Entscheidungsstichwort (Thema)

Mangels kommunalaufsichtlicher Genehmigung unwirksamer Schuldbeitritt eine Gemeinde. Haftung aus Geschäftsführung ohne Auftrag. Persönliche Haftung aus Vertretung ohne Vertretungsmacht des Gemeindevertreters ausgeschlossen

 

Leitsatz (amtlich)

a) Zur Haftung einer Gemeinde nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag, wenn sie ein Rechtsgeschäft - hier: Schuldbeitritt und treuhänderische Verwahrung eines Schecks - abschließt, das mangels der erforderlichen kommunalaufsichtlichen Genehmigung (schwebend) unwirksam ist.

b) Für ein solches Rechtsgeschäft kommt im Fall, dass die Kommunalaufsicht die Genehmigung verweigert, eine persönliche Haftung des für Gemeinde handelnden Bürgermeisters unter dem Gesichtspunkt der Vertretung ohne Vertretungsmacht nicht in Betracht.

 

Normenkette

DDR-KomVerf § 45 Abs. 2; BGB § 179 Abs. 1, §§ 667, 681 S. 2

 

Verfahrensgang

OLG Rostock (Urteil vom 12.12.2001)

LG Stralsund

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des OLG Rostock - 5. Zivilsenat - v. 12.12.2001 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Vermögensverwaltungsgesellschaft H.-J. R. Sch. GmbH & Co. KG (im Folgenden VVG) errichtete in dem Gebiet der zweitbeklagten Gemeinde ein Wohn- und Pflegeheim für Senioren. In diesem Zusammenhang beauftragte sie die damals in Gründung befindliche P. Erschließungs-, Ver- und Entsorgungsgesellschaft mbH (im Folgenden PEVEG) mit Vertrag v. 13.6.1993, das betreffende Grundstück zu erschließen. Für diese Leistung versprach die VVG der PEVEG eine Vergütung i. H. v. 777.000 DM zuzüglich Umsatzsteuer. Die Beklagte zu 2) stimmte dem Erschließungsvertrag am 21.6.1993 zu.

Am 1.7.1993 einigten sich die VVG, die PEVEG und die Klägerin, die Komplementärin der VVG, auf ein Ergänzungsprotokoll zum Erschließungsvertrag v. 13.6.1993. Darin hieß es u. a., die VVG sei berechtigt, die Rechte und Pflichten aus dem Erschließungsvertrag auf die Klägerin zu übertragen.

Am 1.9.1993 vereinbarten die VVG, die PEVEG und die Beklagte zu 2), vertreten durch die Beklagte zu 1), ihre damalige Bürgermeisterin, einen "2. Nachtrag zum Erschließungsvertrag". Dort war bestimmt, die Beklagte zu 2) trete dem Erschließungsvertrag v. 13.6.1993/21.6.1993 und dem Ergänzungsprotokoll v. 1.7.1993 auf Seiten der PEVEG bei. Ferner übernahm die Beklagte zu 2) gegenüber der VVG und der Klägerin die "Verpflichtung und Haftung", dass die Bauarbeiten an dem Seniorenheim ab dem 30.9.1993 nicht mehr durch Erschließungsarbeiten behindert und die Erschließungsarbeiten bis zum 1.1.1994 so abgeschlossen sein würden, dass ein Betrieb des Seniorenheims ohne erhebliche Einschränkungen möglich sei. Weiter lautete der zweite Nachtrag:

"Die VVG bzw. W. ≪= Klägerin≫ erfüllen sofort ihre Zahlungsverpflichtung bis zum 30.8.1993 gegenüber der PEVEG. Alle darüber hinaus noch ausstehenden Kosten auf Grund des Erschließungsvertrages zahlt die VVG bzw. W. mit schuldbefreiender Wirkung an die Gemeinde P. ≪= Beklagte zu 2)≫. Die Gemeinde P. zahlt dann entsprechend nach Baufortschritt die entsprechenden Beträge an die PEVEG."

Die Beklagten unterrichteten weder die VVG noch die Klägerin, dass diese Vereinbarung, um wirksam zu werden, der Genehmigung durch die Kommunalaufsicht bedurfte.

In Vollzug des zweiten Nachtrages übersandte die Klägerin der Beklagten zu 2) zwei von ihr ausgestellte Orderschecks über je 167.540,62 DM als vierte Rate für September 1993 und fünfte Rate für Oktober 1993 sowie einen weiteren Scheck über 89.355 DM für die Schlusszahlungsrate (Schreiben der Klägerin an die Beklagte zu 2) v. 10.9.1993). Weil die Erschließungsarbeiten dann aber nicht so vorangingen, wie es die VVG und die Klägerin erwarteten, untersagten sie der Beklagten zu 2) mit Anwaltsschreiben v. 28.10.1993 die Weiterleitung der Schecks für die Oktober- und die Schlusszahlungsrate. In einem weiteren Anwaltsschreiben v. 25.11.1993 erklärten sie, die Schecks könnten nicht zu Gunsten der PEVEG freigegeben werden, und baten die Beklagte zu 2) zu bestätigen, dass sie die Schecks so lange verwahren werde, bis die Freigabe erfolgt sei. Die Beklagte zu 2), vertreten durch die Beklagte zu 1), sagte daraufhin mit Schreiben v. 30.11.1993 zu, dass die Schecks erst nach Freigabe durch die Klägerin oder deren Anwälte weitergereicht würden.

Anfang Dezember 1993 übergab die Beklagte zu 1) der PEVEG den Orderscheck für die Oktoberrate, ohne dass die Klägerin oder deren Anwälte das gestattet hätten. Die PEVEG löste den Scheck ein; sie befindet sich mittlerweile in Liquidation.

Der Landrat des Landkreises N. versagte mit Bescheid v. 21.11.1994 die kommunalaufsichtliche Genehmigung für den zweiten Nachtrag v. 1.9.1993.

Die Klägerin macht geltend, die Beklagte zu 2), vertreten durch die Beklagte zu 1), habe den ihr treuhänderisch überlassenen Scheck nicht an die PEVEG weitergeben dürfen. Die PEVEG habe den Scheck eingezogen, ohne entsprechende Erschließungsleistungen erbracht zu haben. Die Klägerin beansprucht von den Beklagten - aus eigenem wie aus abgetretenem Recht der VVG - Ersatz des Scheckbetrages i. H. v. 167.540,62 DM nebst Zinsen.

Nachdem die PEVEG insolvent geworden war, übernahm das Amt A. die weitere Erschließung; es forderte von der C. Immobilien GmbH Objekt P. & Co. Betriebs KG (im folgenden C.), die inzwischen das Seniorenheim von der Klägerin erworben hatte, einen Erschließungsbeitrag. Die Klägerin besorgt, ihrerseits von C. auf Erstattung des Erschließungsbeitrages in Anspruch genommen zu werden. Sie begehrt deswegen hilfsweise Freistellung gegenüber den Ansprüchen von C.

LG und Berufungsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin das Zahlungsbegehren nebst Hilfsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt:

Vertragliche Ansprüche stünden der Klägerin nicht zu. Der zwischen der VVG und der Beklagten zu 2) geschlossene zweite Nachtrag v. 1.9.1993 zum Erschließungsvertrag v. 13.6.1993 sei nicht wirksam geworden, weil die kommunalaufsichtliche Genehmigung versagt worden sei. Die Erklärung der Beklagten zu 2) in dem Schreiben v. 30.11.1993, die Schecks erst nach Freigabe durch die Klägerin oder deren Anwälte an die PEVEG weiterreichen zu wollen, enthalte keine eigenständige Verpflichtung; sie sei ebenso wie der zweite Nachtrag nicht wirksam geworden.

Amtshaftung (§ 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG) der Beklagten zu 2) scheide aus, weil diese bei dem Abschluss des zweiten Nachtrages, bei der Bestätigung v. 30.11.1993 und bei der Übergabe des Schecks an die PEVEG nicht hoheitlich gehandelt habe.

Ansprüche gem. § 823 Abs. 1 BGB scheiterten daran, dass kein absolut geschütztes Recht verletzt worden sei. Bezüglich der §§ 823 Abs. 2 (i. V. m. §§ 246, 266 StGB), 826 BGB seien die subjektiven Tatbestandsmerkmale nicht gegeben.

Jedenfalls fehle es an einer wirtschaftlichen Schlechterstellung als Voraussetzung eines vertraglichen, deliktischen oder bereicherungsrechtlichen Anspruchs. Die Klägerin habe nicht dargetan, dass dem Wert des an die PEVEG weitergereichten Schecks keine entsprechenden Erschließungsleistungen der PEVEG gegenübergestanden hätten.

II.

Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Prüfung in entscheidenden Punkten nicht stand.

1. Das Berufungsgericht hat allerdings einen Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 2) wegen Verletzung einer ihr nach dem zweiten Nachtrag obliegenden vertraglichen Pflicht zutreffend verneint.

a) Ein solcher Schadensersatzanspruch scheitert nicht daran, dass die Klägerin nicht Vertragspartei des zweiten Nachtrages war. Der zwischen der VVG, der PEVEG und der Beklagten zu 2) vereinbarte zweite Nachtrag kann als Vertrag zu Gunsten der Klägerin als Dritter aufgefasst werden, weil sie dort mit der - vertragsschließenden - VVG in eins gesetzt worden ist ("VVG und W. " "VVG bzw. W."). Das spricht für eine unmittelbare Anspruchsberechtigung der Klägerin (§ 328 Abs. 1 BGB). Jedenfalls hätte sie auf Grund der Abtretung v. 10.4.1995 die Schadensersatzansprüche der VVG erlangt.

b) Die Beklagte zu 2) schuldet keinen Schadensersatz wegen Verletzung vertraglicher Pflichten aus dem zweiten Nachtrag, weil diese Vereinbarung mangels kommunalaufsichtlicher Genehmigung nicht wirksam geworden ist.

aa) § 45 Abs. 2 S. 1 des - 1993 in Mecklenburg-Vorpommern noch geltenden - Gesetzes über die Selbstverwaltung der Gemeinden und Landkreise in der DDR (Kommunalverfassung) v. 17.5.1990 (GBl. DDR I, S. 255, DDR-KomVerf) bestimmt, dass die Gemeinde Bürgschaften und Verpflichtungen aus Gewährverträgen nur zur Erfüllung ihrer Aufgaben übernehmen darf. Die Rechtsgeschäfte bedürfen der Genehmigung der Rechtsaufsichtsbehörde, soweit sie nicht im Rahmen der laufenden Verwaltung abgeschlossen werden (§ 45 Abs. 2 S. 2 DDR-KomVerf). Die Vorschrift gilt sinngemäß für Rechtsgeschäfte, die den in § 45 Abs. 2 DDR-KomVerf genannten Rechtsgeschäften wirtschaftlich gleichkommen, insbesondere für die Zustimmung zu Rechtsgeschäften Dritter, aus denen der Gemeinde in künftigen Haushaltsjahren Verpflichtungen zur Leistung von Ausgaben erwachsen können (§ 45 Abs. 3 DDR-KomVerf).

bb) Der zweite Nachtrag v. 1.9.1993 war ein nach § 45 Abs. 2 DDR-KomVerf genehmigungsbedürftiges Rechtsgeschäft. Es handelte sich um einen Gewährvertrag i. S. d. § 45 Abs. 2 S. 1 DDR-KomVerf, d. h. um eine Verpflichtung der Gemeinde, für einen bestimmten Erfolg oder die bestimmte Verpflichtung eines anderen einzustehen (vgl. Schmidt-Eichstaedt/Petzold/Melzer/Penig/Plate/Richter, DDR-KomVerf, 1990, § 45 Anm. 3; Deiters/Schörken in Darsow/Gentner/Glaser/Meyer, Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommern, 2. Aufl., 1999, § 58 Anm. 1). Denn nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hatte die Beklagte zu 2) in dem zweiten Nachtrag gegenüber der VVG die Haftung für die Erfüllung des Erschließungsvertrages v. 13.6.1993 durch die PEVEG übernommen.

Die Revision will demgegenüber allein auf die im zweiten Nachtrag weiter vorgesehene Verpflichtung der Beklagten zu 2 abstellen, den von "VVG bzw. W." per Scheck an sie gezahlten Werklohn "entsprechend nach Baufortschritt ≪in≫ ... entsprechenden Beträge≪n≫ an die PEVEG" zu zahlen. Diese treuhänderische Verpflichtung habe nicht dem Genehmigungserfordernis unterlegen und deshalb wirksam vereinbart werden können.

Der Auffassung der Revision ist nicht beizutreten.

Zum einen dürfte die vorgenannte treuhänderische Verpflichtung der Beklagten zu 2) einem Gewährvertrag wirtschaftlich gleichkommen und daher - auch für sich genommen - nach § 45 Abs. 3 DDR-KomVerf genehmigungspflichtig sein. Denn die Beklagte zu 2) sollte als "neutrale Zahlstelle" sicherstellen, dass die PEVEG den von der VVG zu zahlenden Werklohn nur Zug um Zug gegen entsprechende Erschließungsleistungen erhielt. Im Fall einer schuldhaften Verletzung dieser Verpflichtung haftete die Beklagte zu 2) der VVG auf Schadensersatz.

Zum anderen ist der zweite Nachtrag als einheitliches Rechtsgeschäft anzusehen, das wegen der - von der Revision nicht bezweifelten - Gewährübernahme für die Vertragserfüllung durch die PEVEG insgesamt genehmigungsbedürftig und damit schwebend unwirksam war (vgl. § 139 BGB). Es ist nicht davon auszugehen, dass die vertragsschließenden Parteien den zweiten Nachtrag auch nur als Treuhandabrede - ohne die rechtlich und wirtschaftlich viel bedeutendere Übernahme sämtlicher Verpflichtungen der PEVEG aus dem Erschließungsvertrag v. 13.6.1993 durch die Beklagte zu 2), insbesondere die Übernahme der "Verpflichtung und Haftung gegenüber VVG und W." für die termingerechte Erledigung der Erschließung durch die PEVEG - vereinbart hätten. Sie haben ihren Einheitlichkeitswillen vielmehr dadurch bezeugt, dass sie die Regelungen in einer Urkunde niedergelegt haben (vgl. BGHZ 54, 71 [72]). Gegenteilige Feststellungen hat das Berufungsgericht nicht getroffen; insoweit übergangener Parteivortrag wird von der Revision nicht nachgewiesen.

cc) Der zweite Nachtrag war nicht deshalb genehmigungsfrei, weil er im Rahmen der laufenden Verwaltung abgeschlossen worden wäre (§ 45 Abs. 2 S. 2 a. E. DDR-KomVerf).

Ein Rechtsgeschäft der laufenden Verwaltung liegt vor, wenn es in mehr oder weniger regelmäßiger Wiederkehr vorkommt und zugleich nach Größe, Umfang der Verwaltungstätigkeit und Finanzkraft der beteiligten Gemeinde von sachlich weniger erheblicher Bedeutung ist (vgl. BGH, Urt. v. 20.9.1984 - III ZR 47/83, BGHZ 92, 164, [173 f.] = MDR 1985, 298; Urt. v. 16.11.1978 - III ZR 81/77, NJW 1980, 117; v. 6.7.1995 - III ZR 176/94, MDR 1995, 1079 = NJW 1995, 3389 [3390]). Davon kann nach dem festgestellten Sachverhalt nicht ausgegangen werden. Der zweite Nachtrag betraf - außer dem mit der Gewähr für die Vertragserfüllung durch die PEVEG verbundenen erheblichen Risiko - die treuhänderische Abwicklung von Zahlungen für Erschließungsarbeiten im Wert von ca. 420.000 DM durch eine Gemeinde in Nordvorpommern. Demgegenüber fällt nicht ins Gewicht, dass die Erledigung des Treuhandauftrages für die Beklagte zu 2) keinen erheblichen Verwaltungsaufwand mit sich brachte, wie die Revision vorbringt.

dd) Das Genehmigungserfordernis entfiel nicht mit dem In-Kraft-Treten der Kommunalverfassung für das Land Mecklenburg-Vorpommern v. 18.2.1994 (GVOBl. S. 249), die an die Stelle des Gesetzes über die Selbstverwaltung der Gemeinden und Landkreise in der DDR (Kommunalverfassung) v. 17.5.1990 trat. § 58 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1 und 2 der Kommunalverfassung für das Land Mecklenburg-Vorpommern v. 18.2.1994 trifft eine § 45 Abs. 2 und 3 DDR-KomVerf im Wesentlichen entsprechende Regelung.

ee) Das Fehlen der nach § 45 Abs. 2 S. 2 DDR-KomVerf erforderlichen Genehmigung der Rechtsaufsichtsbehörde führt dazu, dass das betreffende Rechtsgeschäft bis zur Erteilung der Genehmigung schwebend unwirksam ist (BGH v. 10.6.1999 - IX ZR 409/97, BGHZ 142, 51 [53] = MDR 1999, 1280); mit der Versagung der Genehmigung wird es endgültig unwirksam (vgl. BGH v. 15.10.1992 - IX ZR 43/92, MDR 1993, 693 = NJW 1993, 648 [650]). Der - nicht genehmigte - zweite Nachtrag v. 1.9.1993 konnte mithin keine vertraglichen Pflichten für die Beklagte zu 2) begründen.

2. Entsprechendes gilt für die dem zweiten Nachtrag folgenden Absprachen zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 2), insbesondere für die Erklärung der Beklagten zu 2) in dem Schreiben v. 30.11.1992. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts handelte es sich um Verpflichtungen ohne eigenständige Bedeutung, die das Schicksal des zweiten Nachtrages teilten, also ebenfalls schwebend unwirksam waren. Auch aus ihnen kann die Klägerin folglich nichts herleiten.

3. Das Berufungsgericht hat indes nicht berücksichtigt, dass nach dem für die revisionsrechtliche Prüfung maßgeblichen Sachverhalt ein - auf die Klägerin übergegangener - Schadensersatzanspruch der VVG gegen die Beklagte zu 2 wegen Nichterfüllung (§ 280 Abs. 1 BGB a.F.) eines Herausgabeanspruchs nach den Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 681 S. 2, 667 BGB) nicht verneint werden kann.

a) In der Rechtsprechung des BGH ist anerkannt, dass im Falle der Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts wegen eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten auf die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag zurückgegriffen werden kann. Der Umstand, dass sich der Geschäftsführer zur Leistung verpflichtet hat bzw. für verpflichtet hält, steht dem nicht entgegen (BGH v. 10.10.1996 - III ZR 205/95, MDR 1997, 164 = NJW 1997, 47 [48] m. w. N.). Entsprechendes muss gelten, wenn - wie im Streitfall - das Rechtsgeschäft infolge einer fehlenden behördlichen Genehmigung zunächst schwebend unwirksam, nach Versagung der Genehmigung endgültig unwirksam ist.

b) Die Beklagte zu 2) erledigte auftragslos (§ 677 BGB) ein Geschäft der VVG, indem sie die - von der Klägerin für die VVG geleisteten - Scheckzahlungen entgegennahm und an die PEVEG weiterleitete zum Ausgleich von deren (angeblicher) Vergütungsforderung gegen die VVG.

c) Als Geschäftsführerin ohne Auftrag war die Beklagte zu 2) gegenüber der VVG verpflichtet, alles, was sie zur Ausführung der Geschäftsführung erhalten hatte, herauszugeben (§§ 681 S. 2, 667 Alt. 1 BGB).

Zu den Gegenständen, die der Beauftragte - entsprechendes gilt für den Geschäftsführer ohne Auftrag - zur Ausführung des Auftrags erhalten hat, gehören nicht nur solche, die von vornherein dafür vorgesehen sind, in Natur zurückgegeben zu werden, sondern auch diejenigen (insbesondere Geld-)Mittel, die dafür bestimmt sind, in Ausführung des Auftrages verbraucht zu werden. Sind diese Mittel beim Beauftragten noch vorhanden oder sind sie tatsächlich nicht zu dem vorgesehenen Zweck verwendet worden, muss er sie nach § 667 Alt. 1 BGB zurückgeben. Dabei trägt der Beauftragte die Beweislast dafür, dass ein ihm zur Ausführung des Auftrags zugewendeter Geldbetrag bestimmungsgemäß verwendet worden ist. Ist - wie hier - die der Zahlung zu Grunde liegende (Treuhand-)Vereinbarung unwirksam, so ist, wenn der Geschäftsherr nach §§ 681 S. 2, 667 Alt. 1 BGB bereits verbrauchtes Geld herausverlangt, die Frage, ob er die Weitergabe des Geldes gegen sich gelten lassen muss, nach Maßgabe eben dieser nichtigen Abreden zu beurteilen (BGH v. 10.10.1996 - III ZR 205/95, MDR 1997, 164 = NJW 1997, 47 [48]).

Ob die VVG - und damit die Klägerin - die Weiterleitung des der Beklagten zu 2) für die fünfte Rate (Oktober 1993) überlassenen Schecks durch diese an die PEVEG als geschäftsführungsgemäß gegen sich gelten lassen muss, richtet sich somit nach dem - unwirksamen - zweiten Nachtrag in Verbindung mit den Schreiben v. 25. und 30.11.1993. Darin war verabredet, dass die Beklagte zu 2) die von "VVG bzw. W." erhaltenen Schecks erst nach Freigabe durch die Klägerin oder deren Anwälte an die PEVEG weiterreichen sollte. Die Beklagte zu 2) verwandte den für die Oktoberrate empfangenen Scheck nicht entsprechend dieser Bestimmung. Sie hat ihn unstreitig an die PEVEG weitergegeben, ohne dass die Klägerin oder deren Anwälte die Freigabe erklärt hatten.

d) Die Beklagte zu 2) schuldet Schadensersatz, weil sie den nicht geschäftsführungsgemäß verwandten Scheck nicht herausgeben kann (§ 280 Abs. 1 BGB a.F.).

Der Schaden der VVG liegt darin, dass die Beklagte zu 2) den ihr - von der Klägerin für die VVG - überlassenen Scheck an die PEVEG weitergereicht und diese den Scheck sogleich eingezogen hat.

Soweit durch die Einlösung des Schecks eine entsprechende Verbindlichkeit der VVG aus dem mit der PEVEG geschlossenen Erschließungsvertrag getilgt worden wäre, handelte es sich um auf den Schaden anrechenbare Vorteile. Die Darlegungs- und Beweislast trägt insoweit der Ersatzpflichtige (vgl. BGH v. 24.4.1985 - VIII ZR 95/84, BGHZ 94, 195 [217]; v. 18.11.1999 - IX ZR 153/98, MDR 2000, 419 = NJW 2000, 734 [736]). Somit hatte entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hier die Beklagte zu 2) darzulegen und ggf. zu beweisen, dass der PEVEG nach dem Stand der Erschließungsarbeiten gegen die VVG ein Werklohnanspruch in Höhe des Scheckbetrages zustand und durch die Einlösung des Schecks getilgt wurde. Das Berufungsgericht wird den Parteivortrag auf der Grundlage dieser Beweislastverteilung neu zu würdigen haben. In diesem Zusammenhang wird es auch der Rüge der Revision nachzugehen haben, nach dem Erschließungsvertrag seien die Raten vom jeweiligen Bautenstand abhängig und erst nach ordnungsgemäßer Rechnungslegung durch die PEVEG und Freigabevermerk durch das Ingenieurbüro A. & L. fällig gewesen.

4. Das Berufungsgericht hat weiter nicht berücksichtigt, dass sich die Klägerin auf einen übergegangenen Schadensersatzanspruch der VVG gegen die Beklagte zu 2) wegen Verschuldens bei Vertragsschluss stützen kann.

a) Körperschaften des öffentlichen Rechts können für ein Fehlverhalten ihrer Organe einer Haftung nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsschluss unterliegen (vgl. BGH v. 20.9.1984 - III ZR 47/83, BGHZ 92, 164 [175] = MDR 1985, 298; v. 10.6.1999 - IX ZR 409/97, BGHZ 142, 51 [60 f., 63] = MDR 1999, 1280; v. 6.6.2000 - XI ZR 235/99, MDR 2000, 1247 = WM 2000, 1840). Dementsprechend muss die zweitbeklagte Gemeinde für ein Fehlverhalten der Beklagten zu 1) als ihrer damaligen Bürgermeisterin beim Abschluss des zweiten Nachtrages gem. §§ 31, 89 BGB einstehen und kann auf Ersatz des Vertrauensinteresses in Anspruch genommen werden.

Die Beklagte zu 2), handelnd durch die Beklagte zu 1), erweckte fahrlässig bei der VVG das Vertrauen, sie habe im zweiten Nachtrag wirksam die Gewähr für die Erfüllung des Erschließungsvertrages durch die PEVEG übernommen und sich wirksam verpflichtet, die von der VVG an sie zu leistenden Zahlungen entsprechend dem Baufortschritt an die PEVEG weiterzuleiten. Denn sie unterzeichnete den zweiten Nachtrag ohne Hinweis auf die noch fehlende Genehmigung der Kommunalaufsicht. Sie hätte aber - besser als die VVG - die für sie geltenden Beschränkungen im Privatrechtsverkehr mit Dritten kennen müssen (vgl. BGH v. 10.6.1999 - IX ZR 409/97, BGHZ 142, 51 [61] = MDR 1999, 1280). Obwohl sie damit hätte rechnen müssen, dass der zweite Nachtrag nicht mehr als Geschäft der laufenden Verwaltung angesehen werden und deshalb dem Genehmigungsvorbehalt des § 45 Abs. 2 S. 2 DDR-KomVerf unterfallen könnte, hat sie weder die VVG noch die Klägerin bei Abschluss des zweiten Nachtrages und auch nicht in der Folgezeit - bei der Entgegennahme der Schecks oder bei der Bestätigung v. 30.11.1993, die Schecks würden erst nach Freigabe durch die Klägerin oder deren Bevollmächtigte an die PEVEG weitergegeben - über die Möglichkeit eines Genehmigungserfordernisses aufgeklärt.

b) Der Schadensersatzanspruch wegen Verschuldens bei Vertragsschluss ist auf den Ersatz des Vertrauensschadens gerichtet; er kann im konkreten Einzelfall das Erfüllungsinteresse erreichen, unter Umständen sogar übersteigen (BGH v. 10.6.1999 - IX ZR 409/97, BGHZ 142, 51 [62] = MDR 1999, 1280; v. 6.6.2000 - XI ZR 235/99, MDR 2000, 1247 = WM 2000, 1840 [1841]; v. 6.4.2001 - V ZR 394/99, MDR 2001, 929 = BGHReport 2001, 585). Der - auf die Klägerin übergegangene - Schadensersatzanspruch der VVG gegen die Beklagte zu 2) ging demnach dahin, im Wege des Schadensersatzes so gestellt zu werden, als ob die Beklagte zu 2) nicht das Vertrauen erweckt hätte, der zweite Nachtrag sei wirksam geschlossen.

Hätte die Beklagte zu 2) die VVG pflichtgemäß darauf hingewiesen, dass der zweite Nachtrag mangels kommunalaufsichtlicher Genehmigung noch (schwebend) unwirksam sei, hätte Letztere keine Scheckzahlungen an die Beklagte zu 2) geleistet. Der VVG ist demnach, was das Berufungsgericht nicht beachtet hat, ein Schaden wohl schon durch die - von der Klägerin für sie erledigte - Scheckzahlung an die Beklagte zu 2), spätestens durch die Weitergabe des Schecks durch die Beklagte zu 2) an die PEVEG entstanden. Zur Frage der Vorteilsausgleichung kann auf die Ausführungen zum Schadensersatzanspruch nach den §§ 681 S. 1, 667 Alt. 1, 280 Abs. 1 BGB a.F. verwiesen werden.

5. Die - endgültige - Abweisung der Klage gegen die Beklagte zu 1) hält der rechtlichen Prüfung ebenfalls nicht stand.

a) Die Beklagte zu 1) trifft allerdings nicht, wie die Revision meint, eine Haftung als Vertreter ohne Vertretungsmacht (§ 179 Abs. 1 BGB).

Die Beklagte zu 1) hat die Beklagte zu 2) beim Abschluss des zweiten Nachtrages wirksam vertreten (§ 27 Abs. 1 S. 2 DDR-KomVerf; BGH v. 17.4.1997 - III ZR 98/96, WM 1997, 2410 [2411 f.]). Es besteht insbesondere kein Anhalt, dass die Vertretungsmacht nicht gegeben gewesen wäre, weil kommunalrechtliche "Formvorschriften" missachtet worden wären (BGH v. 10.5.2001 - III ZR 111/99, BGHZ 147, 381 [383 f.] = MDR 2001, 1053 = BGHReport 2001, 591). Das Erfordernis der Genehmigung durch die Kommunalaufsicht (§ 45 Abs. 2 DDR-KomVerf) führt nicht zu einer Einschränkung der Vertretungsbefugnis des Bürgermeisters. Anders als bei einem Vertretungsmangel kann das Fehlen einer Genehmigung nach § 45 Abs. 2 DDR-KomVerf nicht durch die Genehmigung der von dem Bürgermeister vertretenen Gemeinde geheilt werden. Soweit bestimmte Rechtsgeschäfte der Gemeinde - wie hier der zweite Nachtrag - der kommunalaufsichtlichen Genehmigung bedürfen - und bis zu deren Erteilung (schwebend) unwirksam sind -, ist vielmehr eine Beschränkung der Rechtsmacht der Gemeinde, sich selbstständig rechtsgeschäftlich verpflichten zu können, anzunehmen. Diesbezüglich ist weder die unmittelbare noch die entsprechende Anwendung des Vertretungsrechts (§§ 177 ff BGB) eröffnet.

b) Indes ist eine Haftung der Beklagten zu 1) wegen Amtspflichtverletzung (§ 839 BGB) beim derzeitigen Sachstand nicht auszuschließen.

Die Beklagte zu 1) war als - haupt- oder ehrenamtliche - Bürgermeisterin Beamtin im staatsrechtlichen Sinne. Sie handelte beim Abschluss des zweiten Nachtrages und bei den folgenden Abreden mit der Beklagten zu 2) mit der VVG und der Klägerin im fiskalischen Bereich, so dass eine Haftungsübernahme nach Art. 34 S. 1 GG ausscheidet.

aa) Die Beklagte zu 1) verletzte eine ihr gegenüber der VVG obliegende Amtspflicht. Sie war nicht nur im Interesse der Allgemeinheit, sondern auch in dem der Vertragspartner der Gemeinde verpflichtet, sich zu vergewissern, welche Verträge zu ihrer Wirksamkeit die Genehmigung der Aufsichtsbehörde - und eine entsprechende Unterrichtung der Gegenseite - erforderten. Hiergegen verstieß die Beklagte zu 1), indem sie den zweiten Nachtrag ohne Hinweis auf dessen Genehmigungspflichtigkeit unterzeichnete und auf diese Weise bei der VVG den - auch später nicht ausgeräumten - Eindruck erweckte, der Vertrag sei damit wirksam geschlossen.

Amtspflichtwidrig war es ferner, dass die Beklagte zu 1) den der Beklagten zu 2) überlassenen Scheck - entgegen ihrer eigenen Zusage - an die PEVEG weiterreichte, ohne dass die Klägerin oder deren Anwälte die Freigabe erklärt hatten. Auf die Wirksamkeit des zweiten Nachtrages und der hierzu in den Schreiben v. 25. und 30.11.1993 getroffenen Abreden kommt es insoweit nicht an.

bb) Bei Anwendung des objektivierten Sorgfaltsmaßstabs, der im Rahmen des § 839 Abs. 1 BGB gilt und nach dem es für die Beurteilung des Verschuldens auf die Kenntnisse und Fähigkeiten ankommt, die für die Führung des übernommenen Amtes im Durchschnitt erforderlich sind (BGH v. 10.5.2001 - III ZR 111/99, BGHZ 147, 381 [392] = MDR 2001, 1053 = BGHReport 2001, 591), kann ein Verschulden der Beklagten zu 1) nach dem im Revisionsverfahren zu Grunde zu legenden Sachverhalt nicht verneint werden. Als Bürgermeisterin hatte sie sich bei Amtsantritt über die kommunalrechtlichen Vorschriften zu unterrichten; sie hätte beim Abschluss des zweiten Nachtrages die kommunalaufsichtlichen Genehmigungserfordernisse im Blick haben und in geeigneter Weise verhindern müssen, dass die VVG auf die (sofortige) Wirksamkeit des Vertrages vertraute.

Dass der Scheck nicht an die PEVEG weitergegeben werden durfte, solange die Klägerin oder deren Anwälte nicht eingewilligt hatten, war für die Beklagte zu 1) ohne weiteres erkennbar.

cc) Nach dem für die rechtliche Prüfung maßgeblichen Sachverhalt ist davon auszugehen, dass die Amtspflichtverletzung der Beklagten zu 1) zu einem Schaden der VVG führte. Insoweit ist auf die Ausführungen zum - auf die Klägerin übergegangenen - Schadensersatzanspruch der VVG gegen die Beklagte zu 2) zu verweisen.

Dem Schadensersatzanspruch wegen Amtspflichtverletzung könnte allerdings das Verweisungsprivileg des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB entgegenstehen. Denn auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts kann lediglich fahrlässiges Verschulden der Beklagten zu 1) angenommen werden.

Ob der VVG Ansprüche gegen die Beklagte zu 2) zustehen, die eine anderweitige Ersatzmöglichkeit bieten und damit eine Inanspruchnahme der Beklagten zu 1) ausschließen, wird im weiteren Verfahren zu entscheiden sein.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1090838

BGHZ 2004, 168

BGHR 2004, 298

NVwZ 2005, 484

DNotI-Report 2004, 26

EWiR 2004, 701

WM 2004, 182

ZfIR 2004, 172

NJ 2004, 363

VersR 2005, 790

DVBl. 2004, 577

ZBB 2004, 315

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