Leitsatz (amtlich)

Die Wohnungseigentümergemeinschaft kann die individuellen Schadensersatzansprüche der Wohnungseigentümer gegen den Verwalter wegen der ihnen in einem Beschlussmängelverfahren auferlegten Kosten an sich ziehen und im eigenen Namen in gesetzlicher Prozessstandschaft geltend machen (gekorene Ausübungsbefugnis). Hiervon ausgenommen sind Schadensersatzansprüche wegen Kosten, die einem Wohnungseigentümer durch die Beauftragung eines eigenen Rechtsanwalts entstanden sind.

 

Normenkette

WEG § 10 Abs. 6 S. 3

 

Verfahrensgang

LG Dortmund (Urteil vom 18.05.2018; Aktenzeichen 17 S 116/17)

AG Dortmund (Entscheidung vom 01.06.2017; Aktenzeichen 514 C 134/16)

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil der 17. Zivilkammer des LG Dortmund vom 18.5.2018 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Die Klägerin ist eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Beklagte war in der Zeit von 1980 bis 2015 zu ihrer Verwalterin bestellt. In drei Beschlussanfechtungsverfahren, die ein der Klägerin zwischenzeitlich nicht mehr angehörender Wohnungseigentümer erfolgreich angestrengt hatte, wurden den übrigen Wohnungseigentümern die Kosten des jeweiligen Rechtsstreits auferlegt. Die Prozesskosten beliefen sich auf insgesamt 45.402,44 EUR. Sie wurden aus Mitteln der Gemeinschaft bestritten und im Rahmen der jeweiligen Jahresabrechnungen auf die unterlegenen Eigentümer verteilt. In der Eigentümerversammlung vom 2.4.2016 fassten die Wohnungseigentümer einen (bestandskräftigen) Beschluss, in dem es u.a. heißt:

"Die Verwaltung informierte die Eigentümergemeinschaft über mögliche, durch die Fa. H. [Beklagte] in dem Zeitraum 2014-2015 verursachte Vermögensschäden u.a. durch die wegen Verwaltungsfehlleistung gerichtlich für ungültig erklärten Jahresabrechnungen. ... Die Eigentümergemeinschaft beschloss infolgedessen einstimmig die Inregressnahme der Fa. H. für alle der WEG durch H. verursachte Vermögensschäden, insbesondere die Gerichts- und Anwaltskosten. .... Die Eigentümergemeinschaft beschloss einstimmig, die M. Hausverwaltungen GmbH [jetzige Verwalterin der Klägerin] zu bevollmächtigen, alle entstandenen Vermögensschäden aus Handlungen der H. in ihrer Funktion als Verwalterin der WEG S. str. 36-64 gegen die Fa. H. - gegebenenfalls auch gerichtlich - geltend zu machen."

Rz. 2

Mit der Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten Erstattung der in den drei Beschlussanfechtungsverfahren entstandenen Prozesskosten. Das AG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das LG die Beklagte unter Klageabweisung im Übrigen zur Zahlung von 45.013,49 EUR nebst Zinsen und vorgerichtlicher Anwaltskosten verurteilt. Mit der von dem LG zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

I.

Rz. 3

Nach Ansicht des Berufungsgerichts, dessen Urteil u.a. in ZMR 2018, 784 veröffentlicht ist, ist die Klägerin für die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs "aktivlegitimiert". Dies folge allerdings nicht daraus, dass der Verwaltervertrag zwischen dem Verwalter und der Wohnungseigentümergemeinschaft als rechtsfähigem Verband geschlossen werde, so dass Ansprüche aus der Verletzung des Verwaltervertrags grundsätzlich nur dem Verband zustünden. Die Kosten der erfolgreich durchgeführten Beschlussanfechtungsklagen stellten nämlich keine Kosten der Verwaltung dar. Die Prozessführungsbefugnis der Wohnungseigentümergemeinschaft sei jedoch durch den Beschluss vom 2.4.2016 begründet worden. Die Zugriffskompetenz richte sich danach, ob die Geltendmachung der Ansprüche einer einheitlichen Rechtsverfolgung zugänglich sei. So liege es hier, weil die Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband Vertragspartnerin der Beklagten gewesen sei. Es sei daher sinnvoll, dass sie auch die sich daraus ergebenden Schadensersatzansprüche geltend machen könne. Im Übrigen liege es - nicht zuletzt wegen der degressiven Ausgestaltung der Gerichts- und Anwaltsgebühren - im Interesse der Beklagten als Schuldnerin, dass der Vorwurf der Pflichtverletzung nicht in mehreren, sondern einheitlich in einem Verfahren geklärt werde.

II.

Rz. 4

1. Die unbeschränkt eingelegte Revision ist nur zulässig, soweit sie sich auf die Zulässigkeit der Klage bezieht, wobei sich konkret nur die Frage stellt, ob die Klägerin berechtigt ist, die Schadensersatzansprüche der Wohnungseigentümer in eigenem Namen geltend zu machen und deshalb über die erforderliche Prozessführungsbefugnis verfügt. Hierauf hat das Berufungsgericht die Zulassung der Revision beschränkt. Soweit sich die Revision auch gegen die Bejahung der Begründetheit der Schadensersatzklage richtet, ist sie unzulässig.

Rz. 5

a) Dem Tenor der angegriffenen Entscheidung ist eine solche Beschränkung zwar nicht zu entnehmen. Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH kann sich eine Beschränkung der Revisionszulassung aber auch aus den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils ergeben, sofern daraus klar und eindeutig der Wille des Berufungsgerichts hervorgeht, die Revision in bestimmter Hinsicht zu beschränken (vgl. nur BGH, Urt. v. 24.5.2013 - V ZR 182/12, NJW 2013, 2271 Rz. 14 m.w.N.; BGH, Beschluss vom 28.4.2017 - BLw 1/16, AUR 2017, 334 Rz. 6 m.w.N.; Urt. v. 24.10.2017 - II ZR 16/16, NJW-RR 2018, 39 Rz. 9). So liegt es hier. Das Berufungsgericht verweist zur Begründung für die Zulassung der Revision darauf, dass "die Frage, ob die Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband berechtigt ist, die Schadensersatzansprüche der Wohnungseigentümer aufgrund gekorener Ausübungsbefugnis geltend zu machen", grundsätzliche Bedeutung habe und bislang höchstrichterlich nicht entschieden worden sei. Diese Überlegungen spielen für die Begründetheit der Klage keine Rolle, sondern beziehen sich nur auf deren Zulässigkeit und im Besonderen auf die Frage der Prozessführungsbefugnis der Klägerin. Dass in den Entscheidungsgründen insoweit teilweise von der - die Begründetheit der Klage betreffenden - "Aktivlegitimation" die Rede ist, ist unschädlich, da sich aus dem Zusammenhang eindeutig ergibt, dass die Prozessführungsbefugnis gemeint ist.

Rz. 6

b) Die danach vom Berufungsgericht vorgenommene Beschränkung ist mit der - sich hier nicht auswirkenden - Maßgabe wirksam, dass außer der Frage der Prozessführungsbefugnis ggf. auch die weiteren Prozessvoraussetzungen zu prüfen sind. Anerkanntermaßen hat das Berufungsgericht die Möglichkeit, die Revision nur hinsichtlich eines tatsächlich und rechtlich selbständigen und abtrennbaren Teils des Gesamtstreitstoffs zuzulassen, auf den auch die Partei selbst die Revision beschränken könnte (vgl. nur BGH, Urt. v. 10.11.2017 - V ZR 184/16, NJW 2018, 1309 Rz. 6). Dies ist in Bezug auf die Zulässigkeit der Klage der Fall, über die gem. § 280 ZPO vorab durch Zwischenurteil entschieden werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 23.2.1983 - IVb ZR 359/81, NJW 1983, 2084; Beschl. v. 10.4.2018 - VIII ZR 247/17, NJW 2018, 1880 Rz. 23 m.w.N.).

Rz. 7

2. Soweit die Revision zulässig ist, ist sie unbegründet. Das Berufungsgericht bejaht ohne Rechtsfehler die Befugnis der Klägerin, Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte im eigenen Namen geltend zu machen.

Rz. 8

a) Die Prozessführungsbefugnis der Klägerin bedürfte keiner näheren Begründung, wenn Gegenstand der Klage und der Entscheidung des Berufungsgerichts ein (behaupteter) eigener Anspruch der Klägerin wäre, der ihr als teilrechtsfähiger Verband gem. § 10 Abs. 6 Satz 2 WEG grundsätzlich zustehen kann. Insoweit gälte der allgemein anerkannte Grundsatz, dass derjenige, der behauptet, Inhaber eines bestimmten Rechts zu sein, prozessual die Befugnis hat, dieses Recht im eigenen Namen einzuklagen, er mit anderen Worten prozessführungsbefugt ist (vgl. hierzu nur Althammer in Zöller, ZPO, 32. Aufl., vor § 50 Rz. 16; Bärmann/Roth, WEG, 14. Aufl., vor §§ 43 ff. Rz. 25). Über eigene Ansprüche der Klägerin hat das Berufungsgericht jedoch keine Entscheidung getroffen.

Rz. 9

aa) Das Berufungsgericht legt seiner Entscheidung - von der Revision unbeanstandet - zugrunde, dass mit der Klage Schadensersatzansprüche der Wohnungseigentümer wegen der durch die drei Beschlussanfechtungsklagen entstandenen und von ihnen aufgrund der Verteilung im Rahmen der jeweiligen Jahresabrechnungen getragenen Kosten geltend gemacht werden. Es geht um (behauptete) Schäden der Wohnungseigentümer und die Geltendmachung von deren Schadensersatzansprüchen gegen die Beklagte als frühere Verwalterin. Auch wenn der Verwaltervertrag mit dem Verband geschlossen wird, kommen eigene Schadensersatzansprüche der jeweiligen Wohnungseigentümer wegen Pflichtverletzungen des Verwalters in Betracht, weil der Verwaltervertrag Schutzwirkungen zugunsten der Wohnungseigentümer entfaltet (vgl. BGH, Beschl. v. 7.7.2016 - V ZB 15/14, NJW-RR 2017, 464 Rz. 9 m.w.N.). Um solche Ansprüche handelt es sich hier.

Rz. 10

bb) Über einen möglichen eigenen Schadensersatzanspruch der Klägerin (vgl. allgemein zu eigenen Schadensersatzansprüchen des Verbands gegen den Verwalter wegen Schäden im Verwaltungsvermögen KG MDR 2010, 435), hat das Berufungsgericht demgegenüber nicht befunden. Ob sich aus der - nach der Feststellung des Berufungsgerichts erstmalig in der Berufungsinstanz aufgestellten - Behauptung, die Beklagte habe durch unberechtigten Zugriff auf das Verbandsvermögen zur Deckung der Prozesskosten der Beschlussanfechtungsklage ihre Pflichten aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Verwaltervertrag verletzt, ein eigener Anspruch der Klägerin ergibt, hat das Berufungsgericht offengelassen. Ein solcher Anspruch der Klägerin ist daher nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens. Deshalb bedarf es keiner Entscheidung, ob ein Schaden (auch) des Verbands schon allein dadurch entstanden ist, dass die Kosten - zunächst - aus Mitteln der Gemeinschaft bestritten wurden (so LG Berlin, ZMR 2018, 843). Dies erscheint allerdings jedenfalls dann zweifelhaft, wenn die Kosten - wie hier - erfolgreich auf die verklagten Wohnungseigentümer umgelegt werden konnten (so auch Abramenko, ZfIR 2019, 30).

Rz. 11

b) Da die Klägerin ein fremdes Recht, nämlich mögliche Schadensersatzansprüche der Wohnungseigentümer gegen den Verwalter im eigenen Namen geltend macht, bedarf sie hierfür einer besonderen Ermächtigung. Im Wohnungseigentumsrecht hat der Gesetzgeber in § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG für bestimmte Fälle dem Verband die Befugnis zugewiesen bzw. eingeräumt, Rechte der Wohnungseigentümer wahrzunehmen. Insoweit ist zwischen einer sog. geborenen Ausübungskompetenz gem. § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbs. 1 WEG und einer gekorenen Wahrnehmungsbefugnis gem. § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbs. 2 WEG zu unterscheiden. Das Berufungsgericht bejaht zutreffend eine gekorene Ausübungsübungsbefugnis der Klägerin; eine geborene Ausübungsbefugnis scheidet demgegenüber aus.

Rz. 12

aa) Gemäß § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbs. 1 WEG übt der Verband die "gemeinschaftsbezogenen Rechte der Wohnungseigentümer" aus. Gemeinschaftsbezogen im Sinne dieser Vorschrift sind nur Rechte, die im Interesse der Wohnungseigentümer oder aus Gründen des Schuldnerschutzes eine einheitliche Rechtsverfolgung erfordern (vgl. BGH, Urt. v. 24.7.2015 - V ZR 167/14, NJW 2015, 2874 Rz. 12; Urt. v. 17.12.2010 - V ZR 125/10, NJW 2011, 1351 Rz. 9). Hier fehlt es an dieser Voraussetzung bereits deshalb, weil eine gemeinsame Empfangszuständigkeit der geschädigten Wohnungseigentümer nicht gegeben ist. Bei den mit der Klage geltend gemachten Schadensersatzansprüchen der in den Vorprozessen unterlegenen Wohnungseigentümer gegen den Verwalter handelt es sich jeweils um individuelle Ansprüche, die jeder Wohnungseigentümer im Hinblick auf den ihm entstandenen Schaden grundsätzlich alleine und ohne Mitwirkung der anderen Wohnungseigentümer geltend machen kann (vgl. BGH, Beschl. v. 2.10.1991 - V ZB 9/91, BGHZ 115, 253, 258). Insoweit liegt der Fall anders als bei Schadensersatzansprüchen, die auf die Verletzung des Gemeinschaftseigentums gestützt werden. Solche Ansprüche sind im Interesse einer geordneten Verwaltung des Gemeinschaftseigentums einheitlich geltend zu machen (vgl. BGH, Urt. v. 17.12.2010 - V ZR 125/10, NJW 2011, 1351 Rz. 10, s. auch Urt. v. 26.10.2018 - V ZR 328/17, NJW 2019, 1216 Rz. 8 zu Ausnahmen bei einer Anspruchskonkurrenz von Schadensersatz- und Beseitigungsansprüchen).

Rz. 13

bb) Es kommt deshalb nur eine gekorene Ausübungsbefugnis des Verbands in Betracht. Gemäß § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbs. 2 WEG übt der Verband "die sonstigen Rechte der Wohnungseigentümer aus, soweit diese gemeinschaftlich geltend gemacht werden können". Das Berufungsgericht geht zu Recht davon aus, dass die Voraussetzungen dieser Vorschrift vorliegen.

Rz. 14

(1) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist eine gekorene Ausübungsbefugnis des Verbands möglich, wenn die Rechtsausübung durch den Verband dem Gemeinschaftsinteresse förderlich ist (vgl. BGH, Urt. v. 17.12.2010 - V ZR 125/10, NJW 2011, 1351 Rz. 9; Urt. v. 8.2.2013 - V ZR 238/11, NJW 2013, 3092 Rz. 13; Urt. v. 17.10.2014 - V ZR 26/14, NJW 2015, 930 Rz. 21; Urt. v. 5.12.2014 - V ZR 5/14, NJW 2015, 1020 Rz. 7). Ist dies zu bejahen, kann die Wohnungseigentümergemeinschaft - im Unterschied zu den gemeinschaftsbezogenen Ansprüchen - die Rechte der Wohnungseigentümer (in gesetzlicher Prozessstandschaft) unter der weiteren Voraussetzung ausüben, dass sie die Rechtsverfolgung durch Vereinbarung oder Mehrheitsbeschluss an sich gezogen hat (vgl. BGH, Urt. v. 24.7.2015 - V ZR 167/14, NJW 2015, 2874 Rz. 13; Urt. v. 5.12.2014 - V ZR 5/14, NJW 2015, 1020 Rz. 7).

Rz. 15

(2) Eine solche Vergemeinschaftung ist, wovon das Berufungsgericht ohne nähere Erörterung ausgeht, durch den Beschluss der Wohnungseigentümer vom 2.4.2016 erfolgt. Dies ergibt eine Auslegung des Beschlusses, die der Senat selbst vornehmen kann (vgl. BGH, Urt. v. 4.7.2014 - V ZR 183/13, NJW 2014, 2861 Rz. 24; Urt. v. 8.4.2016 - V ZR 104/15, NJW-RR 2016, 985 Rz. 13). Gegen eine Vergemeinschaftung könnte zwar die in dem Beschluss enthaltene Formulierung sprechen, wonach eine Inregressnahme der Beklagten für "alle der WEG" durch die Beklagte verursachte Vermögensschäden, insb. die Gerichts- und Anwaltskosten erfolgen solle. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass es sich "nur" um einen Beschluss gem. § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 WEG handelt, durch den der jetzige Verwalter ermächtigt werden sollte, im Namen der Klägerin die ihr aus eigenem Recht wegen eines eigenen Schadens entstandenen Ansprüche gegen die Beklagte geltend zu machen. Vielmehr sollte erkennbar eine Inanspruchnahme der Beklagten wegen der im Zusammenhang mit den in den Beschlussmängelverfahren entstandenen Prozesskosten ermöglicht werden, ungeachtet der Frage, ob es sich um eigene Ansprüche der Klägerin oder um Individualansprüche der mit den Kosten belasteten Wohnungseigentümer handelte. Dies folgt ferner daraus, dass in der weiter beschlossenen Bevollmächtigung der Verwalterin mit der - auch - gerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche einschränkungslos von "allen entstandenen Vermögensschäden" aus Handlungen der Beklagten die Rede ist. Unschädlich ist, dass in dem Beschluss nicht ausdrücklich ausgesprochen wird, dass die Klägerin die Ausübung der Rechte der Wohnungseigentümer an sich zieht. Hiervon ist bei nächstliegender Auslegung auszugehen (vgl. BGH, Urt. v. 13.10.2017 - V ZR 305/16, NJW 2018, 1254 Rz. 5; Urt. v. 16.5.2014 - V ZR 131/13, NJW 2014, 2640 Rz. 1 und 6).

Rz. 16

(3) Der Beschluss vom 2.4.2016 ist wirksam. Die Wohnungseigentümergemeinschaft kann die individuellen Schadensersatzansprüche der Wohnungseigentümer gegen den Verwalter wegen der ihnen in einem Beschlussmängelverfahren auferlegten Kosten an sich ziehen und im eigenen Namen in gesetzlicher Prozessstandschaft geltend machen. Hiervon ausgenommen sind Schadensersatzansprüche wegen Kosten, die einem Wohnungseigentümer durch die Beauftragung eines eigenen Rechtsanwalts entstanden sind.

Rz. 17

(a) Allerdings setzt nach der Rechtsprechung des Senats grundsätzlich auch eine gekorene Ausübungsbefugnis voraus, dass es sich bei den von dem Verband an sich gezogenen Rechten um solche mit gemeinsamer Empfangszuständigkeit handelt (vgl. BGH, Urt. v. 17.12.2010 - V ZR 125/10, NJW 2011, 1351 Rz. 9). Dies ist beispielsweise bei Beseitigungs- oder Unterlassungsansprüchen wegen Störungen des Gemeinschaftseigentums der Fall (vgl. BGH, Urt. v. 5.12.2014 - V ZR 5/14, BGHZ 203, 327 Rz. 6 f.), während - wie ausgeführt - hier nur Ansprüche der Wohnungseigentümer auf Ersatz des ihnen infolge des Prozessverlusts individuell entstandenen Schadens in Rede stehen.

Rz. 18

(b) Dass hier gleichwohl eine gekorene Ausübungsbefugnis der Klägerin als Verband gegeben und die Rechtsausübung durch den Verband dem Gemeinschaftsinteresse förderlich ist, beruht auf dem besonderen Zusammenhang, in dem die vergemeinschafteten Schadensersatzansprüche gegen den früheren Verwalter stehen.

Rz. 19

(aa) Die mit der Klage geltend gemachten Kosten sind in drei Beschlussmängelverfahren entstanden, die zum Nachteil der dort beklagten Wohnungseigentümer entschieden wurden. Auch wenn die Anfechtungsklage nicht gegen den Verband, sondern gegen die übrigen Wohnungseigentümer zu richten (§ 46 Abs. 1 WEG) und der Verband an diesem Rechtsstreit nicht beteiligt ist, hat der Gesetzgeber das Beschlussanfechtungsverfahren einem Verbandsprozess angenähert (vgl. BGH, Beschl. v. 14.5.2009 - V ZB 172/08, NJW 2009, 2135 Rz. 11; Beschl. v. 15.9.2011 - V ZB 39/11, NJW 2011, 3723 Rz. 5; Urt. v. 5.7.2013 - V ZR 241/12, NJW 2013, 3098 Rz. 14). So ist die Klage nicht jedem einzelnen Wohnungseigentümer, sondern dem Verwalter zuzustellen, der nach § 45 Abs. 1 WEG für die Wohnungseigentümer zustellungsbevollmächtigt ist. Zudem kann der Verwalter nach Erhebung der Beschlussanfechtungsklage (§ 43 Nr. 4 WEG) die beklagten Wohnungseigentümer aufgrund der gesetzlichen Vertretungsmacht gem. § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG im Außenverhältnis umfassend vertreten und einen Rechtsanwalt beauftragen (vgl. BGH Urt. v. 5.7.2013 - V ZR 241/12, NJW 2013, 3098 Rz. 12 ff.). Hieraus folgt, dass dem Verwalter im Zusammenhang mit Beschlussmängelklagen und vergleichbaren Verfahren wie beispielsweise Beschlussersetzungsklagen (§ 21 Abs. 8 WEG) kraft Gesetzes eine bedeutsame Koordinierungsaufgabe zukommt. Dazu gehört, dass er die für die Prozessführung erforderlichen Mittel organisiert, wobei es keinen Unterschied macht, ob der Verwalter die anfallenden Kosten aufgrund eines im Wirtschaftsplan vorgesehenen Mittelansatzes bzw. eines Ermächtigungsbeschlusses aus dem Verwaltungsvermögen entnimmt (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 17.10.2014 - V ZR 26/14, NJW 2015, 930 Rz. 14 ff.) oder aber gesonderte Beschlüsse der Wohnungseigentümer zur Finanzierung der Prozesse herbeiführt. Der Verwalter wird im Gemeinschaftsinteresse tätig, indem er Aufgaben wahrnimmt, die nach der Struktur des Beschlussanfechtungsverfahrens eigentlich den Wohnungseigentümern als beklagte Parteien obliegen.

Rz. 20

(bb) Dieser Gemeinschaftsbezug setzt sich fort, wenn die von den unterlegenen Wohnungseigentümern verauslagten und von dem (früheren) Verwalter beglichenen Prozesskosten im Wege des Schadensersatzes von diesem zurückverlangt werden sollen. Ebenso wie bei dem vorangegangenen Beschlussmängelverfahren handelt es sich zwar auch bei dem Schadensersatzprozess im Ausgangspunkt um eine individuelle Streitigkeit, nunmehr nicht zwischen den Wohnungseigentümern untereinander, sondern zwischen den geschädigten Wohnungseigentümern und dem (früheren) Verwalter. Wenn aber der Verwalter in dem Beschlussmängelverfahren auf Seiten der beklagten Wohnungseigentümer die prozessrechtliche Koordination übernimmt und insoweit im Gemeinschaftsinteresse handelt, indem er insb. einen gemeinsamen Rechtsanwalt beauftragt, ist es auch dem Gemeinschaftsinteresse förderlich, wenn die Wohnungseigentümer einen Schadensersatzanspruch wegen der hierdurch entstandenen Kosten wiederum koordiniert geltend machen. Die Ansprüche müssen zwar nicht, können aber gemeinschaftlich geltend gemacht werden, wenn die Mehrheit der Wohnungseigentümer dies beschließt.

Rz. 21

(cc) Hierfür sprechen auch Gründe der Prozessökonomie. Bei einer einheitlichen Durchsetzung der Ansprüche durch den Verband kann gerade in größeren Wohnungseigentümergemeinschaften eine Zersplitterung der Rechtsdurchsetzung durch eine Vielzahl von Prozessen vermieden werden. Da die die Haftung des Verwalters begründenden Umstände bei allen in dem Beschlussmängelverfahren unterlegenen Wohnungseigentümern identisch sind, wird die Rechtsdurchsetzung der Wohnungseigentümer durch eine einheitliche Prozessführung im Regelfall erheblich erleichtert. Dies hätte, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, wegen der degressiven Ausgestaltung der Gerichts- und Anwaltsgebühren zudem kostenrechtliche Vorteile, die bei einem Unterliegen des in Anspruch genommenen Verwalters auch diesem zugute kommen. Möglichen Besonderheiten, etwa bei einem Eigentumswechsel während des Beschlussmängelverfahrens, kann durch eine entsprechend angepasste Antragstellung Rechnung getragen werden (vgl. dazu Drasdo, NZM 2019, 132, 134, allerdings mit hieraus abgeleiteten Zweifeln an der Gemeinschaftsbezogenheit der Ansprüche; kritisch zu einer Vergemeinschaftung auch Abramenko, ZfIR 2019, 30 f.). Unabhängig davon folgt aus der Kompetenz der Wohnungseigentümer, die Schadensersatzansprüche an sich zu ziehen, nicht zwingend, dass ein Ansichziehen in jedem Fall ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht (vgl. zu der Unterscheidung der Beschlusskompetenz und der Frage der ordnungsmäßigen Verwaltung auch BGH, Urt. v. 8.2.2013 - V ZR 238/11, NJW 2013, 3092 Rz. 20).

Rz. 22

(dd) Eine Vergemeinschaftung scheidet allerdings aus, soweit es sich um Schadenspositionen handelt, die nicht infolge der Übernahme der Prozesskoordination durch den Verwalter entstanden sind, sondern auf einem davon unabhängigen Verhalten eines Wohnungseigentümers beruhen. So liegt es, wenn ein Wohnungseigentümer einen eigenen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Rechte beauftragt, wozu er berechtigt ist (vgl. BGH, Urt. v. 5.7.2013 - V ZR 241/12, NJW 2013, 3098 Rz. 15; s. auch Beschl. v. 16.7.2009 - V ZB 11/09, NJW 2009, 3168 zu § 50 WEG und der Frage der Erstattungsfähigkeit im Kostenfestsetzungsverfahren). Die Geltendmachung dieser Kosten durch den Verband ist dem Gemeinschaftsinteresse nicht förderlich, weil es insoweit an einem Gemeinschaftsbezug in dem vorangegangen Beschlussmängelverfahren fehlt, der sich bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Verwalter fortsetzen könnte. Es handelt sich vielmehr um einen reinen Individualanspruch, der einer Vergemeinschaftung nicht zugänglich ist. Um solche Ansprüche geht es hier allerdings nicht.

Rz. 23

(ee) Demgegenüber steht der Umstand, dass der in den Beschlussanfechtungsverfahren obsiegende Wohnungseigentümer kein Interesse an einer Durchsetzung der den übrigen Wohnungseigentümern wegen der ihnen entstandenen Prozesskosten zustehenden Schadensersatzansprüchen hat, der Annahme einer gekorenen Ausübungsbefugnis des Verbands nicht entgegen. Sie setzt - anders als eine geborene Ausübungsbefugnis - nicht zwingend gleichgerichtete Ansprüche sämtlicher Wohnungseigentümer voraus (vgl. BGH, Urt. v. 15.1.2010 - V ZR 80/09, NJW 2010, 933 Rz. 8; Urt. v. 8.2.2013 - V ZR 238/11, NJW 2013, 3092 Rz. 11). Entgegen der Auffassung der Revision läuft der obsiegende Wohnungseigentümer auch nicht Gefahr, im Falle der Abweisung der Schadensersatzklage gegen den Verwalter an entsprechenden Kosten beteiligt zu werden. Sollte eine solche Klage des Verbandes abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits dem Verband auferlegt werden, müsste dem in dem Beschlussmängelverfahren obsiegenden Eigentümer der ihn treffende Kostenanteil im Rahmen der Jahresabrechnung erstattet und auf die übrigen, unterlegenen Wohnungseigentümer umgelegt werden. Insoweit gilt das Gleiche wie in den Fällen, in denen im Wirtschaftsplan Vorschüsse für die Verteidigung gegen eine Beschlussanfechtungsklage eingestellt und die Prozesskosten aus diesen Mitteln bestritten werden. Auch sie dürfen in den Einzelabrechnungen der Jahresrechnung nur denjenigen Wohnungseigentümern angelastet werden, die tatsächlich vorschusspflichtig waren (vgl. BGH, Urt. v. 17.10.2014 - V ZR 26/14, NJW 2015, 930 Rz. 23).

Rz. 24

(ff) Der Hinweis des Prozessbevollmächtigten der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, einzelne Wohnungseigentümer könnten ein nachvollziehbares Interesse daran haben, den ihnen möglicherweise zustehenden Schadensersatzanspruch gegen den Verwalter nicht geltend zu machen, diese Möglichkeit werde ihnen durch die Vergemeinschaftung genommen, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Da die Wohnungseigentümer auch nach dem Ansichziehen ihrer Ansprüche durch den Verband materiell-rechtlich weiter Inhaber des Anspruchs bleiben (vgl. BGH, Urt. v. 10.7.2015 - V ZR 169/14, NJW 2016, 53 Rz. 9), steht es ihnen frei, mit dem Verwalter hinsichtlich ihres Anspruchs entsprechende Verzichtsvereinbarungen zu treffen; diesen muss der Verband bei der Klageerhebung Rechnung tragen.

III.

Rz. 25

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 13142393

NJW 2019, 3446

NJW 2019, 8

NZM 2019, 636

ZMR 2019, 10

ZMR 2019, 696

ZfIR 2019, 676

JZ 2019, 513

JZ 2019, 517

MDR 2019, 860

WuM 2019, 403

ZWE 2019, 367

MietRB 2019, 205

MietRB 2019, 206

MietRB 2019, 207

NJW-Spezial 2019, 482

RdW 2019, 701

BBB 2019, 52

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