Entscheidungsstichwort (Thema)

Von Amts wegen in Revisionsinstanz zu berücksichtigendes unzulässiges Teilurteill

 

Leitsatz (amtlich)

a) Der Erlass eines unzulässigen Teilurteils stellt einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, der in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu berücksichtigen ist (Aufgabe von BGH, Urt. v. 18.12.1954 - II ZR 76/54, BGHZ 16, 71; v. 22.3.1991 - V ZR 16/90; v. 6.3.1996 - VIII ZR 212/94; v. 17.5.2000 - VIII ZR 216/99).

b) Hat das Gericht hinsichtlich eines abtrennbaren Teils des Rechtsstreits auf übereinstimmenden Antrag der Parteien das Ruhen des Verfahrens angeordnet, ist ein Teilurteil über den übrigen Teil des Rechtsstreits wegen der bei erneuter Aufnahme des Verfahrens bestehenden Gefahr einer abweichenden Entscheidung nicht zulässig.

 

Normenkette

ZPO §§ 301, 557 Abs. 3 S. 2

 

Verfahrensgang

OLG Dresden (Urteil vom 26.01.2010; Aktenzeichen 14 U 983/08)

LG Chemnitz (Urteil vom 06.05.2008; Aktenzeichen 1 O 2620/05)

 

Tenor

Auf die Rechtsmittel der Kläger und der Beklagten werden das Urteil des 14. Zivilsenats des OLG Dresden vom 26.1.2010 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 10.3.2010 - auch im Kostenpunkt - und das Teilurteil der 1. Zivilkammer des LG Chemnitz vom 6.5.2008 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 9.5.2008, soweit dieses die Revisionsbeklagten betrifft, aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren, an das LG zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit von Gaspreiserhöhungen.

Rz. 2

Die Kläger werden als Endverbraucher von dem beklagten Energieversorgungsunternehmen leitungsgebunden mit Erdgas versorgt. Die Vertragsverhältnisse zwischen den Klägern und der Beklagten wurden durch Verwendung von den Klägern unterzeichneter Vertragsformulare begründet.

Rz. 3

Die Beklagte erhöhte zum 1.7.2005 ihren - mengenabhängigen - Arbeitspreis um 0,56 Cent/kWh (netto), zum 1.1.2006 um weitere 0,51 Cent/kWh (netto) sowie zum 1.5.2006 nochmals um 0,295 Cent/kWh (netto). Eine weitere Preisanhebung erfolgte zum 1.4.2008.

Rz. 4

Die Kläger sind der Auffassung, der Beklagten stehe ihnen gegenüber kein Recht zur einseitigen Preiserhöhung zu. Sie begehren die Feststellung, dass die jeweils zwischen den Klägern und der Beklagten bestehenden Gasversorgungsverträge über den 30.6.2005 hinaus unverändert - von der Erhöhung der Mehrwertsteuer abgesehen - zu den ab 1.10.2004 geltenden Preisen fortbestehen. Nachdem sich die Klage zunächst nur auf die Preisanpassungen zum 1.7.2005, 1.1.2006 und 1.5.2006 bezogen hat, haben die Kläger im Verhandlungstermin vor dem LG auch die Preisanpassung vom 1.4.2008 zum Gegenstand ihres Feststellungsbegehrens gemacht.

Rz. 5

Das LG hat die Klage - mit Ausnahme der Erhöhung zum 1.4.2008 - durch Teilurteil abgewiesen. Gegen dieses Urteil haben 21 der 418 Kläger Berufung eingelegt. Nach einem Hinweis des Berufungsgerichts auf Bedenken gegen die Zulässigkeit des Teilurteils hat das LG auf Antrag beider Parteien das Ruhen des Verfahrens bezüglich des noch bei ihm anhängigen Teils des Rechtsstreits bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über das Teilurteil angeordnet.

Rz. 6

Auf die Berufung der Kläger hat das OLG das Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Rz. 7

Die Revision hat Erfolg.

I.

Rz. 8

Das Berufungsgericht (OLG Dresden, RdE 2010, 230) hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Rz. 9

Das LG habe durch Teilurteil entscheiden dürfen. Die erhobene Feststellungsklage sei zulässig, weil die Kläger ein rechtliches Interesse an der Feststellung hätten, dass die von der Beklagten vorgenommenen Preiserhöhungen unwirksam seien.

Rz. 10

Die Klage sei auch begründet, weil die von der Beklagten vorgenommenen Preiserhöhungen weder unmittelbar auf noch auf Allgemeine Geschäftsbedingungen noch auf eine ergänzende Vertragsauslegung gestützt werden könnten. Die AVBGasV sei nicht als Rechtsvorschrift auf den Gasversorgungsvertrag der Parteien anzuwenden, weil die Kläger nicht Tarifkunden i.d.S. seien.

II.

Rz. 11

Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Rz. 12

Das angefochtene Urteil leidet an einem Verfahrensmangel, denn der Erlass eines Teilurteils (§ 301 ZPO) durch das LG war unzulässig. Das Berufungsgericht hätte daher gem. § 538 Abs. 2 Nr. 7 ZPO auch ohne entsprechenden Antrag (§ 538 Abs. 2 Satz 3 ZPO) das erstinstanzliche Urteil aufheben und die Sache an das LG zurückverweisen müssen.

Rz. 13

1. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung darf auch bei der grundsätzlichen Teilbarkeit des Streitgegenstandes ein Teilurteil (§ 301 ZPO) nur ergehen, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen - auch infolge abweichender Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht - ausgeschlossen ist. Eine Gefahr sich widersprechender Entscheidungen ist namentlich dann gegeben, wenn in einem Teilurteil eine Frage entschieden wird, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren über andere Ansprüche oder Anspruchsteile noch einmal stellt oder stellen kann. Das gilt auch insoweit, als es um die Möglichkeit einer unterschiedlichen Beurteilung von bloßen Urteilselementen geht, die weder in Rechtskraft erwachsen noch das Gericht nach § 318 ZPO für das weitere Verfahren binden (st.Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 26.4.1989 - VIb ZR 48/88, BGHZ 107, 236, 242; v. 10.10.1991 - III ZR 93/90, NJW 1992, 511 unter III 1; v. 4.2.1997 - VI ZR 69/96, NJW 1997, 1709 unter II; v. 4.10.2000 - VIII ZR 109/99, WM 2001, 106 unter II 1b; v. 25.11.2003 - VI ZR 8/03, NJW 2004, 1452 unter II 1a; v. 7.11.2006 - X ZR 149/04, NJW 2007, 156 Rz. 12; v. 19.11.2008 - VIII ZR 47/07, NJW-RR 2009, 494 Rz. 14 f.; v. 16.6.2010 - VIII ZR 62/09, MDR 2010, 944 f.).

Rz. 14

Eine solche Gefahr besteht bei einer Mehrheit selbständiger prozessualer Ansprüche, wenn zwischen den prozessual selbständigen Ansprüchen eine materiell-rechtliche Verzahnung besteht oder die Ansprüche prozessual in ein Abhängigkeitsverhältnis gestellt sind (BGH, Urt. v. 28.11.2003 - V ZR 123/03, BGHZ 157, 133, 142 f.; v. 7.11.2006 - X ZR 149/04, a.a.O.; v. 16.6.2010 - VIII ZR 62/09, a.a.O.).

Rz. 15

Dies ist hier der Fall. Bei einer späteren Aufnahme des noch beim LG anhängigen Teils des Rechtsstreits wird erneut über die Frage zu befinden sein, ob ein Preisanpassungsrecht der Beklagten besteht. Insoweit besteht die Gefahr, dass das Gericht bei einem späteren Urteil - sei es aufgrund neuen Vortrags, sei es aufgrund geänderter Rechtsauffassung (BGH, Urt. v. 28.1.2000 - , unter II 1b) - hierzu abweichend entscheidet.

Rz. 16

2. Die Unzulässigkeit des Teilurteils ist nicht dadurch entfallen, dass das LG nach Erlass des Teilurteils für den noch bei ihm anhängigen Teil des Rechtstreits auf übereinstimmenden Antrag der Parteien das Ruhen des Verfahrens angeordnet hat.

Rz. 17

a) Es handelt sich bei der vorliegenden Konstellation nicht um einen Ausnahmefall, in dem trotz der bestehenden Gefahr einer abweichenden Entscheidung ein Teilurteil zulässig wäre. Eine derartige Ausnahme ist in der Rechtsprechung des BGH im Falle der Unterbrechung des Verfahrens durch Konkurs, Insolvenz oder Tod eines einfachen Streitgenossen anerkannt (BGH vom 1.4.1987 - , unter I, und BGH, Urt. v. 10.3.1988 - , unter II - zum Konkurs; BGH, Urteile , , 216; v. 19.12.2002 - VII ZR 176/02, NJW-RR 2003, 1002 unter II 1b - zur Insolvenz; BGH, Urt. v. 7.11.2006 - X ZR 149/04, a.a.O., Rz. 15 f. - zum Tod). Die Rechtfertigung für diese Ausnahme liegt jedoch darin, dass die - in ihrer Dauer nicht absehbare - Unterbrechung des Verfahrens zu einer faktischen Trennung des Rechtsstreits führt und es daher mit dem Anspruch der übrigen Prozessbeteiligten auf einen effektiven Rechtsschutz nicht vereinbar wäre, wenn die Unterbrechung des Verfahrens eine Entscheidung nur deshalb nachhaltig verzögern würde, weil die abstrakte Gefahr einer widersprüchlichen Entscheidung nach einer eventuellen Aufnahme des Verfahrens besteht (BGH, Urt. v. 7.11.2006 - X ZR 149/04, a.a.O., Rz. 15; v. 19.12.2002 - VII ZR 176/02, a.a.O.).

Rz. 18

b) Zwar wird hieraus zum Teil der Schluss gezogen, dass auch das Nichtbetreiben eines abtrennbaren Teils des Verfahrens zu einer faktischen Verfahrenstrennung führe, welche die Möglichkeit eines Teilurteils eröffne (OLG Düsseldorf, WM 2008, 750, 751; Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 301 Rz. 7; HK-ZPO/Saenger, 3. Aufl., § 301 Rz. 6). Dies ist aber nicht sachgerecht (so auch OLG Frankfurt NZG 2008, 836, 837). Bei einem auf Wunsch der Parteien angeordneten Ruhen des Verfahrens fehlt es an einer mit einer Verfahrensunterbrechung aufgrund von Insolvenz oder Tod eines Streitgenossen vergleichbaren Situation. Die eintretende Verzögerung entspricht - anders als bei den vorgenannten Fallgestaltungen - dem Willen der Parteien und kann von diesen auch jederzeit durch Aufnahme des Verfahrens beendet werden, so dass der Anspruch auf effektiven Rechtsschutz hier keine Rechtfertigung für den Erlass eines Teilurteils bei gleichwohl bestehender Gefahr widersprechender Entscheidungen gibt. Allein die Praktikabilität dieses Vorgehens vermag den Erlass eines prozessordnungswidrigen Teilurteils nicht zu rechtfertigen.

Rz. 19

3. Die Unzulässigkeit des erstinstanzlichen Teilurteils hatte das Berufungsgericht von Amts wegen zu berücksichtigen (§ 529 Abs. 2 Satz 1 ZPO; vgl. BGH, Urt. v. 22.3.1991 - V ZR 16/90, NJW 1991, 2082 unter II; BGH, unter II 1c; v. 4.10.2000 - VIII ZR 109/99, NJW 2001, 155 unter II 1c; Rimmelspacher in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl., § 529 Rz. 22; Prütting/Gehrlein/Oberheim, ZPO, 2. Aufl., § 529 Rz. 20; HK-ZPO/Wöstmann, a.a.O., § 529 Rz. 10; Musielak/Ball, ZPO, 7. Aufl., § 529 Rz. 21); es hätte daher das erstinstanzliche Urteil gem. § 538 Abs. 2 Nr. 7 ZPO aufzuheben gehabt. Dass die Unzulässigkeit des vom LG erlassenen Teilurteils weder in der Berufungsinstanz noch in der Revisionsinstanz gerügt worden ist, steht der Berücksichtigung im Revisionsverfahren nicht entgegen, denn der Erlass eines unzulässigen Teilurteils stellt einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, der auch in der Revisionsinstanz gem. § 557 Abs. 3 Satz 2 ZPO von Amts wegen zu berücksichtigen ist.

Rz. 20

a) Allerdings ist die Frage, ob ein Verstoß gegen § 301 ZPO von Amts wegen zu prüfen ist oder es einer § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b ZPO entsprechenden Verfahrensrüge bedarf, umstritten.

Rz. 21

aa) Das RG hat die prozessuale Unzulässigkeit eines Teilurteils ebenso wie die eines Grundurteils (§ 304 ZPO) in gefestigter Rechtsprechung nur auf eine entsprechende Verfahrensrüge hin für beachtlich gehalten (RGZ 75, 16, 19; 85, 214, 217; 152, 292, 297) und dies damit begründet, dass es sich hierbei lediglich um eine Verletzung einer Verfahrensvorschrift handele. Allerdings hat das RG bei Ehesachen bereits eine Berücksichtigung dieses Verfahrensmangels von Amts wegen für erforderlich gehalten, da in Ehesachen der Erlass eines unzulässigen Teilurteils gegen einen prozessrechtlichen Grundsatz verstoße, der im öffentlichen Interesse zu beachten und daher dem Belieben der Parteien entzogen sei, so dass auch der Bestand des unzulässigen Teilurteils nicht der Willkür der Parteien ausgesetzt sein dürfe (RGZ 107, 350, 351). Es hat diese Rechtsprechung aber ausdrücklich nicht auf andere Verfahren übertragen (RGZ 152, 292, 297). Gleiches hat das RG für den Fall angenommen, dass über eine unselbständige Anschlussberufung vor einer Entscheidung über die Hauptberufung durch Teilurteil entschieden worden ist, da auch hier die Bestimmung, dass eine unselbständige Anschlussberufung unwirksam werde, wenn die Berufung zurückgenommen oder als unzulässig verworfen werde, der Verfügung der Parteien entzogen sei (RGZ 159, 293, 295).

Rz. 22

bb) Im Anschluss an diese Rechtsprechung ist auch der II. Zivilsenat des BGH für das Teilurteil davon ausgegangen, dass die Unzulässigkeit eines in der Tatsacheninstanz erlassenen Teilurteils in der Revisionsinstanz grundsätzlich nur auf eine Verfahrensrüge hin berücksichtigt werden kann (BGH, Urt. v. 18.12.1954 - II ZR 76/54, BGHZ 16, 71, 74). Dem ist zunächst auch der V. Zivilsenat des BGH gefolgt (BGH, Urt. v. 22.3.1991 - V ZR 16/90, a.a.O.). Der erkennende Senat hat diese Meinung ebenfalls vertreten (BGH, Urt. v. 6.3.1996 - VIII ZR 212/94, NJW 1996, 2165 unter II 4; v. 17.5.2000 - VIII ZR 216/99, NJW 2000, 3007 unter II 1). Gleichwohl hat, im Anschluss an eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs für die britische Zone (OGHBrZ, NJW 1950, 597), auch der BGH die Unzulässigkeit eines Teilurteils von Amts wegen berücksichtigt, wenn ein Teilurteil im Falle einer notwendigen Streitgenossenschaft nur gegen einzelne Streitgenossen erlassen wurde (BGH, Urt. v. 8.6.1962 - V ZR 171/61, NJW 1962, 1722; v. 25.9.1990 - XI ZR 94/89, NJW 1991, 101 unter I). Der Oberste Gerichtshof für die britische Zone hatte insoweit zur Begründung angeführt, dass das aus § 62 ZPO folgende Verbot, ein Sachurteil nur bezüglich eines Streitgenossen zu erlassen, nicht nur dem Interesse der Prozessparteien, sondern wesentlich auch dem Interesse an einer geordneten Rechtspflege überhaupt diene und daher ein dieses Verbot nicht beachtendes Urteil keine geeignete Grundlage für die Fortsetzung des Verfahrens sei.

Rz. 23

cc) Der III. Zivilsenat des BGH hat für das Grundurteil entschieden, dass ein Verstoß gegen § 304 ZPO auch ohne eine Verfahrensrüge von Amts wegen zu berücksichtigen ist. Er hat dies damit begründet, dass die Aufhebung eines Urteils, welches keine Grundlage in der Zivilprozessordnung finde, nicht von einer Parteirüge abhängen könne, vielmehr von Amts wegen verhindert werden müsse, dass das weitere Verfahren auf einer als unrichtig erkannten Grundlage aufbaue (BGH, Urt. v. 12.6.1975 - III ZR 34/73, NJW 1975, 1968 unter II 2a). Dieser Auffassung haben sich mehrere Zivilsenate des BGH angeschlossen (BGH, Urt. v. 11.3.1982 - I ZR 27/80, NJW 1982, 1757 unter II 2; v. 7.11.1991 - IX ZR 3/91, NJW-RR 1992, 290 unter II; v. 14.5.1992 - IX ZR 241/91, NJW 1992, 2487 unter II 1; v. 14.10.1993 - III ZR 157/92, NJW-RR 1994, 319 unter III; v. 13.12.1995 - VIII ZR 61/95, NJW 1996, 848 unter II 3; v. 4.12.1997 - IX ZR 247/96, NJW 1998, 1140 unter II; v. 18.11.1999 - IX ZR 402/97, NJW 2000, 664 unter I; v. 27.1.2000 - IX ZR 45/98, NJW 2000, 1572 unter I; v. 17.2.2000 - IX ZR 436/98, NJW 2000, 1498 unter II 1; v. 12.2.2003 - XII ZR 324/98, WM 2003, 1919 unter II 2a). Sie ist auch in der Literatur einhellig auf Zustimmung gestoßen (Musielak in MünchKomm/ZPO, a.a.O., § 304 Rz. 13; Leipold in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 304 Rz. 55; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 31. Aufl., § 304 Rz. 21; Prütting/Gehrlein/Thole, a.a.O., § 304 Rz. 23).

Rz. 24

dd) In der Literatur wird diese Auffassung auch für das Teilurteil vertreten und aufgrund der zum Grundurteil identischen Interessenlage eine von einer Verfahrensrüge unabhängige Prüfungskompetenz des Revisionsgerichts bejaht (Wieczorek/Schütze/Prütting, ZPO, 3. Aufl., § 557 Rz. 26; MünchKomm/ZPO/Wenzel, a.a.O., § 557 Rz. 26; Leipold in Stein/Jonas, a.a.O., § 301 Rz. 34; Prütting/Gehrlein/Thole, a.a.O., § 301 Rz. 22; HK-ZPO/Saenger, a.a.O., § 301 Rz. 17; Musielak/Ball, a.a.O., § 557 Rz. 16). Teilweise wird aber auch unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des RG und des II. Zivilsenats des BGH an dem Erfordernis einer Verfahrensrüge festgehalten (Musielak in MünchKomm/ZPO, a.a.O., § 301 Rz. 21; Thomas/Putzo/Reichold, a.a.O., § 301 Rz. 6; Wieczorek/Schütze/Rensen, a.a.O., § 301 Rz. 64; Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 301 Rz. 13).

Rz. 25

ee) Der V. und der XII. Zivilsenat des BGH haben ebenfalls erwogen, die vorgenannte Rechtsprechung zum Grundurteil auch auf das Teilurteil zu übertragen, brauchten diese Frage allerdings nicht zu entscheiden (BGH, Urt. v. 30.4.2003 - V ZR 100/02, NJW 2003, 2380 unter II 1c m.w.N.; v. 12.1.1994 - XII ZR 167/92, NJW-RR 1994, 379 unter 5).

Rz. 26

ff) Soweit der Senat bislang davon ausgegangen ist, dass es in der Revisionsinstanz für die Prüfung der Zulässigkeit des Teilurteils der Erhebung einer Verfahrensrüge bedarf (BGH, Urt. v. 6.3.1996 - VIII ZR 212/94, a.a.O.; v. 17.5.2000 - VIII ZR 216/99, a.a.O.), hält der Senat hieran nach erneuter Überprüfung nicht fest.

Rz. 27

Für eine unterschiedliche Behandlung des Grund- und des Teilurteils gibt es keine Rechtfertigung. Ein unzulässiges Teilurteil findet ebenso wie ein unzulässiges Grundurteil im Prozessrecht keine Grundlage und ist daher - ohne dass es einer Rüge bedarf - von Amts wegen aufzuheben. Nur hierdurch wird sichergestellt, dass im weiteren Verfahren der erkannte Verfahrensfehler nicht vertieft wird, so dass weder beim Grundurteil das weitere Verfahren auf einer als unrichtig erkannten Grundlage aufbaut (BGH, Urt. v. 12.6.1975 - III ZR 34/73, a.a.O.) noch das unzulässige Teilurteil dazu führt, dass die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen aufrechterhalten bleibt. Eine derartige Gefahr ist nicht nur in den in der Rechtsprechung bislang anerkannten Ausnahmefällen, sondern generell nicht zu akzeptieren. Ein derartiger Fehler ist daher auch vom Revisionsgericht von Amts wegen zu berücksichtigen.

Rz. 28

b) Der II. und der V. Zivilsenat des BGH haben auf Anfrage mitgeteilt, dass an der gegenteiligen Auffassung nicht festgehalten wird.

III.

Rz. 29

Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben; es ist bereits wegen des Verfahrensfehlers aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Aber auch das rechtsfehlerhaft ergangene Teilurteil des LG kann nicht bestehen bleiben, weil das Berufungsgericht dieses Urteil gem. § 538 Abs. 2 Nr. 7 ZPO hätte aufheben und die Sache an das LG zurückverweisen müssen. Zwar ist das Berufungsgericht im Fall eines unzulässigen Teilurteils befugt, zur Beseitigung des Verfahrensfehlers den im ersten Rechtszug anhängig gebliebenen Teil des Rechtsstreits an sich zu ziehen und hierüber mitzuentscheiden (BGH, Urt. v. 19.11.1959 - VII ZR 93/59, NJW 1960, 339 unter 4; v. 10.10.1991 - III ZR 93/90, a.a.O., unter IV; v. 12.1.1994 - XII ZR 167/92, a.a.O.; v. 13.10.2008 - II ZR 112/07, NJW 2009, 230 Rz. 7 f.; jeweils m.w.N.). Diese Möglichkeit besteht hier indes nicht, da der Rechtsstreit in erster Instanz in anderer Beteiligung als in der Berufungsinstanz anhängig ist. Die somit schon in zweiter Instanz gebotene Zurückverweisung an das LG kann der Senat nachholen (BGH, Urt. v. 18.12.1954 - II ZR 76/54, a.a.O., S. 82; v. 19.11.1959 - VII ZR 93/59, a.a.O.; v. 3.6.1987 - VIII ZR 154/86, BGHZ 101, 134, 141; v. 13.4.1992 - II ZR 105/91, NJW 1992, 2099 unter 4; v. 12.1.1994 - XII ZR 167/92, a.a.O.; , unter II 2; v. 13.12.1995 - VIII ZR 61/95, a.a.O.; v. 4.10.2000 - VIII ZR 109/99, a.a.O., unter III).

Rz. 30

Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

Rz. 31

Die Annahme des Berufungsgerichts, dass die Kläger zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Preiserhöhungen außerhalb der allgemeinen Tarifpreise zu Sondertarifen versorgt worden sind, begegnet aufgrund der bislang getroffenen Feststellungen im Ergebnis keinen Bedenken.

Rz. 32

Zwar kann entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht angenommen werden, dass nur ein Vertragsschluss zu dem "allgemeinsten", im Verhältnis zu anderen Tarifen besonders hoch kalkulierten Tarif im Rahmen der gesetzlichen Versorgungspflicht eines Versorgungsunternehmens erfolgt und nur in solch einem Fall dem unmittelbaren Anwendungsbereich der AVBGasV unterfällt. Denn auch im Rahmen der Grundversorgung steht es dem Energieversorgungsunternehmen frei, verschiedene Tarife anzubieten. Für die Frage, ob es sich bei öffentlich bekannt gemachten Vertragsmustern und Preisen um Tarif- oder Grundversorgungsverträge mit allgemeinen Tarifpreisen i.S.v. , Allgemeinen Tarifen i.S.v. § 10 Abs. 1 des Energiewirtschaftsgesetzes vom 24.4.1998 (BGBl. I, 730) oder Allgemeinen Preisen im Sinne von) handelt, kommt es darauf an, ob das betreffende Versorgungsunternehmen die Versorgung zu den öffentlich bekannt gemachten Bedingungen und Preisen - aus der Sicht eines durchschnittlichen Abnehmers - im Rahmen einer Versorgungspflicht nach den genannten Vorschriften oder unabhängig davon im Rahmen der allgemeinen Vertragsfreiheit anbietet (BGH, Urt. v. 15.7.2009 - VIII ZR 225/07, BGHZ 182, 59 Rz. 14, sowie VIII ZR 56/08, BGHZ 182, 41 Rz. 13; jeweils m.w.N.; v. 14.7.2010 - VIII ZR 246/08, WM 2010, 1762 Rz. 26, zur Veröffentlichung in BGHZ 186, 180 vorgesehen; BGH v. 13.10.2009 - VIII ZR 312/08, WuM 2010, 436 Rz. 2).

Rz. 33

Ob hier der ursprünglich geschlossene Vertrag - in jedem Einzelfall - ein Sonderkundenvertrag war, kann dabei letztlich dahinstehen. Der Senat hat entschieden, dass ein Preisänderungsrecht nach § 4 AVBGasV auch dann nicht besteht, wenn das Versorgungsunternehmen dazu übergeht, einen Kunden, der bis dahin als Tarifkunde versorgt worden ist, aus dessen Sicht außerhalb der allgemeinen Tarifpreise unter Inanspruchnahme von Vertragsfreiheit zu Sonderpreisen zu versorgen. Denn ein Recht zur einseitigen Änderung von Preisen, die keine allgemeinen Tarifpreise sind, regelt § 4 AVBGasV nicht (BGH, Urt. v. 9.2.2011 - VIII ZR 295/09, juris Rz. 22 ff.).

Rz. 34

Vorliegend spricht aus Sicht eines durchschnittlichen Kunden bereits die von der Beklagten vorgenommene Abgrenzung der "Allgemeinen Tarife" von den "Sonderpreisregelungen" bzw. - für die streitgegenständlichen Preiserhöhungen - "Klassik" dafür, dass es sich bei letzteren um Angebote außerhalb der Grundversorgung handelt. Denn aus der Sicht eines durchschnittlichen Abnehmers spricht die ausdrückliche Kennzeichnung eines Tarifs als Sondertarif und die Abgrenzung zu allgemeinen Tarifen dafür, dass das Energieversorgungsunternehmen eine Belieferung nicht (mehr) im Rahmen der Grundversorgung vornehmen will.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2707780

BGHZ 2012, 356

BB 2011, 1474

NJW 2011, 2736

NJW 2011, 8

EBE/BGH 2011

FamRZ 2011, 1223

JurBüro 2011, 557

WM 2011, 1632

ZAP 2011, 1028

ZIP 2011, 1984

AnwBl 2011, 195

MDR 2011, 935

NJ 2011, 474

ZfBR 2011, 560

IR 2011, 205

Mitt. 2011, 385

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