Entscheidungsstichwort (Thema)

Stromlieferungsvertrag. Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen. Aktionsbonus

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Auslegung einer Allgemeinen Geschäftsbedingung in einem Stromlieferungsvertrag über die Gewährung eines sog. "Aktionsbonus" für Neukunden.

 

Normenkette

BGB § 305c Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Ravensburg (Urteil vom 29.06.2012; Aktenzeichen 1 S 31/12)

AG Bad Waldsee (Urteil vom 24.01.2012; Aktenzeichen 1 C 296/11)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 1. Zivilkammer des LG Ravensburg vom 29.6.2012 aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des AG Bad Waldsee vom 24.1.2012 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung eines "Aktionsbonus" aus einem Stromlieferungsvertrag.

Rz. 2

Der Kläger bezog von der Beklagten Strom aufgrund eines Vertrages, der am 1.5.2010 begann. Die in das Vertragsverhältnis einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten (Stand: 2.2.2010) enthalten in Ziff. 7.3 folgende Regelung:

"Wenn Sie als Neukunde einen Vertrag mit F. [Beklagte] schließen, gewährt Ihnen F. einen einmaligen Bonus. Dieser wird nach 12 Monaten Belieferungszeit fällig und spätestens mit der ersten Jahresrechnung verrechnet. Neukunde ist, wer in den letzten 6 Monaten vor Vertragsschluss in seinem Haushalt nicht von F. beliefert wurde. Der Bonus entfällt bei Kündigung innerhalb des ersten Belieferungsjahres, es sei denn die Kündigung wird erst nach Ablauf des ersten Belieferungsjahres wirksam."

Rz. 3

Das Vertragsverhältnis endete aufgrund fristgerechter Kündigung des Klägers nach einem Jahr Belieferung mit Ablauf des 30.4.2011. In der Schlussrechnung vom 19.9.2011 berücksichtigte die Beklagte nicht den der Höhe nach unstreitigen Bonus von 140 EUR.

Rz. 4

Mit seiner Klage begehrt der Kläger Zahlung des Bonus sowie weiterer 102,18 EUR, insgesamt 242,18 EUR nebst Zinsen. Das AG hat der Klage - nach Anerkenntnis der Beklagten hinsichtlich des Teilbetrags von 102,18 EUR nebst Zinsen - stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das LG das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und die Klage hinsichtlich der Bonuszahlung abgewiesen. Der Kläger begehrt mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Rz. 5

Die Revision hat Erfolg.

I.

Rz. 6

Das Berufungsgericht hat, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

Rz. 7

Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Zahlung des Aktionsbonus i.H.v. 140 EUR gegen die Beklagte nach deren Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht zu, weil er die Kündigung bereits zum Ablauf der Mindestvertragslaufzeit von einem Jahr ausgesprochen habe. Entgegen der Auffassung des Klägers sei die Klausel bereits nach ihrem Wortlaut eindeutig. Unter Zugrundelegung des Empfängerhorizonts eines rechtlich nicht vorgebildeten durchschnittlichen Vertragspartners ergebe die Auslegung der Klausel, dass der Kunde einen Anspruch auf Zahlung des Bonus erst dann erhalte, wenn er länger als zwölf Monate Strom von der Beklagten bezogen habe. Dies folge aus der einschränkenden Formulierung in Ziff. 7.3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten im Zusammenhang mit der Auswirkung einer Kündigung innerhalb des ersten Belieferungsjahres auf den Bonusanspruch: "... es sei denn, die Kündigung wird erst nach Ablauf des ersten Belieferungsjahres wirksam". Der eindeutige Wortlaut der Klausel besage, dass der Bonus bei einer Kündigung innerhalb des ersten Belieferungsjahres entfalle. Dies bedeute zunächst einmal, dass bei allen Kündigungen innerhalb des ersten Jahres der Bonus nicht gewährt werde. Anschließend werde eine Rückausnahme vom Entfallen des Bonus gemacht, wenn die - wie vorliegend - innerhalb des ersten Belieferungsjahres erklärte Kündigung erst nach und nicht zum Ablauf des ersten Belieferungsjahres wirksam werde. Entgegen der Auffassung des Klägers sei die unterschiedliche Bedeutung von "nach Ablauf" und "zum Ablauf" eindeutig erkenn- und begreifbar. Bei einem am 1. April beginnenden Vertrag bedeute "zum Ablauf" den 30. April des Folgejahres und "nach Ablauf" den 1. Mai des Folgejahres. Ebenso verhalte es sich mit dem Begriff der Wirksamkeit. Allein eine Mehrzahl unterschiedlicher Gerichtsentscheidungen vermöge den eindeutigen Wortlaut der Klausel nicht unklar zu machen.

II.

Rz. 8

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Rz. 9

1. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Klauselauslegung unterliegt der uneingeschränkten revisionsrechtlichen Nachprüfung, da bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen ungeachtet der Frage, ob sie über den räumlichen Bezirk des Berufungsgerichts hinaus Verwendung finden, ein Bedürfnis nach einheitlicher Handhabung besteht (BGH, Urt. v. 9.2.2011 - VIII ZR 295/09, NJW 2011, 1342 Rz. 29; v. 9.6.2010 - VIII ZR 294/09, NJW 2010, 2877 Rz. 11 m.w.N.). Allgemeine Geschäftsbedingungen sind - ausgehend von den Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht vorgebildeten durchschnittlichen Vertragspartners - einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden (BGH vom 9.2.2011 - VIII ZR 295/09, a.a.O., und 9.6.2010 - VIII ZR 294/09, a.a.O., Rz. 12). Dabei sind sie unabhängig von der Gestaltung des Einzelfalls sowie dem Willen und den Belangen der jeweils konkreten Vertragspartner nach ihrem typischen Sinn auszulegen. Ansatzpunkt für die bei einem Formularvertrag gebotene objektive, nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung ist in erster Linie der Vertragswortlaut (st.Rspr.; BGH vom 8.4.2009 - VIII ZR 233/08, NJW-RR 2009, 1021 Rz. 19 m.w.N.).

Rz. 10

2. Hieran gemessen hält die Auslegung der vorliegenden Klausel durch das Berufungsgericht, wie die Revision mit Recht rügt, der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Senat teilt nicht die Auffassung des Berufungsgerichts und einiger Instanzgerichte (vgl. LG Berlin, Urt. v. 13.1.2012 - 56 S 58/11, juris; AG Coburg, Urt. v. 6.10.2011 - 15 C 1176/11, juris; AG Linz, Urt. v. 14.12.2010 - 21 C 640/10, juris), wonach der Wortlaut der Klausel eindeutig in dem Sinne sei, dass ein Anspruch auf den Bonus nur bestehe, wenn der Stromlieferungsvertrag länger als ein Jahr bestanden habe. Vielmehr kann die Formulierung der vorliegenden Klausel für einen juristisch nicht vorgebildeten Kunden ohne Weiteres dahin verstanden werden, dass ein Anspruch auf den Bonus bereits dann besteht, wenn der Vertrag mindestens ein Jahr bestanden hat (vgl. LG Heidelberg, Urteil vom 29.12.2010 - 12 O 76/10 KfH, juris; AG Tiergarten, Urt. v. 17.1.2011 - 3 C 355/10, juris; AG Bonn, Urt. v. 30.4.2012 - 111 C 253/11, juris). Die Klausel ist deshalb nach § 305c Abs. 2 BGB in diesem Sinne auszulegen. Das Vorbringen der Beklagten in der Revisionserwiderung rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die Auslegung, nach der für den Bonusanspruch erforderlich sei, dass der Vertrag länger als ein Jahr bestanden habe, mag auch möglich sein, beseitigt aber nicht die bestehenden Auslegungszweifel.

III.

Rz. 11

Da die Revision begründet ist, ist das Berufungsurteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat entscheidet in der Sache selbst, weil weitere Feststellungen nicht zu treffen sind (§ 563 Abs. 1 und 3 ZPO). Da der Stromlieferungsvertrag zwischen den Parteien - wie von Ziff. 7.3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten gefordert - ein volles Jahr bestand, hat der Kläger, wie das AG zutreffend entschieden hat, Anspruch auf Zahlung des der Höhe nach unstreitigen Aktionsbonus. Die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des AG ist daher zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3793051

BB 2013, 1025

BB 2013, 1364

NJW 2013, 1805

EBE/BGH 2013, 0

EBE/BGH 2013, 172

NZM 2013, 435

JZ 2013, 379

MDR 2013, 13

MDR 2013, 698

NJ 2013, 6

RdE 2013, 327

RdW 2013, 496

ZNER 2013, 608

EWeRK 2013, 212

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