern ob ein objektiv urteilender Aktionär ohne den Verfahrensverstoß bzw. in Kenntnis der ihm zu offenbarenden Umstände anders abgestimmt hätte, als dies in der Hauptversammlung tatsächlich geschehen ist (BGHZ 36, 121 [139 f.]; BGH v. 22.5.1989 - II ZR 206/88, BGHZ 107, 296 [306 f.] = AG 1989, 399 = MDR 1989, 1081; v. 15.6.1992 - II ZR 18/91, BGHZ 119, 1 [18 f.]; v. 5.4.1993 - II ZR 238/91, BGHZ 122, 211 [238 f.] = AG 1993, 422 = MDR 1993, 745 = GmbHR 1993, 446). Diese Rechtsprechung, die auch das Berufungsgericht zu Grunde gelegt hat, hat der Senat jedoch schon im Urt. v. 12.11.2001 (BGH, Urt. v. 12.11.2001 - II ZR 225/99, BGHZ 149, 158 [164 f.] = MDR 2002, 282 = BGHReport 2002, 199) aufgegeben (BGH v. 25.11.2002 - II ZR 49/01, BGHZ 153, 32 [36 f.] = GmbHR 2003, 408 = AG 2003, 319 = BGHReport 2003, 327: gesetzwidrige Bekanntmachung der Tagesordnung). Maßgebend ist danach die "Relevanz" des Verfahrensverstoßes für das Mitgliedschafts- bzw. Mitwirkungsrecht des Aktionärs im Sinne eines dem Beschluss anhaftenden Legitimationsdefizits, das bei einer wertenden, am Schutzzweck der verletzten Norm orientierten Betrachtung die Rechtsfolge der Anfechtbarkeit gem. § 243 Abs. 1 AktG rechtfertigt (vgl. grundlegend Zöllner in Kölner Komm./AktG, § 243 Rz. 81 ff.; ähnlich Hüffer, AktG 6. Aufl., § 243 Rz. 12 f.; Hüffer in MünchKomm/AktG, 2. Aufl., § 243 Rz. 28 ff.; K. Schmidt in Großkomm./AktG, 4. Aufl., § 243 Rz. 24 ff.). Werden einem Aktionär Auskünfte vorenthalten, die aus der Sicht eines objektiv urteilenden Aktionärs in der Fragesituation zur sachgerechten Beurteilung des Beschlussgegenstandes in dem oben (zu 2 a) dargelegten Sinne "erforderlich" sind, so liegt darin zugleich ein "relevanter" Verstoß gegen das Teilnahme- und Mitwirkungsrecht des betreffenden Aktionärs (BGH v. 12.11.2001 - II ZR 225/99, BGHZ 149, 158 [164] = MDR 2002, 282 = BGHReport 2002, 199), ohne dass es darauf ankommt, ob der tatsächliche Inhalt der in der Hauptversammlung verweigerten und später - evtl. erst im Anfechtungsprozess - erteilten Auskunft einen objektiv urteilenden Aktionär von der Zustimmung zu der Beschlussvorlage abgehalten hätte (missverständlich § 243 Abs. 4 S. 1 AktG-RefE UMAG; dazu Seibert/Schütz, ZIP 2004, 252 [256]). Soweit in BGHZ 149, 158, 164 f. (BGH v. 12.11.2001 - II ZR 225/99, BGHZ 149, 158 [164 f.] = MDR 2002, 282 = BGHReport 2002, 199) noch Kausalitätserwägungen als notwendiges Relevanzkriterium anklingen, wird daran nicht festgehalten.

bb) Soweit das Berufungsgericht meint, die von der Klägerin begehrten Auskünfte seien zur Ermittlung eines unredlichen Verhaltens der Organmitglieder nicht geeignet und daher für die Entlastungsentscheidung eines vernünftig urteilenden Aktionärs "nicht relevant" gewesen, hat das mit obigen Relevanzkriterien nichts zu tun und geht daran vorbei, dass nicht nur ein unredliches, sondern auch ein sonstiges fehlsames Organhandeln Grund für die Verweigerung der Entlastung sein kann. Ob die Klägerin ihr subjektiv verfolgtes Ziel, ein unredliches Organhandeln aufzudecken, mit den begehrten Auskünften erreichen konnte, ist für die Frage der Erforderlichkeit der Auskunft nicht entscheidend.

III. Nach allem kann das angefochtene Urteil mit der von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht bestehen bleiben. Eine abschließende Sachentscheidung ist dem Senat verwehrt. Das Berufungsgericht hat die Sache auf Grund unzutreffender rechtlicher Prämissen nicht unter den oben im Einzelnen dargestellten Aspekten der Erforderlichkeit der verlangten Auskünfte und damit der Relevanz einer etwaigen Auskunftspflichtverletzung geprüft. In dieser Hinsicht bedarf die Sache noch einer umfassenden tatrichterlichen Würdigung im Hinblick auf die von der Klägerin im Einzelnen gestellten Fragen und deren Erforderlichkeit bzw. Erheblichkeit für die Ausübung des Entlastungsermessens eines objektiv urteilenden Aktionärs.

Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, die noch erforderlichen Feststellungen, ggf. nach ergänzendem Sachvortrag der Parteien, zu treffen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1276681

BGHZ 2005, 385

BB 2005, 64

DB 2004, 2803

DStR 2005, 75

DStZ 2005, 92

WPg 2005, 20

NJW 2005, 828

NWB 2004, 3923

BGHR 2005, 242

EWiR 2005, 241

NZG 2005, 77

StuB 2005, 283

WM 2004, 2489

ZIP 2004, 2428

AG 2005, 87

DNotZ 2005, 302

NJW-Spezial 2005, 77

ZNotP 2005, 69

BBV 2005, 39

JWO-VerbrR 2004, 355

Konzern 2005, 51

UM 2004, 444

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