Entscheidungsstichwort (Thema)

Wohnraummiete. Mangel der Mietwohnung. Trittschallschutz. Trittschalldämmung. Beschaffenheitsvereinbarung. Einhaltung maßgeblicher technischer Normen. Bei Errichtung des Gebäudes geltender Maßstab. Umbau. Aufstockung. Zur Zeit des Umbaus geltende DIN-Normen. Anspruch auf erhöhten Trittschallschutz. Änderung der Nutzungsgewohnheiten

 

Leitsatz (amtlich)

Für die Beurteilung der Frage, ob eine Mietwohnung Mängel aufweist, ist in erster Linie die von den Mietvertragsparteien vereinbarte Beschaffenheit der Wohnung, nicht die Einhaltung bestimmter technischer Normen maßgebend.

Fehlt es an einer Beschaffenheitsvereinbarung, so ist die Einhaltung der maßgeblichen technische Normen geschuldet. Dabei ist nach der Verkehrsanschauung grundsätzlich der bei Errichtung des Gebäudes geltende Maßstab anzulegen.

Nimmt der Vermieter bauliche Veränderungen vor, die zu Lärmimmissionen führen können, so kann der Mieter erwarten, dass Lärmschutzmaßnahmen getroffen werden, die den Anforderungen der zur Zeit des Umbaus geltenden DIN-Normen genügen.

Wird ein älteres Wohnhaus nachträglich um ein weiteres Wohngeschoss aufgestockt, so entsteht an der Mietwohnung, die vor der Aufstockung im obersten Wohngeschoss gelegen war, ein Mangel, wenn die Trittschalldämmung der darüber errichteten Wohnung nicht den Anforderungen der im Zeitpunkt der Aufstockung geltenden DIN-Norm an normalen Trittschallschutz genügt. Die Einhaltung der Anforderungen an erhöhten Trittschallschutz kann der Mieter nur dann verlangen, wenn dies mit dem Vermieter vereinbart ist.

 

Normenkette

BGB §§ 535-536

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 30.10.2003; Aktenzeichen 307 S 48/03)

AG Hamburg

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 7, v. 30.10.2003 wird zurückgewiesen.

Auf die Anschlussrevision der Kläger wird das vorbezeichnete Urteil im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Kläger erkannt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Kläger mieteten von den Rechtsvorgängern der Beklagten mit Vertrag v. 28.7.1987 eine Wohnung im dritten Obergeschoss des Anwesens H. Straße in H. . Das direkt über der von den Klägern gemieteten Wohnung gelegene Dachgeschoss des vor dem Jahre 1918 errichteten Hauses war zunächst nicht ausgebaut und wurde lediglich als Abstellraum genutzt. Im Jahr 2001 wurde der Dachboden abgetragen und an seiner Stelle von der Beklagten eine zweigeschossige Wohnung errichtet, die sie als Eigentumswohnung veräußerte.

Seit dem Bezug der neuerrichteten Dachgeschosswohnung, die Ende Oktober 2001 fertig gestellt war, fühlen sich die Kläger durch den von dort ausgehenden Trittschall gestört. Ein von ihnen in Auftrag gegebenes Privatgutachten des Sachverständigen M. ergab einen Normtrittschallpegel von L' = 58,5, der die Grenzwerte der DIN 4109 (Normtrittschallpegel L' ≪ 53 dB bzw. ≪ 46 dB für erhöhten Schallschutz) überschreitet. Der ferner eingeschaltete Sachverständige T. ermittelte in seinem Prüfbericht Nr. 09.2001.02 einen Wert von 57 dB. Die Kläger minderten ab November 2002 die Miete um 20 %.

Mit ihrer Klage begehren die Kläger von den Beklagten die Herstellung eines erhöhten Trittschallschutzes von 46 dB, hilfsweise einen Trittschallschutz von 53 dB. Ferner verlangen sie im Hinblick auf den ihrer Ansicht nach mangelhaften Trittschallschutz Rückzahlung bereits gezahlter Miete und Ersatz der Kosten für das Gutachten des Sachverständigen M. . Widerklagend hat die Beklagte Zahlung der Differenz zwischen der vereinbarten und der geminderten Miete gefordert.

Das AG hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten, mit der sie allein die Entscheidung über die Klage angegriffen hat, hat das LG die Beklagten lediglich zur Herstellung eines Trittschallschutzes von 53 dB verurteilt und die Klage hinsichtlich des verlangten erhöhten Trittschallschutzes abgewiesen. Es hat ferner dem Zahlungsantrag der Kläger stattgegeben. Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie die vollständige Klageabweisung erstrebt. Die Kläger begehren mit ihrer unselbstständigen Anschlussrevision die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung ausgeführt:

Es sei vom Vorliegen eines Mangels der Mietwohnung auszugehen. Maßgebend sei zwar in erster Linie das, was die Parteien als vertragsgemäß vereinbart hätten. Fehle es an entsprechenden Abreden, sei aber die Einhaltung der maßgeblichen technischen Normen geschuldet. Danach seien grundsätzlich die DIN-Normen zu Grunde zu legen, die zur Zeit der Errichtung des Gebäudes galten. Das sei für den nachträglichen Dachgeschossausbau die zu diesem Zeitpunkt gültige DIN-Norm 4109, da die Wohnung über der Wohnung der Kläger erst durch den Ausbau errichtet worden sei. Es komme nicht entscheidend darauf an, ob die bei Anmietung vorhandene einfache Holzbalkendecke baualtersgemäß gewesen sei oder ob der technisch vorhandene Trittschallschutz nach Umbau des Dachgeschosses den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entspreche und besser sei als bei Anmietung des Objekts. Bei Anmietung seien Lärmimmissionen aus der Etage über der Mietwohnung nicht zu befürchten gewesen, weil oberhalb der Wohnung keine weitere Wohnnutzung stattgefunden habe. Die Sollbeschaffenheit des Mietobjekts sei deshalb eine Wohnung ohne störenden Lärmbelästigungen aus dem darüber liegenden Dachgeschoss. Der Mieter dürfe davon ausgehen, dass er auch bei einem späteren Ausbau des Dachgeschosses vor Lärmimmissionen jedenfalls in der Weise geschützt werde, dass die zum Zeitpunkt des nachträglichen Ausbaus geltenden technischen Normen eingehalten würden.

Die Kläger hätten jedoch keinen Anspruch auf Einhaltung der Grenzwerte gemäß den "Empfehlungen für einen erhöhten Schallschutz" nach Beiblatt 2 der DIN 4109. Vorbehaltlich besonderer Vereinbarungen müsse der Mieter die Geräusche hinnehmen, die durch eine vertragsgemäße Nutzung der anderen Wohnungen eines Mehrfamilienhauses entstünden.

Soweit die Beklagte einwende, die Ursache der Lärmimmissionen liege im Gemeinschaftseigentum bzw. im Sondereigentum eines anderen Wohnungseigentümers, führe dies nicht zu einer Unmöglichkeit der Mangelbeseitigung, sondern lediglich dazu, dass die Vornahme der Mangelbeseitigung wegen der Notwendigkeit der Mitwirkung Dritter nicht allein vom Willen der Beklagten abhänge, so dass Zwangsmittel nach § 888 ZPO ausgeschlossen seien, wenn der Schuldner vorher mit der gebotenen Intensität zumindest versucht habe, diese Dritten zur Mitwirkung zu veranlassen. Im Übrigen sei die Trittschalldämmung anders als der Bodenbelag nicht Gegenstand des Sondereigentums, sondern gehöre grundsätzlich zum gemeinschaftlichen Eigentum, wobei die anderen Wohnungseigentümer zumindest zur Duldung der Arbeiten verpflichtet seien.

Den Klägern seien auch die Kosten der Rechtsverfolgung zu ersetzen, weil die Beklagte die Mangelhaftigkeit durch den von ihr veranlassten Umbau schuldhaft herbeigeführt habe. Die klägerseitig vorgenommene Mietminderung von 20 % sei unter Zugrundelegung eines Trittschallschutzes von L' ~ 57 dB angemessen.

II.

Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer rechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.

1. Die Revision der Beklagten hat allerdings in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Berufungsgericht einen Mangel der Mietwohnung i.S.v. § 536 Abs. 1 BGB wegen des nicht ausreichenden Trittschallschutzes bejaht. Ein Mangel ist eine für den Mieter nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustands der Mietsache vom vertraglich vorausgesetzten Zustand (BGH, Urt. v. 16.2.2000 - XII ZR 279/97, MDR 2000, 821 = NJW 2000, 1714, unter A II 2a m.w.N. zur Rspr.; Kraemer in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., III. B Rz. 1344). Maßgeblich sind daher, wie das Berufungsgericht zu Recht ausgeführt hat, die Vereinbarungen der Parteien und nicht in erster Linie die Einhaltung bestimmter technischer Normen. Fehlen jedoch ausdrückliche Parteiabreden zur Beschaffenheit der Mietsache, so ist jedenfalls die Einhaltung der maßgeblichen technischen Normen geschuldet (vgl. KG WuM 1980, 255; LG Berlin GE 1996, 1249; Staudinger/Emmerich, BGB, 2003, § 536 Rz. 27; LG Berlin GE 1996, 677). Dabei ist, wovon auch die Revision zu Recht ausgeht, nach der Verkehrsanschauung grundsätzlich der bei Errichtung des Gebäudes geltende Maßstab anzulegen (BGH, Urt. v. 26.7.2004 - VIII ZR 281/03, WuM 2004, 527; Kraemer in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., III. B Rz. 1338; differenzierend Schmidt-Futterer/Eisenschmid, Mietrecht, 8. Aufl., § 536 Rz. 29 f.).

Entgegen der Auffassung der Revision bedeutet dies jedoch nicht, dass die Kläger keinen höheren Schallschutz verlangen können, als er der Zeit vor 1918 entsprach. Zwar haben die Parteien einen Mietvertrag über eine Wohnung abgeschlossen, die sich in einem vor dem Jahr 1918 errichteten und nicht den aktuellen Schallschutzbestimmungen angepassten Gebäude befindet. Auch trifft den Vermieter grundsätzlich keine Pflicht zur Modernisierung (so auch Schmidt-Futterer/Eisenschmid, Mietrecht, 8. Aufl., § 536 Rz. 30). Wenn der Vermieter jedoch selbst bauliche Veränderungen vornimmt, die zu Lärmimmissionen führen können, kann der Mieter erwarten, dass Lärmschutzmaßnahmen getroffen werden, die den Anforderungen der zur Zeit des Umbaus geltenden DIN-Normen genügen. Die Revision übersieht, dass die Kläger zunächst im obersten bewohnten Stockwerk gewohnt haben, weil der darüber befindliche Dachboden lediglich als Abstellraum genutzt wurde. Durch die Errichtung der zweigeschossigen Wohnung über der Wohnung der Kläger haben sich die Nutzungsgewohnheiten erheblich geändert. Zu Recht führt das Berufungsgericht aus, dass die Wohnung über der Wohnung der Kläger durch den Ausbau erst errichtet worden ist. Dementsprechend sind hinsichtlich des zwischen diesen Wohnungen erforderlichen Trittschallschutzes auch die zum Zeitpunkt des Ausbaus geltenden DIN-Normen die den jeweiligen technischen Mindeststandard wiedergeben (vgl. BGH v. 14.5.1998 - VII ZR 184/97, BGHZ 139, 16 [20] = MDR 1998, 1026), als Vertragsinhalt anzusehen.

Auch der Durchführung einer Ortsbesichtigung bedurfte es entgegen der Ansicht der Revision zur Ermittlung der Lärmbeeinträchtigung nicht. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass der Trittschallpegel in der Wohnung der Kläger den von der DIN 4109 festgelegten Grenzwert jedenfalls um 4 dB überschreitet. Damit steht auch unabhängig von einer Ortsbesichtigung fest, dass der Trittschallschutz nicht ausreichend und folglich die Wohnung der Kläger mit einem Mangel behaftet ist.

Die Kläger waren daher berechtigt, die Miete zu mindern. Die vom Tatrichter für angemessen gehaltene Höhe der Minderung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

2. Dagegen hat die Anschlussrevision der Kläger Erfolg.

Allerdings ergibt sich ein Anspruch der Kläger auf Einbau eines erhöhten Trittschallschutzes von 46 dB entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht schon daraus, dass das Dachgeschoss vor dem Umbau nicht bewohnt war und die Kläger somit "außergewöhnlich störungsfrei" wohnen konnten. Ein Mieter ist nicht davor geschützt, dass in dem Haus, welches er bewohnt, Umbauarbeiten stattfinden. Es bleibt die freie Entscheidung des Vermieters, ob er solche Arbeiten durchführen und zum Beispiel das Dachgeschoss ausbauen lässt. Einen Anspruch auf erhöhten Schallschutz hat der Mieter nur dann, wenn dies mit dem Vermieter vereinbart ist. Ob dies hier der Fall war, ist zwischen den Parteien streitig. Die Anschlussrevision weist mit Recht darauf hin (§ 286 ZPO), dass die Kläger unter Benennung von Zeugen eine solche Vereinbarung behauptet haben. Diesen Beweisangeboten hätte das Berufungsgericht nachgehen müssen, um zu klären, ob die Kläger Anspruch auf erhöhten Schallschutz haben.

Zur Klärung dieser Frage und Durchführung der dazu erforderlichen Beweisaufnahme ist das Berufungsurteil daher auf die Anschlussrevision der Kläger aufzuheben, soweit die Klage auf erhöhten Schallschutz abgewiesen worden ist, und die Sache ist insoweit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1261811

NJW 2005, 218

BGHR 2005, 225

DWW 2005, 37

IBR 2005, 57

NZM 2005, 60

ZAP 2005, 112

ZMR 2005, 108

JuS 2005, 264

MDR 2005, 743

WuM 2004, 715

BrBp 2005, 122

Info M 2005, 22

MietRB 2005, 32

NJW-Spezial 2005, 51

RdW 2005, 122

ZGS 2004, 404

AIM 2004, 238

BBB 2005, 53

JWO-MietR 2004, 329

MK 2005, 7

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt VerwalterPraxis. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge