Leitsatz (amtlich)

1. Wird eine Beschlussersetzungsklage entgegen § 44 Abs. 2 Satz 1 WEG nicht gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, sondern gegen die übrigen Wohnungseigentümer erhoben, muss ein gewillkürter Parteiwechsel auf Beklagtenseite vorgenommen werden; andernfalls ist die Klage als unzulässig abzuweisen.

2. Hat die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer keinen Verwalter, führt der Ausschluss des oder der klagenden Wohnungseigentümer in einem Beschlussklageverfahren von der nach § 9b Abs. 1 Satz 2 WEG angeordneten Gesamtvertretung dazu, dass die Gemeinschaft in diesem Prozess durch die übrigen Wohnungseigentümer gemeinschaftlich vertreten wird. Verbleibt nur ein Wohnungseigentümer, der keinem Vertretungsverbot unterliegt, vertritt er den Verband im Prozess allein.

 

Normenkette

WoEigG § 9b Abs. 1 S. 2, § 44 Abs. 1, 2 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Landau (Pfalz) (Entscheidung vom 17.09.2021; Aktenzeichen 5 S 18/21)

AG Ludwigshafen (Entscheidung vom 14.04.2021; Aktenzeichen 2p C 189/20)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 17. September 2021 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Die Klägerin und der Revisionsbeklagte zu 2 bilden eine aus zwei Einheiten bestehende Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE), die Revisionsbeklagte zu 1. Ein Verwalter ist nicht bestellt.

Rz. 2

Die Klägerin hat im Dezember 2020 eine auf die Bestellung einer bestimmten Verwalterin gerichtete Beschlussersetzungsklage eingereicht, in der sie den Revisionsbeklagten zu 2 als Beklagten bezeichnet hat. Das Amtsgericht hat in seinem Urteil die durch die Klägerin vorgenommene Parteibezeichnung dahin ausgelegt, dass die Klage gegen die GdWE, vertreten durch den Revisionsbeklagten zu 2, gerichtet sei, das Rubrum von Amts wegen entsprechend geändert und die vorgeschlagene Verwalterin auf Grundlage eines von der Klägerin vorgelegten Verwaltervertragsentwurfs für ein Jahr ab Rechtskraft des Urteils bestellt. Der Revisionsbeklagte zu 2 hat im Namen der GdWE hiergegen Berufung eingelegt. Das Landgericht hat in seinem Urteil die Entscheidung des Amtsgerichts aufgehoben und die Klage als unzulässig abgewiesen. Mit der von dem Landgericht zugelassenen, gegen beide Revisionsbeklagten gerichteten Revision will die Klägerin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung erreichen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Rz. 3

Das Berufungsgericht hält die Berufung der GdWE für zulässig. Sie sei insbesondere bei der Berufungseinlegung durch den Revisionsbeklagten zu 2 wirksam vertreten worden. Zwar erfolge die Vertretung der verwalterlosen GdWE nach § 9b Abs. 1 Satz 2 WEG durch die Wohnungseigentümer gemeinschaftlich. Sei ein Wohnungseigentümer aber - wie hier die Klägerin - aufgrund seiner Stellung im Prozess verhindert, die GdWE zu vertreten, wachse die Vertretungsmacht den übrigen Wohnungseigentümern an. Die Berufung sei auch begründet, da die Beschlussersetzungsklage unzulässig sei. Sie sei, anders als das Amtsgericht meine, gegen den Revisionsbeklagten zu 2 erhoben worden und daher nicht zulässig, da sie gemäß § 44 Abs. 2 Satz 1 WEG gegen die GdWE hätte gerichtet werden müssen. Für eine interessengerechte Auslegung dahin, dass die GdWE in erster Instanz die Beklagte sei, mangele es an Anhaltspunkten. Die Klägerin habe auch in der Berufungsinstanz keinen Parteiwechsel erklärt. Zwar habe sie beantragt, die Berufung zurückzuweisen; eine Klageänderung lasse sich ihrer Berufungserwiderung aber nicht entnehmen.

II.

Rz. 4

Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Zu entscheiden ist durch Versäumnisurteil. Inhaltlich beruht das Urteil jedoch nicht auf der Säumnis der Beklagten, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. Senat, Urteil vom 4. April 1962 - V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 81 ff.).

Rz. 5

1. Die Revision ist ungeachtet der möglicherweise nicht ordnungsgemäßen Vertretung der GdWE als der Revisionsbeklagten zu 1 im Revisionsverfahren insgesamt zulässig. Zwar ist die nach § 56 Abs. 1 ZPO von Amts wegen zu prüfende Prozessfähigkeit bzw. die ordnungsgemäße Vertretung der im Prozess selbst nicht handlungsfähigen Partei im Sinne der §§ 51 f. ZPO nicht nur Sachurteils-, sondern auch Prozesshandlungsvoraussetzung, d.h. die von oder gegenüber einer prozessunfähigen bzw. nicht ordnungsgemäß vertretenen Partei vorgenommenen Prozesshandlungen sind unwirksam (vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 18. Aufl., § 44 Rn. 24; Stein/Jonas/Jacoby, ZPO, 23. Aufl., § 51 Rn. 10). Es ist im Rahmen der Zulässigkeit der Revision aber zu unterstellen, dass die GdWE durch den Revisionsbeklagten zu 2 wirksam vertreten wird.

Rz. 6

a) Anerkannt ist, dass im Interesse eines vollständigen Rechtsschutzes auch der Prozessunfähige die Möglichkeit haben muss, den Prozess durch seine Handlungen in die höhere Instanz zu bringen, um eine Überprüfung der angefochtenen Entscheidung darauf zu erreichen, ob er in der Vorinstanz zu Unrecht, sei es als prozessfähig, sei es als prozessunfähig behandelt worden ist. Andernfalls bliebe ein an dem Verfahrensverstoß leidendes Urteil der unteren Instanz aufrechterhalten, erwüchse in Rechtskraft und könnte nur mit einer Nichtigkeitsklage (§ 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO) beseitigt werden (vgl. Senat, Urteil vom 23. Februar 1990 - V ZR 188/88, BGHZ 110, 294, 295 f.; BGH, Urteil vom 4. November 1999 - III ZR 306/98, BGHZ 143, 122, 127, jeweils mwN). Dieser Gesichtspunkt, der der Schutzbedürftigkeit des Prozessunfähigen Rechnung trägt, hat nicht nur Bedeutung, wenn die prozessunfähige Partei das Rechtsmittel mit dem Ziel einer anderen Beurteilung ihrer Prozessfähigkeit einlegt, sondern ebenfalls dann, wenn die Partei, deren Prozessfähigkeit fraglich ist, sich mit ihrem Rechtsmittel gegen ein zu ihren Ungunsten ergangenes Sachurteil wendet. Denn auch in diesem Fall würde mit der Verwerfung des Rechtsmittels als unzulässig ein möglicherweise fälschlich gegen die prozessunfähige Partei ergangenes Urteil bestätigt, obwohl es sich bei der Prozessfähigkeit der Partei um eine von Amts wegen zu prüfende Prozessvoraussetzung handelt (vgl. BGH, Urteil vom 4. November 1999 - III ZR 306/98, BGHZ 143, 122, 127 f. und im Anschluss daran BGH, Urteil vom 8. Dezember 2009 - VI ZR 284/08, FamRZ 2010, 548 Rn. 12; so im Hinblick auf die Parteifähigkeit auch BGH, Beschluss vom 31. Mai 2010 - II ZB 9/09, NJW 2010, 3100 Rn. 11). Soweit der Senat in seiner Entscheidung vom 23. Februar 1990 (V ZR 188/88, BGHZ 110, 294, 296) eine hiervon abweichende Auffassung vertreten hat, hält er daran nicht fest.

Rz. 7

b) Ebenso ist im Hinblick auf die Vertretung einer im Prozess selbst nicht handlungsfähigen Partei im Sinne des § 51 Abs. 1 Alt. 2 ZPO anerkannt, dass Personen, die als Vertreter der beklagten Partei bezeichnet sind und gegen die in dieser Eigenschaft die Klage gerichtet ist, Rechtsmittel zu dem Zweck einlegen können, den Streit über die Vertretungsmacht zum Austrag zu bringen (vgl. Senat, Urteil vom 23. Oktober 1963 - V ZR 146/57, BGHZ 40, 197, 198; RGZ 86, 340, 342). Die als vermeintliche gesetzliche Vertreter in einen Prozess hineingezogenen Personen sind - jedenfalls auch - berechtigt, den Streit über die gesetzliche Vertretungsmacht zur Herbeiführung einer rechtskräftigen Entscheidung auszutragen und die erforderlichen Prozesshandlungen vorzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 28. Februar 2005 - II ZR 220/03, NZG 2005, 560, 561 mwN; Wieczorek/Schütze/Loyal, ZPO, 5. Aufl., § 51 Rn. 31).

Rz. 8

c) So liegt es hier. Der Revisionsbeklagte zu 2 ist im amtsgerichtlichen Urteil als Vertreter der GdWE bezeichnet worden und konnte daher nach den oben ausgeführten Grundsätzen für die GdWE zulässig Berufung einlegen. In der Konsequenz dessen und nach dem Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit ist auch für die Zulässigkeit der Revision der Klägerin die ordnungsgemäße Vertretung der GdWE durch den Revisionsbeklagten zu 2 zu unterstellen. Denn nur so besteht für die Klägerin die Möglichkeit, die sachliche Entscheidung des Berufungsgerichts, dass die GdWE nicht Beklagte sei, inhaltlich überprüfen zu lassen.

Rz. 9

2. Die Revision ist auch begründet.

Rz. 10

a) Im Ergebnis zutreffend ist allerdings die Wertung des Berufungsgerichts, dass die Berufung der GdWE zulässig ist, was der Senat von Amts wegen zu prüfen hat (vgl. BGH, Urteil vom 6. April 2017 - III ZR 368/16, BGHZ 214, 324 Rn. 14 mwN). Da das erstinstanzliche Urteil formal gegen sie als Beklagte ergangen ist, ist die GdWE zur Einlegung der Berufung befugt (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 1952 - III ZR 196/50, BGHZ 4, 328, 332). Dass die GdWE durch den Revisionsbeklagten zu 2 wirksam vertreten wird, ist - wie ausgeführt - im Rahmen der Zulässigkeit des Rechtsmittels zu unterstellen (siehe oben Rn. 8).

Rz. 11

b) Mit der von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung kann die Klage aber nicht abgewiesen werden. Die Beschlussersetzungsklage ist nicht deswegen unzulässig, weil sie gegen den Revisionsbeklagten zu 2 und damit gegen den falschen Beklagten gerichtet ist. Vielmehr ist die Klage nur noch gegen die GdWE gerichtet und daher zulässig.

Rz. 12

aa) Im Ausgangspunkt zu Recht nimmt das Berufungsgericht an, dass Beschlussersetzungsklagen nach § 44 Abs. 2 Satz 1 WEG gegen die GdWE zu richten sind und eine gegen die übrigen Wohnungseigentümer gerichtete Klage unzulässig ist.

Rz. 13

bb) Die Annahme des Berufungsgerichts, die Klage sei auch in dem für die Berufungsinstanz entscheidungserheblichen Zeitpunkt gegen den Revisionsbeklagten zu 2 gerichtet gewesen, hat jedoch im Ergebnis keinen Bestand. Die Klage war in diesem Zeitpunkt nur gegen die GdWE gerichtet.

Rz. 14

(1) Richtig ist allerdings, dass die Klage vor dem Amtsgericht gegen den Revisionsbeklagten zu 2 und nicht gegen die GdWE gerichtet gewesen ist.

Rz. 15

(a) Wer Partei ist, ergibt sich aus der in der Klageschrift nach § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO vorzunehmenden Parteibezeichnung. Als Teil einer Prozesshandlung ist diese grundsätzlich auslegungsfähig. Maßgebend ist, wie die Bezeichnung bei objektiver Deutung aus der Sicht der Empfänger (Gericht und Gegenpartei) zu verstehen ist. Bei objektiv unrichtiger oder auch mehrdeutiger Bezeichnung ist grundsätzlich diejenige Person als Partei anzusehen, die erkennbar durch die Parteibezeichnung betroffen werden soll (vgl. Senat, Urteil vom 14. Dezember 2012 - V ZR 102/12, NJW-RR 2013, 458 Rn. 5; BGH, Urteil vom 10. März 2011 - VII ZR 54/10, NJW 2011, 1453 Rn. 11, jeweils mwN). Von einer bloß fehlerhaften Parteibezeichnung zu unterscheiden ist die irrtümliche Benennung der falschen, an dem materiellen Rechtsverhältnis nicht beteiligten Person als Partei; diese wird Partei, weil es entscheidend auf den Willen des Klägers so, wie er objektiv geäußert ist, ankommt (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2013 - VII ZR 128/12, NJW-RR 2013, 394 Rn. 13). Die Benennung der falschen Partei kann nicht durch eine Rubrumsberichtigung, sondern nur durch einen Parteiwechsel korrigiert werden (so schon zur letzten Reform des Gesetzes über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht Senat, Urteil vom 6. November 2009 - V ZR 73/09, NJW 2010, 446 Rn. 11; zu weitgehend deshalb LG München I, ZWE 2022, 186 Rn. 35 f.; MüKoBGB/Hogenschurz, 8. Aufl., § 44 WEG nF Rn. 49). Wird eine Beschlussersetzungsklage entgegen § 44 Abs. 2 Satz 1 WEG nicht gegen die GdWE, sondern gegen die übrigen Wohnungseigentümer erhoben, muss ein gewillkürter Parteiwechsel auf Beklagtenseite vorgenommen werden; andernfalls ist die Klage als unzulässig abzuweisen.

Rz. 16

(b) Nach diesen Maßstäben hat die Klägerin die Klage gegen die falsche Partei gerichtet. Sie hat in der Klageschrift unmissverständlich den Revisionsbeklagten zu 2 persönlich als Beklagten benannt. Anhaltspunkte für eine versehentliche Abweichung des Erklärten von dem tatsächlich Gewollten bestehen nicht. Es handelt sich daher nicht um eine offensichtliche Unrichtigkeit, sondern um eine in Bezug auf § 44 Abs. 2 Satz 1 WEG in rechtlicher Hinsicht falsche Willensbildung.

Rz. 17

(c) Zutreffend geht das Berufungsgericht überdies davon aus, dass die Klägerin in erster Instanz keinen Parteiwechsel vorgenommen hat. Das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht weist eindeutig den Revisionsbeklagten zu 2 als Beklagten aus und enthält auch im Übrigen keinerlei Angaben, die für einen von der Klägerin mindestens konkludent erklärten Parteiwechsel sprechen könnten. Die Änderung des Rubrums hat das Amtsgericht erst in seinem Urteil von Amts wegen vorgenommen. Deshalb fehlte es entgegen der Ansicht der Revision an einer Klage gegen die GdWE, auf die diese sich in der mündlichen Verhandlung hätte rügelos einlassen können (vgl. zur konkludenten Einwilligung nach § 263 ZPO BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 - X ZR 50/14, juris Rn. 10).

Rz. 18

(2) Der Senat teilt jedoch nicht die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe auch im Berufungsrechtszug keinen wirksamen Parteiwechsel vorgenommen.

Rz. 19

(a) Im Ausgangspunkt richtig ist, dass die Klägerin als Berufungsbeklagte eine Änderung ihrer Klage nur über eine zulässige Anschlussberufung vornehmen kann (vgl. allgemein zur Klageänderung durch den Berufungsbeklagten im Berufungsverfahren Senat, Urteil vom 7. Dezember 2007 - V ZR 210/06, NJW 2008, 1953 Rn. 12 ff.; BGH, Urteil vom 9. Juni 2011 - I ZR 41/10, WRP 2012, 979 Rn. 22; Urteil vom 4. Februar 2015 - VIII ZR 175/14, BGHZ 204, 134 Rn. 15; Urteil vom 7. Mai 2015 - VII ZR 145/12, WM 2015, 1871 Rn. 26 ff.).

Rz. 20

(b) Anders als das Berufungsgericht meint, hat die Klägerin binnen der nach § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO maßgeblichen Berufungserwiderungsfrist eine solche Anschlussberufung eingelegt und in dieser eine Klageänderung in Form eines Parteiwechsels auf Beklagtenseite (vgl. hierzu Senat, Urteil vom 16. Dezember 2005 - V ZR 230/04, NJW 2006, 1351 Rn. 24 mwN) erklärt.

Rz. 21

(aa) Ein Anschlussrechtsmittel braucht nicht als solches bezeichnet zu werden, sondern kann auch konkludent eingelegt werden (vgl. Senat, Urteil vom 7. Dezember 2007 - V ZR 210/06, NJW 2008, 1953 Rn. 16; BGH, Urteil vom 9. Juni 2011 - I ZR 41/10, WRP 2012, 979 Rn. 26; Urteil vom 4. Februar 2015 - VIII ZR 175/14, BGHZ 204, 134 Rn. 16). Es genügt deshalb für eine Klageänderung in der Form eines Parteiwechsels durch Anschlussberufung jede Erklärung, die sich ihrem Sinn nach als Umstellung der ursprünglich erhobenen Klage von dem bisherigen Klagegegner auf einen neuen Beklagten darstellt. Bei der Auslegung einer Prozesshandlung ist dabei von dem allgemeinen Grundsatz auszugehen, dass eine Partei im Zweifel das erreichen will, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und ihrer recht verstandenen Interessenlage entspricht (vgl. Senat, Urteil vom 19. September 2014 - V ZR 269/13, WM 2014, 2269 Rn. 26; Urteil vom 4. Dezember 2015 - V ZR 22/15, WM 2016, 1089 Rn. 24). Der Wille zur Vornahme einer Prozesshandlung muss sich dabei objektiv unmissverständlich aus dem Vorbringen der Partei ergeben. Gerade wenn zur Einlegung einer Anschlussberufung die Änderung des Antrags des Berufungsbeklagten in formaler Hinsicht nicht erforderlich ist, muss für den Gegner aufgrund der sonstigen Erklärungen klar zu erkennen sein, welche prozessualen Ansprüche gegen ihn erhoben werden, damit er seine Rechtsverteidigung danach ausrichten kann (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juni 2011 - I ZR 41/10, WRP 2012, 979 Rn. 27 zur Einführung eines neuen Klagegrunds).

Rz. 22

(bb) Nach diesen Maßstäben hat die Klägerin im Berufungsrechtszug eine Anschlussberufung eingelegt und einen Parteiwechsel schlüssig erklärt. Der Senat teilt zwar die Würdigung des Berufungsgerichts, dass die Klägerin in der Berufungserwiderung nicht hinreichend deutlich gemacht hat, ihre ursprünglich gegen den Revisionsbeklagten zu 2 erhobene Klage nunmehr gegen die GdWE als neue Beklagte weiterverfolgen zu wollen. Jedoch hat die Klägerin in dem Schriftsatz vom 15. Juli 2021, der innerhalb der vom Berufungsgericht zur Erwiderung auf die Berufung gesetzten Frist eingegangen ist und den der Senat im Hinblick auf darin enthaltene Prozesshandlungen von Amts wegen zu prüfen und selbst auszulegen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 23. August 2016 - VIII ZB 96/15, WM 2016, 1955 Rn. 25 mwN), eine konkludente Anschlussberufung eingelegt und in dieser konkludent einen Parteiwechsel erklärt.

Rz. 23

Die Klägerin hat dort zwar in erster Linie den Standpunkt vertreten, schon das Urteil des Amtsgerichts richte sich gegen die GdWE persönlich. Aus dem Schriftsatz ergibt sich aber, dass sie eine Sachentscheidung erreichen wollte. Sie hat außerdem in Kenntnis des vorangegangenen Hinweises des Berufungsgerichts, wonach der Revisionsbeklagte zu 2 der Beklagte sei, in diesem Schriftsatz ausgeführt, dass die GdWE Partei sei und deren Vertretung durch „den ursprünglich beklagten Miteigentümer“ problematisiert. Insbesondere der Formulierung, dass der Revisionsbeklagte zu 2 „ursprünglich“ Beklagter gewesen sei, lässt sich entnehmen, dass die Klägerin die Möglichkeit in Betracht gezogen hat, dass dieser zunächst der Beklagte gewesen sei. Insgesamt ergibt sich hieraus, dass die Klägerin zur Erlangung der angestrebten Sachentscheidung eine Änderung der Klage auf die GdWE als Beklagte jedenfalls für den Fall vornehmen wollte, dass nicht bereits der zunächst gestellte Antrag diese Tragweite hatte. Darin lag eine konkludente Hilfsanschlussberufung und die konkludente Erklärung eines Parteiwechsels (vgl. zu einer ähnlichen Konstellation Senat, Urteil vom 26. Oktober 1990 - V ZR 122/89, NJW-RR 1991, 510).

Rz. 24

(c) Der Wirksamkeit der Anschlussberufung und des Parteiwechsels stehen auch keine sonstigen Bedenken entgegen.

Rz. 25

(aa) Zwar kann im Wege der Anschlussberufung die Klage nicht auf einen bisher nicht am Verfahren beteiligten Dritten erstreckt werden. Vielmehr muss diese sich gerade gegen den Berufungsführer als solchen richten (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 2000 - VI ZR 264/99, NJW-RR 2000, 1114 mwN). Diese Voraussetzung war in der hier vorliegenden Sonderkonstellation aber gegeben. Die Änderung der Klage dahin, dass nicht mehr der Revisionsbeklagte zu 2, sondern die GdWE beklagt sein sollte, hat nämlich überhaupt erst dazu geführt, dass die Klage gegen die Berufungsführerin als solche gerichtet wurde; dass die GdWE zunächst nur Scheinbeklagte war, ändert an ihrer Stellung als Berufungsführerin nichts.

Rz. 26

(bb) Die Zulässigkeit der in dem Parteiwechsel liegenden Klageänderung scheitert auch nicht daran, dass mit der Anschlussberufung mehr als die Zurückweisung des Rechtsmittels des Berufungsführers erstrebt werden muss (vgl. Senat, Urteil vom 7. Dezember 2007 - V ZR 210/06, NJW 2008, 1953 Rn. 14 mwN). Hier hat die Klägerin durch die Erklärung des Parteiwechsels gerade mehr erreichen wollen als die bloße Bestätigung der erstinstanzlichen Entscheidung über den mit der Klage verfolgten Anspruch. Denn dadurch, dass sie die Klage nicht mehr gegen den Revisionsbeklagten zu 2, sondern gegen die GdWE gerichtet hat, hat sie einen neuen Klageantrag gestellt und damit einen neuen prozessualen Anspruch in den Prozess eingeführt (vgl. auch Senat, Urteil vom 7. Dezember 2007 - V ZR 210/06, NJW 2008, 1953 Rn. 15).

Rz. 27

(cc) Dem wirksamen Parteiwechsel steht nicht die fehlende Zustimmung eines Prozessbeteiligten entgegen. Zwar setzt der Parteiwechsel im Berufungsrechtszug die Zustimmung sowohl des ausscheidenden als auch des neuen Beklagten voraus (vgl. Senat, Urteil vom 7. Mai 2021 - V ZR 299/19, NJW-RR 2021, 1170 Rn. 19; BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 - X ZR 50/14, juris Rn. 9). Eine Verweigerung wäre aber im Hinblick auf die enge Verbindung, die der Revisionsbeklagte zu 2 als weiterer Wohnungseigentümer und die GdWE zu dem Rechtsstreit haben, mangels schutzwürdigen Interesses missbräuchlich und damit unbeachtlich (vgl. hierzu bereits Senat, Urteil vom 7. Mai 2021 - V ZR 299/19, NJW-RR 2021, 1170 Rn. 19 mwN).

Rz. 28

c) Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Insbesondere ist die Beschlussersetzungsklage nicht deswegen unzulässig, weil ihr das Rechtsschutzbedürfnis mangels Vorbefassung der GdWE fehlte. Denn aufgrund der Feststellungen des Berufungsgerichts kann - abgesehen von der Frage, wie die Einberufung einer Eigentümerversammlung derzeit überhaupt erfolgen könnte - mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass der Antrag in der Eigentümerversammlung nicht die erforderliche Mehrheit finden wird, so dass die Befassung der Versammlung eine unnötige Förmelei wäre (vgl. hierzu Senat, Urteil vom 15. Januar 2010 - V ZR 114/09, BGHZ 184, 88 Rn. 15).

III.

Rz. 29

Das Berufungsurteil kann somit keinen Bestand haben. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, weil weitere Feststellungen zu treffen sind. Sie ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 ZPO). Für das weitere, allein gegen die GdWE gerichtete Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

Rz. 30

1. Das Berufungsgericht wird - wie es in dem aufgehobenen Urteil der Sache nach zutreffend angenommen hat - davon auszugehen haben, dass die GdWE in diesem Verfahren im Sinne des § 51 Abs. 1 Alt. 2 ZPO wirksam durch den Revisionsbeklagten zu 2 vertreten wird.

Rz. 31

a) Die nach § 9a Abs. 1 Satz 1 WEG parteifähige GdWE wird dann, wenn ein Verwalter bestellt ist, durch diesen (§ 9b Abs. 1 Satz 1 WEG), soweit - wie hier - ein solcher nicht bestellt ist, durch die Wohnungseigentümer gemeinschaftlich vertreten (§ 9b Abs. 1 Satz 2 WEG). Die nach altem Recht bestehende Möglichkeit, einen oder mehrere Wohnungseigentümer durch Mehrheitsbeschluss zur Vertretung zu ermächtigen, sieht das neue Recht nicht mehr vor (vgl. BT-Drucks. 19/18791 S. 49).

Rz. 32

b) Eine Vertretung im Sinne von § 9b Abs. 1 Satz 2 WEG durch die Klägerin und den Revisionsbeklagten zu 2 gemeinsam ist in diesem Verfahren nicht möglich. Denn die Klägerin ist als Prozessgegnerin von der Vertretung der GdWE ausgeschlossen. Da es prozessrechtlich nicht zulässig ist, einen Rechtstreit mit sich selbst - und zwar auch als Vertreter eines anderen - zu führen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juli 1983 - II ZR 114/82, NJW 1984, 57, 58; Urteil vom 9. Februar 2009 - II ZR 292/07, BGHZ 179, 344 Rn. 20; Urteil vom 7. Juni 2010 - II ZR 210/09, WM 2010, 2311 Rn. 11; RGZ 7, 404 f.), darf ein Wohnungseigentümer in Rechtsstreitigkeiten, die er gegen die GdWE führt, an deren Vertretung nicht mitwirken.

Rz. 33

c) Umstritten ist, welche Folgen ein derartiger, auf der prozessualen Situation beruhender Ausschluss des klagenden Wohnungseigentümers von der Vertretung der verwalterlosen GdWE auf deren ordnungsgemäße Vertretung in einem Beschlussklageverfahren nach § 44 Abs. 1 WEG hat. Dabei werden im Wesentlichen zwei Auffassungen vertreten.

Rz. 34

aa) Die wohl herrschende Meinung, der sich das Berufungsgericht angeschlossen hat, nimmt - wenn auch mit gewissen Unterschieden in der Begründung - an, die Vertretung der verwalterlosen GdWE stehe in Beschlussklageverfahren in Anlehnung an die gesellschaftsrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs den übrigen Wohnungseigentümern gemeinschaftlich bzw. dem verbleibenden Wohnungseigentümer alleine zu (sog. kupierte Gesamtvertretung). Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, § 9b Abs. 1 Satz 2 WEG solle die Handlungsfähigkeit der GdWE auch im Falle ihrer Verwalterlosigkeit gewährleisten. Der Ausschluss des klagenden Wohnungseigentümers von der Vertretung führe deshalb nicht zu einem Mangel der gesetzlichen Vertretung; die Bestellung eines Prozesspflegers gemäß oder entsprechend § 57 ZPO komme nicht in Betracht (vgl. LG Frankfurt am Main, ZfIR 2021, 277, 279; WuM 2021, 574, 575 f., Revision anhängig bei dem Senat unter V ZR 180/21; LG Landau, ZWE 2022, 94 Rn. 2; AG Pfaffenhofen, Beschluss vom 18. Januar 2022 - 1 C 667/21 WEG, juris Rn. 3 f.; BeckOGK/Greiner, WEG [1.6.2022], § 9b Rn. 18.1; BeckOK WEG/Elzer [1.3.2022], § 44 Rn. 39; Grüneberg/Wicke, BGB, 81. Aufl., § 9b WEG Rn. 3, § 44 Rn. 9; Suilmann in Jennißen, WEG, 7. Aufl., § 44 Rn. 196; NK-BGB/Brücher/Heinemann, 5. Aufl., § 44 Rn. 16; Müller in Hügel, Wohnungseigentumsrecht, 5. Aufl., § 17 Rn. 24; vgl. auch - mit anderem Begründungsschwerpunkt - Zschieschack in Jennißen, WEG, 7. Aufl., § 9b Rn. 65 ff.).

Rz. 35

bb) Nach anderer Ansicht wird die Aktivvertretung der GdWE in Beschlussklageverfahren durch die nicht klagenden Wohnungseigentümer abgelehnt. Eine gemeinschaftliche Vertretung nach § 9b Abs. 2 Satz 1 WEG könne nur durch sämtliche Wohnungseigentümer erfolgen; diese Vorschrift habe nicht den Zweck, die Vertretung der verwalterlosen GdWE in jedem Fall zu gewährleisten. Mangels eines Aktivvertreters sei die GdWE nicht prozessfähig, so dass die gegen sie gerichtete Beschlussklage unzulässig sei, sofern nicht ein Verwalter oder aber auf Antrag des klagenden Wohnungseigentümers ein Prozesspfleger nach § 57 ZPO bestellt werde (vgl. AG Wiesbaden, ZWE 2022, 100 Rn. 6 ff.; BeckOGK/Skauradszun, WEG [1.6.2022], § 44 Rn. 59.3 ff.; jurisPK-BGB/Reichel-Scherer, 9. Aufl., § 44 WEG Rn. 60; Bruns, ZWE 2022, 67, 69; Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rn. 245 ff., Rn. 1904 f.; Lehmann-Richter, ZWE 2022, 61, 65, 67; im Ergebnis wohl auch MüKoBGB/Hogenschurz, 8. Aufl., § 44 WEG nF Rn. 52).

Rz. 36

d) Richtig ist die erstgenannte Auffassung. Hat die GdWE keinen Verwalter, führt der Ausschluss des oder der klagenden Wohnungseigentümer in einem Beschlussklageverfahren von der nach § 9b Abs. 1 Satz 2 WEG angeordneten Gesamtvertretung dazu, dass die GdWE in diesem Prozess durch die übrigen Wohnungseigentümer gemeinschaftlich vertreten wird. Verbleibt nur ein Wohnungseigentümer, der keinem Vertretungsverbot unterliegt, vertritt er die GdWE im Prozess allein.

Rz. 37

aa) Die Annahme, die verwalterlose GdWE könne auch in einer derartigen Konstellation nur durch sämtliche Wohnungseigentümer gemeinsam vertreten werden, ließe sich zwar auf den Wortlaut des § 9b Abs. 1 Satz 2 WEG („durch die Wohnungseigentümer gemeinschaftlich“) stützen. Zwingend ist dies aber keineswegs, zumal bei einer verwalterlosen GdWE, die - wie es nach neuem Recht möglich ist (vgl. BeckOK BGB/Hügel [1.5.2022], § 9a WEG Rn. 9) - nur aus einer Person besteht, etwas anderes als die Vertretung allein durch diese Person nicht denkbar ist. Dem Gesetzestext lässt sich nicht entnehmen, dass ein in der Person eines einzelnen Wohnungseigentümers verwirklichter Ausschlussgrund zwangsläufig die Vertretungsmacht der übrigen Wohnungseigentümer erfassen soll. Die Fassung der Norm erlaubt vielmehr auch die Deutung, dass die Gesamtvertretung durch alle Wohnungseigentümer zwar die Regel sein soll, Ausnahmen aber möglich bleiben.

Rz. 38

bb) Die Systematik des Wohnungseigentumsgesetzes gibt ebenfalls keinen Aufschluss für die Beantwortung der Streitfrage. Die Vertretung der verwalterlosen GdWE wird ausschließlich und allgemein im Zusammenhang mit der Rechtsfähigkeit der Gemeinschaft im dritten Abschnitt des ersten Teils geregelt, nicht hingegen im dritten Teil des Gesetzes, der die Verfahrensvorschriften enthält. Welche Folgen der Ausschluss der Vertretung eines Wohnungseigentümers in einem Verfahren nach § 44 Abs. 1 WEG für die nach § 51 Abs. 1 Alt. 2 ZPO erforderliche ordnungsgemäße Vertretung haben soll, ist im Gesetz nicht festgelegt.

Rz. 39

cc) Aus der Entstehungsgeschichte des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes vom 16. Oktober 2020 (BGBl I S. 2187 - WEMoG) lässt sich nicht entnehmen, dass der Ausschluss des klagenden Wohnungseigentümers in Beschlussklageverfahren zu einer Unmöglichkeit der Selbstvertretung der verwalterlosen GdWE durch die übrigen Wohnungseigentümer führen und deswegen der Fortgang des Verfahrens die Bestellung eines Prozesspflegers voraussetzen sollte.

Rz. 40

(1) Nach dem bis zum 1. Dezember 2020 geltenden Recht waren Nichtigkeits- und Anfechtungsklagen gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 WEG aF gegen die übrigen Wohnungseigentümer zu richten. Das galt auch für Beschlussersetzungsklagen (vgl. Senat, Urteil vom 25. Februar 2022 - V ZR 65/21, NZM 2022, 381 Rn. 7). Weitere Zwischenschritte waren - mit Ausnahme der grundsätzlich notwendigen Vorbefassung der GdWE bei Beschlussersetzungsklagen (vgl. hierzu Senat, Urteil vom 15. Januar 2010 - V ZR 114/09, BGHZ 184, 88 Rn. 15) - nicht erforderlich. Mit Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes sind die Beschlussklagen nunmehr gemäß § 44 Abs. 2 Satz 1 WEG gegen die GdWE zu erheben. Die Gesetzesänderung hat zur Folge, dass eine Vertretung der verwalterlosen GdWE durch alle Wohnungseigentümer in jedem Beschlussklageverfahren undurchführbar wird, weil mindestens ein Wohnungseigentümer als Kläger von der Vertretung ausgeschlossen ist.

Rz. 41

(2) Trotz der sich aufgrund des Ausschlusses der klagenden Wohnungseigentümer zwangsläufig ergebenden Problematik bei der Vertretung der verwalterlosen GdWE in Beschlussklageverfahren und der bereits im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens von Verbänden und Sachverständigen aufgezeigten praktischen Probleme, die bei einer Gesamtvertretung in zerstrittenen und größeren verwalterlosen Gemeinschaften sowohl mit Blick auf die Zustellung einer gegen die GdWE gerichteten Beschlussklage als auch bezogen auf die Verteidigung der GdWE im Prozess zu erwarten sind (vgl. Abschlussbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Reform des Wohnungseigentumsgesetzes, ZWE 2019, 429, 458; Deutscher Richterbund, Stellungnahme Nr. 6/20 von Mai 2020 anlässlich der Anhörung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages zum WEMoG-Entwurf, Anmerkung Nr. 17; Elzer, Stellungnahme für die öffentliche Anhörung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages zum WEMoG-Entwurf, S. 10, 39), findet sich in der Gesetzesbegründung keine Klarstellung oder Erläuterung, wer in diesen Fällen zur Vertretung der GdWE im Prozess berechtigt sein soll. Auch die Anregung der Bund-Länder-Arbeitsgruppe, eine Möglichkeit zu eröffnen, einen Vertreter zu bestimmen oder das Gericht zur Bestellung eines Prozesspflegers zu ermächtigen (vgl. ZWE 2019, 429, 458), hat der Gesetzgeber nicht aufgegriffen.

Rz. 42

Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich lediglich, dass mit der Änderung des Klagegegners bei Beschlussklagen prozessual umgesetzt werden sollte, dass nach § 18 Abs. 1 WEG materiell-rechtlich die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums der GdWE zugewiesen ist. Ziel war es auch, Beschlussklagen leichter handhabbar zu machen sowie der Gefahr vorzubeugen, die darin bestehe, dass die falschen Personen verklagt werden. Außerdem sollte Irritationen entgegengewirkt werden, die nach alter Rechtslage darin bestanden, dass auch diejenigen Wohnungseigentümer zu verklagen waren, die gegen den Beschluss gestimmt hatten (BR-Drucks. 168/20 S. 93).

Rz. 43

(3) Hätte der Gesetzgeber durch die Gesetzesänderung in Beschlussklageverfahren die Vertretung einer verwalterlosen GdWE durch die nicht klagenden Eigentümer ausschließen und zur Fortführung des Prozesses die Bestellung eines Prozesspflegers für erforderlich erachten wollen, wäre im Hinblick auf die darin liegende wesentliche Änderung der Verfahrensgestaltung gegenüber der vorherigen Gesetzeslage, die im Gesetzgebungsverfahren aufgezeigten Probleme der Gesamtvertretung und der fiskalischen Folgen, die die Bestellung eines Prozesspflegers nach § 45 Abs. 1 RVG haben kann, zu erwarten gewesen, dass er dies in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck bringt.

Rz. 44

dd) Sinn und Zweck der in § 9b Abs. 1 Satz 2 WEG angeordneten Gesamtvertretung und der in § 44 WEG geregelten Beschlussklagen sprechen dafür, dass die nach § 51 Abs. 1 Alt. 2 ZPO erforderliche Vertretung durch die übrigen, nicht klagenden Wohnungseigentümer erfolgt, wie es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch bei Personenhandelsgesellschaften angenommen wird (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 1964 - II ZR 42/62, BGHZ 41, 367, 368 f.; Urteil vom 4. November 1982 - II ZR 210/81, WM 1983, 60; Beschluss vom 7. Juni 2010 - II ZR 210/09, WM 2010, 2311 Rn. 12 ff.).

Rz. 45

(1) Die Regelung des § 9b Abs. 1 Satz 2 WEG soll die Vertretung der GdWE gewährleisten, wenn ein Verwalter für sie nicht bestellt ist. Dieser Zweck würde im Rahmen von Beschlussklageverfahren, in denen - wie ausgeführt (Rn. 32) - die klagenden Wohnungseigentümer immer von der Vertretung ausgeschlossen sind, niemals erreicht, wenn dieser Ausschluss dazu führte, dass eine Vertretung durch die übrigen Wohnungseigentümer nicht möglich ist. Ein derartiges Ergebnis ist insbesondere vor dem Hintergrund der Funktion von Beschlussklagen nicht hinnehmbar. Die Beschlussklagen im Sinne von § 44 Abs. 1 WEG ermöglichen es einem oder mehreren Wohnungseigentümern, eine Beschlussfassung der Mehrheit überprüfen zu lassen bzw. eine Beschlussfassung gegen die ablehnende Mehrheit zu bewirken, und dienen damit dem Minderheitenschutz im Einzelfall (vgl. Senat, Urteil vom 14. Juli 2017 - V ZR 290/16, ZfIR 2017, 709 Rn. 12 f.; Urteil vom 18. Januar 2019 - V ZR 72/18, ZfIR 2019, 447 Rn. 24 mwN).

Rz. 46

(2) Wäre die verwalterlose GdWE in jedem Beschlussklageverfahren nicht ordnungsgemäß vertreten, hätte dies zur Folge, dass der Minderheitenschutz schwerer zu verwirklichen wäre.

Rz. 47

(a) Anders, als die Gegenauffassung meint, kann die Bestellung eines Prozesspflegers das Fehlen eines Verwalters nicht kompensieren. Die Annahme, dass ein Prozesspfleger einen Verwalter ersetzen könne (in diese Richtung wohl Lehmann-Richter, ZWE 2022, 61, 67), verkennt dessen Aufgaben und Befugnisse. Die Vertretungsmacht des Prozesspflegers entspricht weitgehend dem gesetzlichen Umfang der Prozessvollmacht gemäß § 81 ZPO, d.h. er ist lediglich befugt, Prozesshandlungen vorzunehmen und sachlich rechtliche Erklärungen abzugeben und entgegenzunehmen (vgl. Senat, Beschluss vom 10. Dezember 2020 - V ZB 128/19, WM 2021, 346 Rn. 12). Der Vorteil eines Prozesspflegers läge in der Praxis vornehmlich darin, dass er durch die Abgabe einer Verteidigungsanzeige im schriftlichen Vorverfahren eine schnelle Titulierung durch Versäumnisurteil verhindern könnte. Hingegen wäre er nicht in der Lage, die weitere Verteidigung gegen die Klage sachgerecht zu organisieren, weil ihm die Kompetenz fehlte, eine Eigentümerversammlung einzuberufen, um die notwendige Willensbildung der Wohnungseigentümer über die Verteidigungsstrategie herbeizuführen. Es ist nicht Aufgabe eines Prozesspflegers, die Interessen der GdWE im Zusammenhang mit der begehrten Beschlussfassung zu ermitteln und dem Gericht vorzutragen (so aber Lehmann-Richter, ZWE 2022, 61, 67). Völlig unklar ist auch, auf welche Interessen er in einer zerstrittenen GdWE aus zwei Personen überhaupt abstellen könnte.

Rz. 48

Im Übrigen ist nicht gewährleistet, dass die Bestellung eines Prozesspflegers in jedem Fall erfolgreich ist. Zwar kann, wenn die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 ZPO vorliegen, das Gericht einen Prozesspfleger bestellen. Es besteht aber keine Pflicht des Bestellten, dieses Amt auch zu übernehmen (vgl. MüKoZPO/Lindacher/Hau, 6. Aufl., § 57 Rn. 17; Stein/Jonas/Jacoby, ZPO, 23. Aufl., § 57 Rn. 17, jeweils mwN).

Rz. 49

(b) Insofern führte eine Bestellung eines Prozesspflegers vor allem zu einer zeitlichen Verzögerung des Verfahrens, die die Verwirklichung des Minderheitenschutzes durch die Beschlussklagen erschwerte, ohne die sich aus der Verwalterlosigkeit der GdWE ergebenden Probleme bei deren Willensbildung zu beseitigen. Damit würde letztlich das Ziel des Gesetzgebers, mit der Anordnung der Gesamtvertretung in § 9b Abs. 1 Satz 2 WEG bei zugleich entfallener Möglichkeit, einen oder mehrere Wohnungseigentümer durch Mehrheitsbeschluss zur Vertretung zu ermächtigen, die Minderheit zu schützen (vgl. BT-Drucks. 19/18791 S. 49), konterkariert. Dass die Erzwingung der Bestellung eines Verwalters mit einer Beschlussersetzungsklage, in deren Rahmen dann wiederum ein Prozesspfleger zu bestellen wäre, kein effektiver Weg zur Überwindung der Problematik des fehlenden Verwalters ist (so aber Lehmann-Richter/Wobst, NJW 2021, 662 Rn. 33; Lehmann-Richter, ZWE 2022, 61, 64), zeigt das vorliegende Verfahren, dessen Gegenstand gerade die Bestellung eines Verwalters ist, exemplarisch.

Rz. 50

(c) Richtig ist zwar, dass die Vertretung der verwalterlosen GdWE durch die übrigen Wohnungseigentümer in Beschlussklageverfahren zu Schwierigkeiten führen kann. Insbesondere besteht die Möglichkeit, dass eine Gesamtvertretung durch die übrigen Wohnungseigentümer daran scheitert, dass diese nicht zeitnah zueinander finden oder keine Einigung erzielen, zum Beispiel, weil ein Wohnungseigentümer die Verteidigung gegen die Klage torpediert. Solche Schwierigkeiten sind aber kein spezifisches Problem der Beschlussklageverfahren. Sie entstehen vor allem nicht deshalb, weil ein Wohnungseigentümer als Gesamtvertreter ausfällt. Vielmehr ist das Risiko, sich wechselseitig zu blockieren, der gesetzlich angeordneten Gesamtvertretung immanent (vgl. BGH, Beschluss vom 23. September 2014 - II ZB 4/14, NJW 2014, 3779 Rn.14 zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts).

Rz. 51

2. Das Berufungsgericht wird im Hinblick auf den geltend gemachten Anspruch auf Verwalterbestellung Folgendes zu beachten haben:

Rz. 52

a) Die Wohnungseigentümer haben nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG einen Anspruch auf eine Verwaltung ihrer Gemeinschaft, die den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Das schließt einen Anspruch auf Bestellung eines tauglichen Verwalters ein (vgl. Senat, Urteil vom 10. Juni 2011 - V ZR 146/10, NJW 2011, 3025 Rn. 11 - zum alten Recht), was auch in einer GdWE gilt, die nur aus zwei Einheiten besteht (vgl. BeckOGK/Greiner, WEG [1.6.2023], § 26 Rn. 327; BeckOK WEG/Elzer [1.3.2022], § 26 Rn. 113 und wohl auch NK-BGB/Brücher/Schultzky, 5. Aufl., § 26 WEG Rn. 14; aA Heinemann, MietRB 2013, 224, 226). Denn das Fehlen eines Verwalters erschwert in jeder GdWE die ordnungsmäßige Verwaltung; so ist es zum Beispiel ohne Verwalter nicht ohne weiteres möglich, eine Eigentümerversammlung einzuberufen (vgl. hierzu BeckOGK/Greiner, § 26 WEG [1.6.2022], Rn. 330).

Rz. 53

b) Die Auswahl des Verwalters obliegt im Rahmen des Beschlussersetzungsverfahrens dem Gericht gemäß § 18 Abs. 2 WEG nach billigem Ermessen. Das Berufungsgericht wird zu prüfen haben, inwieweit die von der Klägerin vorgeschlagene Verwalterin als tauglich zu betrachten ist und ob der Verwaltervertrag eine der ordnungsgemäßen Verwaltung entsprechende Vertragsgestaltung darstellt.

Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen dieses Versäumnisurteil steht der säumigen Partei der Einspruch zu. Dieser ist beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe von einem an diesem Gericht zugelassenen Rechtsanwalt binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab der Zustellung des Versäumnisurteils durch Einreichung einer Einspruchsschrift einzulegen.

Die Einspruchsschrift muss das Urteil, gegen das der Einspruch gerichtet wird, bezeichnen und die Erklärung enthalten, dass und, wenn das Rechtsmittel nur teilweise eingelegt werden solle, in welchem Umfang gegen dieses Urteil Einspruch eingelegt werde.

In der Einspruchsschrift sind die Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen, vorzubringen. Auf Antrag kann die Vorsitzende des erkennenden Senats die Frist für die Begründung verlängern. Bei Versäumung der Frist für die Begründung ist damit zu rechnen, dass das nachträgliche Vorbringen nicht mehr zugelassen wird.

Im Einzelnen wird auf die Verfahrensvorschriften in § 78, § 296 Abs. 1, 3, 4, § 338, § 339 und § 340 ZPO verwiesen.

Brückner     

Göbel     

Haberkamp

Malik     

Laube     

 

Fundstellen

Haufe-Index 15305569

NJW 2022, 8

NZM 2022, 6

NZM 2022, 766

ZMR 2022, 902

ZfIR 2022, 542

JZ 2022, 559

JZ 2022, 563

MDR 2022, 1273

ZWE 2022, 418

MietRB 2022, 290

MietRB 2022, 291

NJW-Spezial 2022, 641

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