Entscheidungsstichwort (Thema)

Mietminderung. Unterbliebene Mängelanzeige gegenüber Vermieter. Fristlose Kündigung des Mietverhältnisses. Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts des Mieters. Zeitraum vor Mängelanzeige

 

Leitsatz (amtlich)

Wegen eines Mangels der Wohnung, von dem der Vermieter keine Kenntnis hat, kann der Mieter ein Zurückbehaltungsrecht erst an den Mieten geltend machen, die fällig werden, nachdem der Mieter dem Vermieter den Mangel angezeigt hat.

 

Normenkette

BGB § 320 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 06.11.2009; Aktenzeichen 63 S 17/08)

AG Berlin-Schöneberg (Urteil vom 05.12.2007; Aktenzeichen 12 C 368/07)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der Zivilkammer 63 des LG Berlin vom 6.11.2009 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Klägers entschieden worden ist.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des AG Schöneberg vom 5.12.2007 wird zurückgewiesen.

Die Beklagten haben die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Beklagten wird eine Räumungsfrist bis zum 28.2.2011 bewilligt.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Die Beklagten sind Mieter einer Wohnung des Klägers in B.; die Miete beläuft sich seit April 2006 auf monatlich 330 EUR. Die Beklagten entrichteten die Miete für die Monate April, Juni und Juli 2007 nicht; für den Monat Mai 2007 zahlten sie am 11.5.2007 einen Betrag i.H.v. 165 EUR. Mit Schreiben vom 5.6.2007 kündigte der Kläger das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzugs fristlos, hilfsweise fristgemäß. Am 8.8.2007 zahlten die Beklagten 495 EUR mit der Bestimmung "für Mai bis August", am 5.9.2007 weitere 330 EUR mit der Bestimmung "Sept. restl. Miete" sowie am 8.10.2007 165 EUR mit der Bestimmung "Miete".

Rz. 2

Der Kläger hat die Beklagten auf Räumung und Herausgabe der Wohnung sowie auf Zahlung von 1.155 EUR nebst Zinsen in Anspruch genommen. Das AG hat die Beklagten unter Abweisung der weitergehenden Zahlungsklage zur Zahlung von 495 EUR nebst Zinsen sowie zur Räumung und Herausgabe der Wohnung verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das LG das Urteil des AG teilweise abgeändert und die Räumungsklage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Rz. 3

Die Revision hat Erfolg. Über das Rechtsmittel ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, da die Beklagten in der mündlichen Revisionsverhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht vertreten waren. Inhaltlich beruht das Urteil indessen nicht auf der Säumnis der Beklagten, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. BGH, Urt. v. 4.4.1962 - V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 81 ff.).

I.

Rz. 4

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

Rz. 5

Der Zahlungsanspruch des Klägers sei i.H.v. 495 EUR nebst Zinsen begründet. Auf diesen Betrag habe sich der vom Kläger geltend gemachte Zahlungsrückstand durch die Zahlungen der Beklagten reduziert. Zu einer Minderung der Miete seien die Beklagten nicht berechtigt gewesen. Das Tropfen des Abflussrohres überschreite bereits die Erheblichkeitsschwelle nicht. Hinsichtlich des Schimmelpilzbefalls sei eine Minderung nach § 536c BGB ausgeschlossen, weil die Beklagten es versäumt hätten, dem Kläger den Mangel anzuzeigen. Die Aussage der Zeugin J., die eine Anzeige anlässlich eines Gesprächs der Parteien in der Wohnung der Beklagten im März 2007 bestätigt habe, sei nicht glaubhaft, weil sie zum eigentlichen Beweisthema nur ungenaue und teilweise widersprüchliche Angaben gemacht habe.

Rz. 6

Ein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Wohnung stehe dem Kläger hingegen nicht zu. Das Mietverhältnis sei durch die Kündigung des Klägers vom 5.6.2007 nicht beendet worden, weil den Beklagten wegen des Schimmelpilzbefalls ein Zurückbehaltungsrecht in Höhe des dreifachen Minderungsbetrages zugestanden habe und sie deshalb nicht in Zahlungsverzug geraten seien.

Rz. 7

Dem Mieter stehe ein Zurückbehaltungsrecht nach § 320 Abs. 1 BGB auch dann zu, wenn er sich zuvor nicht auf sein Leistungsverweigerungsrecht berufen habe und sein Recht zur Mietminderung wegen unterlassener Mängelanzeige ausgeschlossen sei. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut der §§ 536b und 536c BGB habe die Kenntnis des Mieters von einem Mangel lediglich zur Folge, dass er mit den Sekundäransprüchen ausgeschlossen sei. § 320 BGB betreffe jedoch die primäre Leistungspflicht, für die die Mängelanzeige nicht erheblich sei. Dies werde vor allem daran deutlich, dass der Mieter trotz Verlust der Sekundäransprüche nicht den Primäranspruch aus § 535 BGB auf Gebrauchsüberlassung einer mangelfreien Mietsache verliere. Das Zurückbehaltungsrecht habe den Sinn, auf den Vermieter Druck hinsichtlich der Mangelbeseitigung auszuüben; dieser Anspruch bleibe dem Mieter nach allgemeiner Auffassung aber trotz Verlust des Minderungsrechtes erhalten.

II.

Rz. 8

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Dem Kläger steht der geltend gemachte Räumungsanspruch aus § 546 BGB zu, weil die von ihm am 5.6.2007 ausgesprochene und gem. § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB begründete fristlose Kündigung das Mietverhältnis mit den Beklagten beendet hat. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts war der als Kündigungsgrund geltend gemachte Verzug der Beklagten mit den Mietzahlungen nicht wegen eines Zurückbehaltungsrechts im Hinblick auf den in der Wohnung aufgetretenen Schimmelpilzbefall ausgeschlossen. Ein auf den Anspruch auf Beseitigung eines Mietmangels gestütztes Leistungsverweigerungsrecht des Mieters nach § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB erstreckt sich nicht auf Mietzahlungen, die der Mieter für einen vor der Anzeige des - dem Vermieter unbekannten - Mangels liegenden Zeitraum schuldet.

Rz. 9

1. Bei Ausspruch der Kündigung des Klägers am 5.6.2007 bestand ein Rückstand gem. § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB, weil die Beklagten die jeweils bis zum dritten Werktag fällige Miete für April 2007 nicht und für Mai 2007 nur zur Hälfte bezahlt hatten und sich somit für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug befanden.

Rz. 10

2. Der Verzug der Beklagten mit der Mietzahlung für diesen Zeitraum war nicht durch ein Zurückbehaltungsrecht ausgeschlossen.

Rz. 11

a) Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass in der Wohnung der Beklagten während der Mietzeit ein Mangel in Form eines Schimmelpilzbefalls aufgetreten ist. Dies wird von der Revision nicht angegriffen und lässt auch keinen Rechtsfehler erkennen. Zutreffend ist das Berufungsgericht ferner davon ausgegangen, dass der Ausschluss der Sekundäransprüche des Mieters nach §§ 536b und 536c BGB dessen Erfüllungsanspruch aus § 535 Satz 2 BGB grundsätzlich unberührt lässt (BGH, Urt. v. 18.4.2007 - XII ZR 139/05, NZM 2007, 484 Rz. 28). Es kommt deshalb, wie das Berufungsgericht im Ausgangspunkt richtig gesehen hat, entscheidend darauf an, ob ein Verzug der Beklagten mit der Zahlung der Miete gem. § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB deshalb ausgeschlossen war, weil ihnen wegen eines auf Beseitigung des Schimmelpilzbefalls gerichteten Erfüllungsanspruchs ein Zurückbehaltungsrecht zustand.

Rz. 12

b) Das Zurückbehaltungsrecht des § 320 BGB dient dazu, auf den Schuldner Druck zur Erfüllung der eigenen, im Gegenseitigkeitsverhältnis zur geltend gemachten Forderung stehenden Verbindlichkeit auszuüben. Hiervon geht auch das Berufungsgericht zutreffend aus. Solange dem Vermieter ein Mangel nicht bekannt ist, kann ein Zurückbehaltungsrecht jedoch die ihm zukommende Funktion, auf den Schuldner Druck auszuüben, nicht erfüllen. Aus diesem Grund kommt ein Zurückbehaltungsrecht des Mieters für einen Zeitraum, in dem er dem Vermieter den Mangel nicht angezeigt hatte und der Mangel dem Vermieter auch sonst nicht bekannt war, nach Treu und Glauben von vornherein nicht in Betracht (LG Berlin, NZM 1998, 475 f.; Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl., III Rz. 127; Schenkel, NZM 1998, 502, 504). Die Zubilligung eines Zurückbehaltungsrechts auch für diesen Zeitraum würde dazu führen, dass eine Vertragsverletzung des Mieters - nämlich die unterlassene Anzeige des Mangels gem. § 536c Abs. 1 BGB - eine Kündigung des Vermieters wegen ausbleibender Mietzahlungen verhindern oder zumindest hinauszögern könnte, weil der Vermieter einerseits wegen fehlender Kenntnis von dem Mangel an der alsbaldigen Wiederherstellung eines vertragsgemäßen Zustandes gehindert wäre und andererseits ein zur Kündigung des Mietverhältnisses berechtigender Zahlungsverzug erst eintreten könnte, wenn es nach "Ausschöpfung" des Zurückbehaltungsrechts zu weiteren Zahlungsrückständen käme.

Rz. 13

Eine unbillige Benachteiligung des Mieters ist mit dem Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts für vor der Mängelanzeige fällig gewordene Mietzahlungen nicht verbunden. Denn bei Fortbestand des Mietverhältnisses steht dem Mieter die Einrede des nicht erfüllten Vertrages ggü. den ab der Mängelanzeige fällig werdenden Mietforderungen zu. Im Falle der Beendigung des Mietverhältnisses hingegen kommt ein Zurückbehaltungsrecht wegen eines Mangelbeseitigungsanspruchs ohnehin nicht mehr in Betracht, denn es handelt sich dabei um einen in die Zukunft gerichteten Erfüllungsanspruch, der nur während der Dauer des Mietverhältnisses besteht (vgl. BGH, Urt. v. 19.6.2006 - VIII ZR 284/05, NZM 2006, 696 Rz. 12 f.).

Rz. 14

3. Da den Beklagten mithin ggü. der Mietforderung des Klägers für die Monate April und Mai 2007 die Einrede aus § 320 Abs. 1 BGB nicht zustand, kommt es nicht mehr auf die weitere von der Revision aufgeworfene Frage an, ob bereits das Bestehen der Einrede den Verzug ausschließt oder es zumindest einer Geltendmachung im Prozess bedarf (vgl. dazu BGH, Urt. v. 18.1.1991 - V ZR 11/90, BGHZ 113, 232, 236; Staudinger/Emmerich, BGB, Neubearb. 2006, § 543 Rz. 57; Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 9. Aufl., § 543 BGB Rz. 97).

III.

Rz. 15

Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts, soweit zum Nachteil des Klägers erkannt worden ist, keinen Bestand haben; es ist daher insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da es keiner weiteren Feststellungen bedarf, entscheidet der Senat in der Sache selbst (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dies führt zur Zurückweisung der Berufung der Beklagten und somit zur Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2590640

NJW 2011, 6

NWB 2010, 3608

EBE/BGH 2011, 18

NJW-RR 2011, 447

NZM 2011, 197

ZAP 2011, 77

ZMR 2011, 275

JA 2011, 706

MDR 2011, 92

WuM 2011, 12

BauSV 2011, 81

Info M 2010, 525

MietRB 2011, 37

NJW-Spezial 2011, 129

NWB direkt 2010, 1157

RÜ 2011, 153

RdW 2011, 286

RdW 2011, 4

StX 2011, 383

ZGS 2010, 532

ZGS 2011, 95

BBB 2011, 53

I&F 2011, 784

IGZInfo 2011, 68

IWR 2011, 95

ImmWert 2010, 30

LL 2011, 303

NRÜ 2011, 55

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