Leitsatz (amtlich)

Ein Sachvortrag kann in der Berufungsinstanz nicht zurückgewiesen werden, wenn das erstinstanzliche Gericht auf Grund eines unvollständigen gerichtlichen Hinweises den Eindruck erweckt hat, weiteres Vorbringen sei nicht erforderlich.

 

Normenkette

ZPO § 139 Abs. 2, § 531 Abs. 2 Nr. 2

 

Verfahrensgang

OLG München (Urteil vom 09.04.2003; Aktenzeichen 27 U 701/02)

LG Augsburg

 

Tenor

Auf die Revision des Streithelfers des Beklagten wird das Urteil des 27. Zivilsenats des OLG München, Zivilsenate in Augsburg, v. 9.4.2003 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger verlangt restliche Vergütung von 78.969,49 EUR für eine Brandschadenssanierung bei einem Objekt des Beklagten.

Der Beklagte hat in erster Instanz die Beauftragung des Klägers bestritten und geltend gemacht, die Abrechnung sei überhöht. Er habe nur ein deutlich niedrigeres Angebot erhalten, allenfalls könne danach abgerechnet werden. Soweit der Kläger in der Klageschrift die angeblich erbrachten Leistungen in einem anderen, nicht erhaltenen Angebot aufgelistet habe, würden diese selbst, wie auch die Angemessenheit der dort aufgeführten Einzelsummen, bestritten. Außerdem hat der Beklagte Mängel gerügt und sich insoweit die Aufrechnung vorbehalten.

Das LG hat den Beklagten in der Terminsverfügung auf Folgendes hingewiesen: "Soweit der Beklagte wegen der nicht fachgerechten Sanierung sich Schäden berühmt, mögen diese beziffert und unter Beweis gestellt werden." Im nicht nachgelassenen Schriftsatz v. 12.8.2002 hat der Beklagte, auf eine in der mündlichen Verhandlung geäußerte Bitte bezugnehmend, um einen Hinweis gebeten, falls das Bestreiten der einzelnen Leistungen nicht ausreichend sei. Da ein Hinweis bisher nicht erteilt sei, werde davon ausgegangen, dass der bisherige Vortrag ausreiche.

In dem daraufhin ergangenen, klagezusprechenden Urteil hat das LG das Bestreiten der Rechnungshöhe als unsubstanziiert zurückgewiesen, auch weil es im Widerspruch zu dem Abrechnungsverhalten gegenüber der Brandversicherung stehe.

Mit der Berufung hat der Beklagte eine Überraschungsentscheidung gerügt und umfangreich zu den einzelnen Positionen vorgetragen. Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der erstinstanzliche Anwalt des Beklagten als dessen Streithelfer den Klageabweisungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

A.

Die Revision ist zulässig. Der Streithelfer ist mit der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde dem Rechtsstreit beigetreten. Entgegen der Auffassung des Revisionsbeklagten entspricht der Beitritt den Anforderungen des § 70 Nr. 2 ZPO. Der Streithelfer hat mit seinem Beitritt auf die noch im Berufungsrechtszug erfolgte Streitverkündung Bezug genommen. Aus dieser und den ihm zugestellten Unterlagen ergibt sich eindeutig, dass ihm der Streit als Anwalt wegen eines Regressanspruches verkündet worden ist.

B.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Auf das Verfahren der Berufung sind die Vorschriften nach Maßgabe des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses v. 27.7.2001 anzuwenden (§ 26 Nr. 5 EGZPO).

I.

Das Berufungsgericht führt aus, die Klage sei begründet. Das detaillierte Bestreiten der einzelnen Positionen aus dem Angebot des Klägers werde nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO zurückgewiesen.

II.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Vorbringen des Beklagten zu den einzelnen Abrechnungspositionen hätte gem. § 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO berücksichtigt werden müssen. Danach sind neue Angriffs- und Verteidigungsmittel zuzulassen, wenn sie infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden. Diese Voraussetzungen liegen vor.

Das LG hat die Entscheidung unter Verstoß gegen § 139 Abs. 2 ZPO auf einen Gesichtspunkt gestützt, den der Beklagte erkennbar übersehen hat, ohne ihm Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Der Beklagte ist erkennbar und jedenfalls nach der Terminsverfügung des LG auch zu Recht davon ausgegangen, dass sein Bestreiten ausreichend war. Denn mit der Terminsverfügung hat das LG nur auf Bedenken gegen die Schlüssigkeit der Aufrechnung hingewiesen. Es hat damit den Eindruck erweckt, weitere Bedenken gegen die Verteidigung bestünden nicht. Dass das pauschale Bestreiten derjenigen Leistungen, die im von der Klägerin vorgelegten Angebot bezeichnet waren, nicht als ausreichend bewertet werde, lag entgegen der von der Klägerin im Revisionsverfahren vertretenen Auffassung nicht auf der Hand. Der Beklagte hat sich auch damit verteidigt, dass er lediglich die Leistungen in Auftrag gegeben und zu bezahlen habe, die sich aus dem von ihm vorgelegten Angebot ergäben. In diesem Angebot waren Leistungen detailliert aufgeführt.

Es besteht kein Zweifel daran, dass der Beklagte nach dem gebotenen Hinweis des LG darauf, dass auch das Bestreiten der der Werklohnforderung zu Grunde liegenden Behauptungen als unsubstanziiert bewertet werde, den Vortrag in der Weise ergänzt hätte, wie es in der Berufungsbegründung geschehen ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1261658

BB 2004, 2660

BGHR 2005, 185

BauR 2005, 135

FamRZ 2005, 195

NJW-RR 2005, 213

IBR 2005, 62

JurBüro 2005, 167

ZAP 2005, 172

MDR 2005, 161

ZfBR 2005, 173

BrBp 2005, 123

BrBp 2005, 38

NZBau 2005, 104

Mitt. 2005, 45

ProzRB 2005, 95

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