Entscheidungsstichwort (Thema)

Wohnraummiete. Mietvertragsabschluss vor dem 01.09.2001. „Altvertrag”. Kündigung. Ordentliche Kündigungsfrist. Gesetzliche Kündigungsfrist. Formularklausel. Individualvereinbarung. Verweisung auf Fußnote. Sinngemäße Wiedergabe des Gesetzestextes

 

Leitsatz (amtlich)

§ 573c Abs. 4 BGB ist auch auf solche Formularklauseln in einem vor dem 1.9.2001 abgeschlossenen Mietvertrag nicht anzuwenden, die auf die gesetzlichen Kündigungsfristen verweisen und in einer Fn. zum Vertragstext die damals geltenden Kündigungsfristen des § 565 Abs. 2 BGB a. F. sinngemäß wiedergeben (im Anschluss an BGH v. 18.6.2003 - VIII ZR 240/02, BGHZ 155, 178 = BGHReport 2003, 1056 = MDR 2003, 1106).

 

Normenkette

BGB § 573c Abs. 4; EGBGB Art. 229; EGBGB § 3 Abs. 10

 

Verfahrensgang

LG Bochum (Urteil vom 25.02.2003)

AG Bochum (Urteil vom 02.10.2002)

 

Tenor

Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden das Urteil der 9. Zivilkammer des LG Bochum v. 25.2.2003 aufgehoben und das Urteil des AG Bochum v. 2.10.2002 abgeändert.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 1.464,32 EUR nebst 13 % Zinsen seit dem 5.3.2002 zu zahlen.

Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Mit Vertrag v. 15.7.1976 mieteten die Beklagten von der Rechtsvorgängerin der Klägerin eine Wohnung in B. . In § 2 Abs. 1 des Mietvertrages sind die unter Buchst. a für Verträge von bestimmter Dauer vorgesehenen Regelungsmöglichkeiten durchgestrichen. § 2 Abs. 1 Buchst. b enthält folgende vorformulierte Regelung:

"b) Nur für Verträge von unbestimmter Dauer

Der Mietvertrag läuft auf unbestimmte Zeit und kann mit gesetzlicher Frist1 gekündigt werden."

Fn. 1 lautet:

"Die gesetzliche Kündigungsfrist gem. § 565 BGB beträgt bei einem Mietverhältnis über Wohnraum drei Monate; sie verlängert sich nach fünf, acht und zehn Jahren seit der Überlassung des Wohnraums um jeweils drei Monate."

Die Beklagten kündigten das Mietverhältnis zunächst mit Schreiben v. 7.3.2001 und sodann mit Schreiben v. 1.9.2001 erneut, nunmehr jedoch zum 30.11.2001. Die Klägerin wies die Kündigung v. 1.9.2001 als nicht fristgerecht zurück. Sie fordert mit ihrer Klage Mietzins für die Monate Dezember 2001 bis einschließlich März 2002i. H. v. insgesamt 1.464,32 EUR nebst Zinsen.

Das AG hat die Klage abgewiesen. Das LG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision, mit der die Klägerin ihr Klagebegehren weiterverfolgt.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt:

Der Klägerin stehe ein Anspruch auf Zahlung von Mietzins von Dezember 2001 bis März 2002 nicht zu, weil das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis durch die Kündigung v. 1.9.2001 zum 30.11.2001 beendet worden sei. Dies ergebe sich aus § 573c Abs. 1 S. 1 BGB. Auf die längeren Kündigungsfristen gem. § 565 Abs. 2 BGB a. F. könne sich die Klägerin nicht berufen, weil die Parteien im Mietvertrag bezüglich der Kündigungsfristen eine abweichende Vereinbarung gem. Art. 229 § 3 Abs. 10 EGBGB nicht getroffen hätten. Die Klausel in § 2 Abs. 1 Buchst. b des Vertrages stelle keine derartige Vereinbarung dar, weil ihr ein eigener, aus sich heraus verständlicher Regelungsgehalt fehle; sie informiere nur darüber, dass eine Kündigung in der - jeweils gültigen - gesetzlichen Frist möglich sei.

II.

Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Revision der Klägerin hat Erfolg und führt zur Verurteilung der Beklagten gemäß dem der Höhe nach nicht streitigen Klageantrag.

Die Kündigung der Beklagten v. 1.9.2001 beendete das Mietverhältnis nicht, wie das Berufungsgericht angenommen hat, bereits zum 30.11.2001, sondern hätte dieses auf Grund der im Mietvertrag vereinbarten Kündigungsfrist erst zum 31.8.2002 beenden können. Es verbleibt deshalb bei der vorherigen Beendigung des Mietverhältnisses zum 31.3.2002 durch die zuvor bereits ausgesprochene Kündigung v. 7.3.2001.

Auf Grund des insoweit vorformulierten Mietvertrags v. 15.7.1976 betrug die Kündigungsfrist - entsprechend der damals geltenden gesetzlichen Kündigungsfrist, auf die in § 2 Abs. 1 Buchst. b des Vertrags verwiesen wurde - zwölf Monate, weil im Zeitpunkt der Kündigung seit der Überlassung des Wohnraums zehn Jahre vergangen waren. Diese Formularklausel ist nicht nach § 573c Abs. 4 BGB deshalb unwirksam, weil die aus dem Vertrag sich ergebende Kündigungsfrist von der Kündigungsfrist nach § 573c Abs. 1 BGB zum Nachteil des Mieters abweicht. Denn § 573c Abs. 4 BGB findet nach Art. 229 § 3 Abs. 10 EGBGB auf den vorliegenden Fall keine Anwendung, weil die Kündigungsfristen in § 2 Abs. 1 Buchst. b des Mietvertrages vor dem 1.9.2001 durch Vertrag vereinbart worden sind.

Nicht nur Individualvereinbarungen, sondern auch vorformulierte Vertragsbestimmungen, nach denen für das Mietverhältnis die damals geltenden Kündigungsfristen des § 565 Abs. 2 BGB a. F. maßgeblich sein sollen, enthalten eine die Kündigungsfristen betreffende mietvertragliche Vereinbarung i. S. d. Art. 229 § 3 Abs. 10 EGBGB (BGH, Urt. v. 18.6.2003 - VIII ZR 240/02, BGHZ 155, 178 [182 f.] = BGHReport 2003, 1056 = MDR 2003, 1106 = NJW 2003, 2739, unter II 3 a). Die Übergangsvorschrift des Art. 229 § 3 Abs. 10 EGBGB ist, wie der Senat entschieden hat, nicht einschränkend dahin auszulegen, dass § 573c Abs. 4 BGB auf Formularklauseln in einem vor dem 1.9.2001 abgeschlossenen Mietvertrag, die hinsichtlich der Kündigungsfristen die damalige gesetzliche Regelung des § 565 Abs. 2 BGB a. F. sinngemäß wiedergeben, anzuwenden wäre (BGH, Urt. v. 18.6.2003 - VIII ZR 240/02, BGHZ 155, 178 [182 f.] = BGHReport 2003, 1056 = MDR 2003, 1106 = NJW 2003, 2739, unter II). Dies gilt unabhängig davon, ob die dispositive gesetzliche Regelung der Kündigungsfristen in § 565 Abs. 2 BGB a. F. - wie in der dem Senatsurteil v. 18.6.2003 zu Grunde liegenden Fallgestaltung - in einer Formularklausel im laufenden Vertragstext sinngemäß wiedergegeben wird, oder ob - wie im Vorliegenden Fall - eine Vereinbarung über die Geltung der gesetzlichen Kündigungsfristen im vorformulierten Vertragstext durch Verweisung auf eine Fn. konkretisiert wird, in der die Kündigungsfristen des § 565 Abs. 2 BGB a. F. sinngemäß wiedergegeben werden. Auch durch eine solche Vertragsgestaltung haben die Kündigungsfristen des § 565 Abs. 2 BGB a. F. einen von der gesetzlichen Regelung losgelösten, vertraglichen Geltungsgrund erhalten (vgl. BGH, Urt. v. 18.6.2003 - VIII ZR 240/02, BGHZ 155, 178 [182 f.] = BGHReport 2003, 1056 = MDR 2003, 1106 = NJW 2003, 2739). Es ist deshalb kein Raum für die Annahme des Berufungsgerichts, es liege keine Vereinbarung i. S. d. Art. 229 § 3 Abs. 10 EGBGB vor, sondern nur ein informatorischer Verweis auf die jeweiligen gesetzlichen Kündigungsfristen, dem ein aus sich heraus verständlicher Regelungsgehalt fehle.

Da die Klageforderung im Übrigen unstreitig und die Sache damit zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat in der Sache selbst entschieden (§ 563 Abs. 3 ZPO).

 

Fundstellen

DB 2004, 1722

NJW 2004, 1447

NWB 2004, 1495

BGHR 2004, 861

DWW 2004, 120

EBE/BGH 2004, 2

NZM 2004, 336

ZMR 2004, 427

MDR 2004, 738

WuM 2004, 273

MietRB 2004, 201

RdW 2004, 706

ZGS 2004, 195

AIM 2004, 118

JWO-MietR 2004, 129

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt VerwalterPraxis. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge