Entscheidungsstichwort (Thema)

Honoraranspruch trotz unzureichender Rechtsanwaltsleistung

 

Leitsatz (amtlich)

a) Der Vergütungsanspruch aus einem Anwaltsdienstvertrag kann wegen einer unzureichenden und pflichtwidrigen Leistung des Rechtsanwalts nicht gekürzt werden oder in Wegfall geraten.

b) Vereitelt der Rechtsanwalt durch seine Pflichtverletzung einen Kostenerstattungsanspruch des Mandanten, liegt darin i.d.R. ein Schaden, der dem Vergütungsanspruch entgegengehalten werden kann.

 

Normenkette

BGB §§ 611, 675

 

Verfahrensgang

LG Kleve (Urteil vom 30.10.2003; Aktenzeichen 6 S 100/03)

AG Geldern

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des LG Kleve v. 30.10.2003 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der klagende Rechtsanwalt hat die Tochter des Beklagten in einem Klageerzwingungsverfahren vertreten. Dieses war gegen einen in einem zivilrechtlichen Vorprozess als Sachverständiger eidlich vernommenen Architekten gerichtet, dem der Beklagte und seine Tochter vorwarfen, einen Meineid geleistet zu haben. Nachdem ein von dem Beklagten selbst angestrengtes Klageerzwingungsverfahren, in welchem er sich von einem anderen Rechtsanwalt hatte vertreten lassen, gescheitert war, wandte er sich an den Kläger und beauftragte ihn im eigenen Namen, für seine Tochter erneut einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung über die Erhebung der öffentlichen Klage gegen den Architekten (§ 172 Abs. 2 S. 1 StPO) zu stellen. Am 28.4.2001 trafen die Parteien eine schriftliche Honorarvereinbarung über 2.000 DM zzgl. Umsatzsteuer, auf die der Beklagte einen Vorschuss von 511,29 EUR (1.000 DM) zahlte. Der Kläger reichte den von ihm gefertigten Klageerzwingungsantrag beim zuständigen OLG Düsseldorf ein, welches ihn durch Beschluß v. 10.9.2001 als unzulässig verwarf.

Soweit dies im Revisionsverfahren noch von Interesse ist, verlangt der Kläger von dem Beklagten Zahlung von 593,10 EUR (1.000 DM zzgl. 16 v.H. Umsatzsteuer) und der Beklagte widerklagend Rückzahlung des geleisteten Vorschusses von 511,29 EUR. Der Beklagte macht - mit wechselnder Begründung - geltend, die Einreichung eines unzulässigen Antrags sei für ihn völlig wertlos gewesen. Die Vorinstanzen haben der Klage in diesem Umfang stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.

 

Entscheidungsgründe

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.

1. Das Berufungsgericht meint, der Honoraranspruch sei nicht auf Grund einer schlechten anwaltlichen Leistung untergegangen. Die Abgrenzung einer (schlichten) Schlechtleistung, die den anwaltlichen Honoraranspruch unberührt lasse, zu einer gänzlich wertlosen, die zum Wegfall des Honorars führe, sei kaum möglich; deshalb müsse es generell dabei verbleiben, dass der dienstvertragliche Vergütungsanspruch durch eine unzulängliche Leistung nicht beeinträchtigt werde. Da der Beklagte den Anwaltsvertrag nicht gekündigt habe, könne auch § 628 BGB a.F. nicht angewandt werden.

2. Demgegenüber beruft sich die Revision auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts (RGZ 113, 264, 268 f), wonach ein Anspruch auf Anwaltsgebühren schon bei einer schuldhaften Verletzung wesentlicher Anwaltspflichten ausgeschlossen sei, wenn der Anwalt hierbei den Interessen seines Auftraggebers zuwider gehandelt habe. Die Revision hält dies hier für gegeben, weil der Beklagte dem Kläger den vorausgegangenen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nebst Verwerfungsbeschluss des OLG Düsseldorf zur Verfügung gestellt habe und der zweite Antrag wiederum an der Zulässigkeitshürde gescheitert sei.

3. Diese Angriffe sind unbegründet. Dem Kläger steht aus der Honorarvereinbarung v. 28.4.2001, die der für sie vorgeschriebenen Form des § 3 Abs. 1 S. 1 BRAGO entspricht, neben dem geleisteten Vorschuss jedenfalls noch ein Betrag von 593,10 EUR zu.

a) Der Auftraggeber eines Rechtsanwalts kann den anwaltlichen Vergütungsanspruch, der - wie im Regelfall (vgl. BGH, Urt. v. 20.6.1996 - IX ZR 106/95, MDR 1997, 100 = WM 1996, 1832 [1834]) - aus einem Anwaltsdienstvertrag (§§ 611, 675 BGB) hergeleitet wird, nicht kraft Gesetzes wegen mangelhafter Dienstleistung kürzen; denn das Dienstvertragsrecht kennt keine Gewährleistung (BGH, Urt. v. 29.4.1963 - III ZR 211/61, NJW 1963, 1301 [1302]; v. 15.1.1981 - III ZR 19/80, MDR 1981, 734 = NJW 1981, 1211 [1212]; OLG Nürnberg AnwBl. 1971, 175 [176]; Zugehör, Handbuch der Anwaltshaftung, Rz. 923). Deshalb ist der BGH von der mit dem Rechtsgedanken aus § 654 BGB begründeten weit gehenden Rechtsprechung des Reichsgerichts (RG RGZ 113, 264 [269]) abgerückt und hat den Ausschluss der Gebührenforderung nur für Fallgestaltungen anerkannt, in denen der Rechtsanwalt über einen grob fahrlässigen Pflichtenverstoß hinaus einen nach § 356 StGB strafbaren Parteiverrat begangen hat (vgl. BGH, Urt. v. 15.1.1981 - III ZR 19/80, MDR 1981, 734 = NJW 1981, 1211 [1212]). Nur bei einem derartigen Verstoß entsteht nach dem in § 654 BGB enthaltenen Gedanken von vornherein kein Anspruch auf eine Vergütung, so dass es unerheblich ist, ob dem Auftraggeber ein Schaden entstanden ist oder nicht.

Ein solcher Fall ist, was die Revision einräumt, hier nicht gegeben.

b) Der Vergütungsanspruch des Klägers ist auch nicht nach § 628 Abs. 1 BGB a.F., der auf Anwaltsdienstverträge grundsätzlich anwendbar ist (vgl. Zugehör, Handbuch der Anwaltshaftung, Rz. 926), vollständig oder teilweise entfallen.

Nach dem Abs. 1 S. 2 dieser Bestimmung setzt dies voraus, dass die bisherigen (Anwalts-)Leistungen infolge der Kündigung für den Dienstberechtigten kein Interesse haben. Gegenstand des dem Kläger erteilten anwaltlichen Mandats war der Antrag auf gerichtliche Entscheidung über die Erhebung der öffentlichen Klage gegen den Architekten (vgl. Honorarvereinbarung v. 28.4.2001). Dieses Mandat war mit dem Erlass des unanfechtbaren Beschlusses des OLG Düsseldorf v. 10.9.2001 im Wesentlichen beendet. Der Beklagte hat nicht behauptet, dieses Mandatsverhältnis vor diesem Zeitpunkt gekündigt zu haben. Schon deshalb ist für die Anwendung der §§ 626 ff BGB kein Raum.

II.

1. Das Berufungsgericht hat den Gebührenanspruch des Klägers aus der Gebührenvereinbarung v. 28.4.2001 auch nicht an Schadensersatzansprüchen des Beklagten scheitern lassen, die aus einer Schlechterfüllung des Anwaltsvertrages herrühren:

Auszugehen sei von dem Vortrag des Beklagten erster Instanz, wonach dem Kläger vorzuwerfen sei, er habe mit der mangelhaft abgefassten Antragsschrift einen Anspruch gegen den Architekten auf Kostenerstattung verhindert, weil der Beklagte sich im Falle der Zulässigkeit des Antrags dem gerichtlichen Verfahren als Nebenkläger hätte anschließen können (vgl. § 395 Abs. 1 Nr. 3 StPO). Im Falle einer Verurteilung des Architekten hätte er eine Erstattung seiner notwendigen Auslagen erhalten (§ 472 Abs. 1 StPO). Der neue Vortrag in der Berufungsinstanz, bei hinreichender Aufklärung über die schlechten Erfolgsaussichten des Klageerzwingungsverfahrens hätte er von dem Vorhaben Abstand genommen, sei nicht zulassungsfähig (§ 531 Abs. 2 ZPO). Es fehle auch Vortrag in zweiter Instanz, dass der Beklagte einem entsprechenden Rat des Klägers gefolgt wäre. Gehe man davon aus, dass der Beklagte den Klageerzwingungsantrag weiterverfolgt hätte, sei ein ersatzfähiger Schaden nicht feststellbar. Der Beklagte habe nicht hinreichend vorgetragen, dass ein zulässiger Antrag nach § 175 StPO auch begründet gewesen wäre und das nachfolgende Strafverfahren zu einer Verurteilung des Architekten geführt hätte.

2. Diese Erwägungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Der Revision kann nicht zugestimmt werden, der Beklagte habe schon in erster Instanz geltend gemacht, dass er von dem Klageerzwingungsverfahren bei richtiger Beratung durch den Kläger Abstand genommen hätte.

aa) Der angeblich übergangene Vortrag bezieht sich nicht auf das hier in Rede stehende Mandatsverhältnis, sondern auf die Verteidigung des Beklagten in einem gegen ihn geführten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren. Hierfür hat der Kläger ein weiteres Honorar von 500 DM beansprucht, über das in erster Instanz abschließend entschieden worden ist. Bezüglich des streitgegenständlichen Mandatsverhältnisses hat der Beklagte in erster Instanz durchgängig den Standpunkt eingenommen, die Verurteilung des Architekten sei allein daran gescheitert, dass der Beklagte keinen formgerechten Antrag gem. § 172 Abs. 3 StPO zu Stande gebracht habe. Soweit er ergänzend bestreitet, auf die angeblich mangelnden Erfolgsaussichten eines Klageerzwingungsverfahrens hingewiesen worden zu sein, behauptet er damit nicht, dass aus der damaligen Sicht eines sorgfältigen Rechtsanwalts die Erfolgsaussichten tatsächlich als gering einzuschätzen gewesen seien, der Kläger den Beklagten entsprechend hätte belehren müssen und dieser bei richtiger Beratung über die mangelnden Erfolgsaussichten in der Sache von dem Klageerzwingungsverfahren Abstand genommen hätte. Einen solchen Sachverhalt hat der Beklagte nicht zum Gegenstand seines erstinstanzlichen Vortrags gemacht.

bb) Den Ursachenzusammenhang zwischen der pflichtwidrigen Beratung und dem beim Auftraggeber eingetretenen Schaden hat dieser darzulegen und zu beweisen (BGH v. 30.9.1993 - IX ZR 73/93, BGHZ 123, 311 [313 ff.] = MDR 1994, 211). Das gilt auch für die Frage, wie sich der Auftraggeber bei richtiger Beratung verhalten hätte. Insoweit kommen ihm zwar, weil es sich dabei um die haftungsausfüllende Kausalität handelt, Beweiserleichterungen zu Hilfe (§ 287 ZPO). Außerdem kann dem Mandanten die Beweisführung nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises erleichtert sein (BGH v. 30.9.1993 - IX ZR 73/93, BGHZ 123, 311 [314 f.] = MDR 1994, 211; Urt. v. 22.2.2001 - IX ZR 293/99, BGHReport 2001, 434 = WM 2001, 741 [743]). Die Regeln des Anscheinsbeweises sind jedoch unanwendbar, wenn unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten verschiedene Verhaltensweisen ernsthaft in Betracht kommen und die Aufgabe des Beraters lediglich darin besteht, dem Mandanten durch die erforderlichen fachlichen Informationen eine sachgerechte Entscheidung zu ermöglichen (BGH, Urt. v. 22.2.2001 - IX ZR 293/99, BGHReport 2001, 434 = WM 2001, 741 [743]). Ob es für die Tochter des Beklagten wirtschaftlich vernünftig war, das Klageerzwingungsverfahren zu betreiben, nachdem der Beklagte mit demselben Vorhaben bereits gescheitert war, wird von dem Beklagten im gesamten Verfahren nicht ansatzweise dargelegt. Ein Sachverhalt, der es wahrscheinlich erscheinen lässt, dass der Architekt wegen Meineides verurteilt worden wäre, ist vom Berufungsgericht nicht festgestellt worden; Verfahrensrügen hat die Revision insoweit nicht erhoben. Im Dunkeln liegt auch, welchen Einfluss die Verurteilung des Architekten auf die wirtschaftliche Lage des Beklagten gehabt hätte. Damit ist auch vollständig offen, ob die Motive des Beklagten für den dem Kläger erteilten Auftrag in wirtschaftlichen Überlegungen zu suchen sind oder ob das Verfahren aus anderen Gründen "koste es, was es wolle" durchgeführt werden sollte. Auf dieser Tatsachengrundlage kann sich der Beklagte nicht auf die Grundsätze des Anscheinsbeweises berufen.

b) Ohne einen hinreichenden Vortrag des Beklagten in erster Instanz zur haftungsausfüllenden Kausalität durfte das Berufungsgericht deshalb neue Angriffs- und Verteidigungsmittel hierzu nur unter den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 S. 1 ZPO zulassen. Das Berufungsgericht hat insoweit keinen Zulassungsgrund gesehen; dies ist rechtlich nicht zu beanstanden.

c) Schließlich erweisen sich auch die weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts zur haftungsausfüllenden Kausalität als tragfähig.

Da in den Tatsacheninstanzen nicht einmal in einer der Beweiserhebung zugänglichen Weise vorgetragen worden ist, auf Grund welchen Lebenssachverhalts der als Sachverständiger vernommene Architekt vorsätzlich die Unwahrheit gesagt haben soll, hat das Berufungsgericht mit Recht nicht feststellen können, wie sich die Vermögenslage des Beklagten bei einem zulässigen Antrag gem. § 172 Abs. 2 StPO entwickelt hätte.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass ein zulässiges und sogar begründetes Klageerzwingungsverfahren in keinem Fall zu einer Kostenentscheidung zu Gunsten des Beklagten geführt hätte. Die notwendigen Auslagen des Nebenklägers fallen zwar im Falle einer Verurteilung i.d.R. dem Angeklagten zur Last (§ 472 Abs. 1 StPO). Dazu mögen regelmäßig auch die durch den Antrag auf gerichtliche Entscheidung veranlassten notwendigen Kosten gehören (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl., § 177 Rz. 3, § 472 Rz. 8). Da der Meineid (§ 154 StGB) jedoch nicht zu den nebenklagefähigen Delikten gehört (vgl. § 395 Abs. 1 bis 3 StPO) und das von dem Beklagten selbst betriebene Klageerzwingungsverfahren schon vor Mandatserteilung an den Kläger endgültig gescheitert war, wäre bei pflichtgemäßem Handeln allenfalls die Tochter des Beklagten zur Nebenklage befugt gewesen (§ 395 Abs. 1 Nr. 3 StPO). Nur sie hätte deshalb zu Recht und wirksam, was von § 472 Abs. 1 S. 1 StPO vorausgesetzt wird (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl., § 472 Rz. 8), als Nebenklägerin zugelassen werden können.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1207606

BB 2004, 1987

DB 2004, 2751

DStZ 2005, 56

NJW 2004, 2817

NWB 2004, 3728

BGHR 2004, 1534

FamRZ 2004, 1631

FA 2004, 307

FA 2004, 351

ZAP 2004, 1276

DAR 2004, 645

KÖSDI 2005, 14462

MDR 2004, 1387

VersR 2005, 270

AGS 2004, 336

NJW-Spezial 2004, 334

RÜ 2004, 573

RENOpraxis 2005, 27

RVG-B 2005, 2

ZGS 2004, 325

BRAK-Mitt. 2004, 263

JT 2005, 3

RVG-Letter 2004, 101

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