Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachehelicher Unterhalt; hier: Berücksichtigung von steuerrechtlichen Verlusten aus Grundbesitz

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Berücksichtigung von (steuerrechtlichen) Verlusten aus Grundbesitz bei der Bemessung des nachehelichen Ehegattenunterhalts.

Erwirbt ein Ehegatte den Miteigentumsanteil des anderen Ehegatten an dem ehemals gemeinsamen Familienheim, so kann die Berücksichtigung eines Wohnvorteils bei der Bemessung des nachehelichen Unterhalts nicht mit der Begründung außer Betracht bleiben, die Ehegatten seien so zu behandeln, als hätten sie das Haus an einen Dritten veräußert und den Erlös geteilt.

 

Normenkette

BGB § 1577 Abs. 1, § 1578 Abs. 1

 

Verfahrensgang

OLG Celle (Urteil vom 20.02.2002; Aktenzeichen 23 UF 106/01)

AG Uelzen (Urteil vom 14.09.2001)

LG Uelzen

 

Tenor

Auf die Revision der Antragsgegnerin wird das Urteil des 5. (23.) Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des OLG Celle v. 20.2.2002 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Antragsgegnerin gegen Ziff. III des Urteils des AG - FamG - Uelzen v. 14.9.2001 zurückgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das OLG zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um nachehelichen Unterhalt.

Sie haben am 25.9.1970 geheiratet. Aus der Ehe ist ein inzwischen volljähriger Sohn hervorgegangen. Die Parteien leben seit dem 5.4.1999 voneinander getrennt.

Der 1946 geborene Antragsteller betreibt eine Versicherungsagentur, in der die 1948 geborene Antragsgegnerin bis zur Trennung ebenfalls tätig war. In der folgenden Zeit war sie als Angestellte in Arztpraxen bzw. einer Praxis für Krankengymnastik beschäftigt und erzielte zunächst Einkünfte im sozialversicherungsfreien Bereich. Von Juli 1999 bis Juli 2000 verdiente sie in der Praxis für Krankengymnastik monatlich 1.333,60 DM netto. Nachdem ihr wegen Arbeitsmangels gekündigt worden war, war sie von August 2000 bis 18.9.2000 arbeitslos. Seit dem 19.9.2000 erzielte sie in verschiedenen Krankengymnastikpraxen Einkünfte von 265 DM bzw. 315 DM monatlich. Seit dem 1.12.2001 beläuft sich ihr monatliches Nettoeinkommen auf 554 DM (gerundet).

Während der Ehe bewohnten die Parteien ein in ihrem Miteigentum stehendes Haus. Die ideelle Hälfte der Antragsgegnerin hat der Antragsteller unter Übernahme der bestehenden Verbindlichkeiten gegen Zahlung von 130.000 DM erworben. Er bewohnt das Haus weiterhin. Die Antragsgegnerin hat von dem Veräußerungserlös 90.000 DM in einem Rentenfonds angelegt, weitere 25.000 DM hat sie auf ein Sparkonto eingezahlt.

Der Antragsteller verfügte neben den Einkünften aus seinem Gewerbebetrieb über - teilweise auch negative - Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und aus Land- und Forstwirtschaft, jeweils Grundbesitz, den seine Mutter ihm durch notariellen Vertrag v. 25.11.1994 übertragen hatte. Er hat im Gegenzug die Verpflichtung übernommen, an seine Mutter eine monatliche Leibrente von 600 DM zu zahlen, die ab 1998 auf monatlich 800 DM erhöht worden ist.

Die Antragsgegnerin hat im Rahmen des Scheidungsverbunds für die Zeit ab Rechtskraft der Scheidung nachehelichen Unterhalt von insgesamt 3.786,89 DM monatlich geltend gemacht, davon 2.881,41 DM als Elementarunterhalt und 905,48 DM als Altersvorsorgeunterhalt.

Das AG - FamG - hat die Ehe der Parteien geschieden (insoweit rechtskräftig seit dem 5.2.2002), angeordnet, dass ein Versorgungsausgleich (zu Gunsten des Antragstellers) nicht stattfinde und der Antragsgegnerin ab Rechtskraft der Scheidung Elementarunterhalt von 1.859,36 DM und Altersvorsorgeunterhalt von 513,28 DM, jeweils monatlich, zuerkannt. Die weiter gehende Unterhaltsklage hat es abgewiesen. Auf die Berufung der Antragsgegnerin, mit der sie ihr Unterhaltsbegehren i.H.v. insgesamt 3.767,52 DM monatlich, davon 2.845,47 DM als Elementarunterhalt und 922,05 DM als Altersvorsorgeunterhalt, weiterverfolgt hat, hat das OLG ihr - unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels - Elementarunterhalt von (insgesamt) 1.155 EUR monatlich (= 2.258,98 DM) und Altersvorsorgeunterhalt von (insgesamt) 335 EUR monatlich (= 655,20 DM) zuerkannt. Mit der - zugelassenen - Revision verfolgt die Antragsgegnerin ihr zweitinstanzliches Unterhaltsbegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Das Rechtsmittel ist begründet. Es führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des Berufungsurteils und insoweit zur Zurückverweisung an das OLG.

Gegen den im Verhandlungstermin nicht erschienenen Antragsteller ist durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Dieses beruht jedoch inhaltlich nicht auf der Säumnis, sondern berücksichtigt den gesamten Sach- und Streitstand (BGHZ 37, 79 [81 ff.]).

1. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, der Antragsgegnerin stehe ein Unterhaltsanspruch nach § 1573 BGB zu. Es hat deren tatsächlich erzieltes Einkommen von monatlich 554 DM zu Grunde gelegt und die Zurechnung weiter gehender fiktiver Einkünfte mit der Begründung abgelehnt, angesichts der Ausbildung, der langen Pause im Beruf und des Alters der Antragsgegnerin könne unter Berücksichtigung der Arbeitsmarktlage nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass sie höhere Einkünfte, insb. aus einer vollschichtigen Tätigkeit, erzielen könne. Mit Rücksicht auf die ehelichen Lebensverhältnisse sei sie nicht verpflichtet, jedwede Arbeit auszuüben, etwa eine Putzstelle anzunehmen. Gegen diese - ihr günstige - Beurteilung erhebt die Revision keine Einwendungen. Dagegen bestehen auch aus Rechtsgründen keine Bedenken. Dem Grunde nach ist mithin von einem Unterhaltsanspruch aus § 1573 Abs. 1 und 2 BGB auszugehen.

2. Den nach Maßgabe der ehelichen Lebensverhältnisse (§ 1578 BGB) geschuldeten Unterhalt hat das Berufungsgericht allein auf der Grundlage der beiderseits erzielten Erwerbseinkünfte ermittelt.

a) Zu den zu berücksichtigenden Einkommensverhältnissen des Antragstellers hat es ausgeführt: Abzustellen sei auf die in den Jahren 1998 bis 2000 aus dem Gewerbebetrieb erzielten Gewinne. Die Einkünfte bzw. negativen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und Land- und Forstwirtschaft hätten außer Ansatz zu bleiben, denn diese beruhten im Wesentlichen darauf, dass der Antragsteller auf die übernommenen Werte Abschreibungen vornehmen könne, die unterhaltsrechtlich nicht zu berücksichtigen seien. Da ihnen ein tatsächlicher Wertverlust in dieser Höhe nicht gegenüberstehe bzw. weil der Antragsteller durch die erfolgten Tilgungsleistungen Vermögen bilde, könne er diese Positionen der Antragsgegnerin gegenüber nicht einkommensmindernd geltend machen. Wenn aber die (niedrigere) tatsächlich gezahlte Steuer darauf beruhe, dass Verluste aus anderen Einkunftsarten steuerlich anerkannt würden, diese jedoch bei der Unterhaltsberechnung nicht zu berücksichtigen seien, so seien unterhaltsrechtlich fiktiv diejenigen Steuern von den Gewinnen aus Gewerbebetrieb in Abzug zu bringen, die hierauf ohne die Verluste zu zahlen gewesen wären. Da auch die Leibrentenzahlungen im Zusammenhang mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und Land- und Forstwirtschaft stünden, minderten auch diese Ausgaben das anrechenbare Einkommen des Antragstellers nicht.

b) Diese Beurteilung greift die Revision an. Sie macht geltend, die Antragsgegnerin habe vorgetragen, die Verluste des Antragstellers beruhten nur auf steuerlich relevanten Abschreibungen, denen ein tatsächlicher Geldabfluss bzw. Wertverlust nicht gegenüberstehe. Davon sei mangels anderweitiger Feststellungen für das Revisionsverfahren auszugehen. Da im Hinblick darauf keine tatsächlichen Aufwendungen außer Betracht geblieben seien, bestehe auch kein Anlass, anstelle der abgeführten Steuern eine - ohne Einbeziehung der Verluste ermittelte - fiktive (höhere) Steuerlast in Abzug zu bringen.

Diese Rüge bleibt ohne Erfolg.

c) Im Ausgangspunkt zutreffend geht die Revision allerdings davon aus, dass eine fiktive Steuerlast nur dann in Ansatz zu bringen ist, wenn steuermindernde tatsächliche Aufwendungen vorliegen, die unterhaltsrechtlich nicht zu berücksichtigen sind. Diese Voraussetzungen sind indessen nach dem eigenen Vorbringen der Antragsgegnerin erfüllt. Sie hat, wie das Berufungsgericht in dem von der Revision in Bezug genommenen streitigen Teil des Tatbestandes des angefochtenen Urteils ausgeführt hat, nicht nur geltend gemacht, die negativen Einkünfte beruhten allein auf steuerlich erheblichen Abschreibungen, sie hat vielmehr auch vorgetragen, die Tilgungsleistungen des Antragstellers seien nicht zu berücksichtigen, weil er andernfalls zu ihren Lasten Vermögen bilden könne. Daraus wird ersichtlich, dass selbst nach Auffassung der Antragsgegnerin tatsächliche Aufwendungen erfolgt sind, die zu den Verlusten beigetragen haben. Denn Tilgungsleistungen bedingen regelmäßig, dass für in Anspruch genommene Fremdmittel Zinsen zu entrichten sind, die auch steuerlich als Kostenposition zu veranschlagen sind. Dieser Auffassung der Antragsgegnerin entspricht im Übrigen, dass sie selbst nicht darauf abgehoben hat, unterhaltsrechtlich seien - anstelle der Verluste - positive Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und Land- und Forstwirtschaft anzusetzen. Dem liegt ersichtlich die Annahme zu Grunde, dass sich - selbst wenn unterhaltsrechtlich Abzugspositionen außer Betracht zu bleiben hätten - noch keine positiven Einkünfte errechnen.

Für die Frage, in welcher Höhe unterhaltsrechtlich Abzugsposten zu berücksichtigen sind, kommt es u.a. darauf an, ob etwa in Anspruch genommene steuerliche Absetzungs- und Abschreibungsmöglichkeiten auch unterhaltsrechtlich einkommensmindernd anzuerkennen sind. Nach der Rechtsprechung des Senats berühren Abschreibungen für die Abnutzung von Gebäuden das unterhaltsrechtlich maßgebende Einkommen nicht, weil ihnen lediglich ein Verschleiß von Gegenständen des Vermögens zu Grunde liegt und die zulässigen steuerlichen Pauschalen vielfach über das tatsächliche Ausmaß der Wertminderung hinausgehen. Darüber hinaus ist zu beachten, dass sie durch eine günstige Entwicklung des Immobilienmarktes ausgeglichen werden können. Instandsetzungskosten können unterhaltsrechtlich nur insoweit einkommensmindernd berücksichtigt werden, als es sich um notwendigen Erhaltungsaufwand handelt und nicht um solchen für Ausbauten und wertsteigernde Verbesserungen, die der Vermögensbildung dienen (BGH, Urt. v. 26.10.1983 - IVb ZR 13/82, MDR 1984, 301 = FamRZ 1984, 39 [41]; v. 23.10.1985 - IVb ZR 52/84, MDR 1986, 215 = FamRZ 1986, 48 [49]; v. 20.11.1996 - XII ZR 70/95, MDR 1997, 362 = FamRZ 1997, 281 [283]). Inwieweit insb. an dieser Beurteilung der Abschreibung bei Gebäuden festzuhalten ist (vgl. zu für erforderlich gehaltene Einschränkungen etwa Schwab/Borth, Handbuch des Scheidungsrechts, 5. Aufl., Kap. IV, Rz. 756; und zur Behandlung der AfA bei kurzlebigen Wirtschaftsgütern BGH, Urt. v. 19.2.2003 - XII ZR 19/01, BGHReport 2003, 606 = MDR 2003, 812 = FamRZ 2003, 741 [743], mit kritischer Anm. Gerken; und im Wesentlichen zustimmender Anm. Weychardt, FamRZ 2003, 1001), bedarf im vorliegenden Fall indessen keiner Entscheidung.

Die Beurteilung, ob und ggf. inwieweit etwa die steuerlich zu Grunde gelegten Abschreibungen auch unterhaltsrechtlich anzuerkennen sind, hat nur Bedeutung dafür, ob die Verluste mehr oder weniger hoch anzusetzen sind. Letzteres vermag aber nichts an dem Umstand zu ändern, dass die Verluste auch auf tatsächlichen Aufwendungen, nämlich jedenfalls auf Zinsleistungen für bestehende Darlehensverbindlichkeiten, beruhen, die in die einheitliche Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bzw. Land- und Forstwirtschaft einfließen und nicht von den Abschreibungen isoliert betrachtet werden können. Denn ohne den mit tatsächlichen Aufwendungen verbundenen Grundbesitz gäbe es auch die Möglichkeit von Abschreibungen nicht.

Auf die Zinszahlungen kann der Antragsteller sich der Antragsgegnerin gegenüber indessen nicht berufen. Denn der Unterhaltsverpflichtete ist nicht berechtigt, auf Kosten des Unterhaltsberechtigten Vermögen zu bilden; diesem Zweck dient aber die Darlehenstilgung, und damit mittelbar auch die für die Darlehensgewährung erforderliche Zinszahlung. Da andererseits dem Unterhaltspflichtigen aber die Vermögensbildung nicht verwehrt sein kann, solange die Belange des Unterhaltsberechtigten nicht berührt werden, kann Letzterer nur verlangen, so gestellt zu werden, als ob die vermögensbildenden Aufwendungen nicht stattfänden.

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass zwar zum einen die erzielten Verluste nicht einkommensmindernd berücksichtigt werden können, dass aber zum anderen auch die dadurch erzielte Steuerersparnis außer Betracht zu bleiben hat, weil sie ohne die Übernahme des Grundbesitzes nicht eingetreten wäre. Bei einer solchen Fallgestaltung ist - in Abweichung von dem Grundsatz, dass zur Feststellung des unterhaltsrelevanten Einkommens die tatsächlich entrichtete Steuer in Abzug zu bringen ist - eine fiktive Steuerberechnung vorzunehmen, nämlich zu ermitteln, in welcher Höhe Steuern auf das nicht durch die Verluste reduzierte übrige Einkommen des Unterhaltspflichtigen zu entrichten wären (BGH, Urt. v. 1.10.1986 - IVb ZR 68/85, FamRZ 1987, 36 [37], zur Berücksichtigung von Steuerersparnissen durch die Beteiligung an einem Bauherrenmodell; v. 2.6.2004 - XII ZR 217/01, BGHReport 2004, 1218 = MDR 2004, 1240 = FamRZ 2004, 1177 [1179], zur Berücksichtigung von Steuerersparnissen durch später aufgelöste Ansparabschreibungen). Hierfür ist die Höhe der Verluste ohne Bedeutung; diese beeinflusst allein die tatsächliche Steuerschuld.

d) Danach hat das Berufungsgericht zu Recht eine fiktive Steuerberechnung durchgeführt. Es hat zu diesem Zweck die in den Jahren 1998 bis 2000 aus dem Gewerbebetrieb jeweils erzielten Gewinne um die - auch im Verhältnis zu der Antragsgegnerin abzusetzenden - Sonderausgaben bereinigt und sodann die auf das verbleibende Einkommen zu entrichtenden Steuern ermittelt. Diese hat es - neben dem Solidaritätszuschlag und den Vorsorgeaufwendungen des Antragstellers - von den Gewinnen abgezogen und abschließend das durchschnittliche monatliche Nettoeinkommen mit 6.450 DM errechnet. Hiergegen sind aus Rechtsgründen keine Einwendungen zu erheben. Auch die Revision erinnert dagegen nichts.

3. a) Die Vorteile, die sich aus dem Wohnwert des vom Antragsteller übernommenen, ehemals gemeinsamen Hauses der Parteien ergeben sowie die aus dem Erlös für den von der Antragsgegnerin veräußerten Hälfteanteil erzielbaren Erträge hat das Berufungsgericht bei der Unterhaltsbemessung außer Betracht gelassen. Dazu hat es ausgeführt: Die ehelichen Lebensverhältnisse der Parteien seien zwar durch mietfreies Wohnen geprägt gewesen. Dieser Vorteil sei auch bei der Berechnung des nachehelichen Unterhalts grundsätzlich zu berücksichtigen; auch die Erträge aus einem etwaigen Veräußerungserlös gehörten zu den prägenden Einkünften. Wenn Ehegatten ein in ihrem hälftigen Miteigentum stehendes Haus an einen Dritten verkaufen und den Erlös teilen würden, so nivellierten sich die jeweiligen Vorteile aber mit der Folge, dass sie unterhaltsrechtlich außer Betracht bleiben könnten. Etwas Anderes könne auch in dem Fall nicht gelten, in dem einer der Ehegatten gegen "Auszahlung" den Anteil des anderen übernehme. Im vorliegenden Fall bestehe kein Hinweis darauf, dass der gezahlte Betrag von 130.000 DM unter Übernahme sämtlicher Verbindlichkeiten nicht dem Verkehrswert der Miteigentumshälfte entsprochen habe. Damit habe auch die Antragsgegnerin den in dem Hausgrundstück verkörperten anteiligen Wert erhalten, so dass sich die jeweils erhaltenen Vorteile ausglichen und deshalb unberücksichtigt bleiben könnten.

Diese Beurteilung hält nicht in allen Punkten der rechtlichen Nachprüfung stand.

b) Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts. Die ehelichen Lebensverhältnisse der Parteien waren dadurch geprägt, dass sie gemeinsam Eigentümer eines Hauses waren, in dem sie mietfrei wohnten. Der eheangemessene Bedarf erhöhte sich deshalb durch die gezogenen Nutzungsvorteile (st.Rspr.. des BGH, Urt. v. 22.10.1997 - XII ZR 12/96, MDR 1998, 47 = FamRZ 1998, 87 [88]). Diese Nutzungsvorteile entfallen, wenn das gemeinsam genutzte Haus im Zusammenhang mit der Scheidung veräußert wird. An ihre Stelle treten allerdings die Vorteile, die die Ehegatten in Form von Zinseinkünften aus dem Erlös ihrer Miteigentumsanteile ziehen oder ziehen könnten (BGH, Urt. v. 3.5.2001 - XII ZR 62/99, MDR 2001, 993 = BGHReport 2001, 695 = FamRZ 2001, 1140 [1143]; v. 31.10.2001 - XII ZR 292/99, MDR 2002, 153 = BGHReport 2002, 60 = FamRZ 2002, 88 [92]). Das gilt auch dann, wenn das gemeinsame Haus nicht an einen Dritten veräußert wird, sondern wenn ein Ehegatte seinen Miteigentumsanteil auf den anderen überträgt. In diesem Fall tritt für den veräußernden Ehegatten der Erlös als Surrogat an die Stelle der Nutzungsvorteile seines Miteigentumsanteils. Für den übernehmenden Ehegatten verbleibt es grundsätzlich bei einem Wohnvorteil, und zwar nunmehr in Höhe des vollen Wertes, gemindert um die schon bestehenden Kosten und Lasten sowie um die Zinsbelastungen, die durch den Erwerb der anderen Hälfte anfallen.

c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts dürfen die beiderseitigen Vorteile unterhaltsrechtlich nicht außer Betracht bleiben und die Ehegatten so behandelt werden, als hätten sie das Haus an einen Dritten verkauft, den Erlös geteilt und dadurch für beide gleiche - sich deshalb nivellierende - Verhältnisse geschaffen. Der Auffassung des Berufungsgerichts liegt ersichtlich die Erwägung zu Grunde, dass auf Seiten des veräußernden Ehegatten häufig Kapitalerträge aus dem erhaltenen Erlös zu berücksichtigen sind, die den dem erwerbenden Ehegatten zuzurechnenden Wohnvorteil übersteigen, die Höhe des Unterhalts mithin etwa davon abhängen kann, welchem Ehegatten es gelingt, das ehemals gemeinsame Haus zu übernehmen. Mit Rücksicht darauf wird auch in der Rechtsprechung anderer OLG und im Schrifttum die Ansicht vertreten, der Veräußernde dürfe nicht schlechter gestellt werden, als wenn das Familienheim an einen Dritten verkauft worden wäre (OLG Hamm v. 27.9.2002 - 10 UF 317/01, NJW-RR 2003, 510; OLG Karlsruhe v. 27.10.2003 - 2 UF 107/03, OLGReport Karlsruhe 2004, 194 = NJW 2004, 859 [860]; Gerhardt, FamRZ 2003, 414 [415]; ähnlich Büttner, FF 2002, 31).

Diese Erwägungen vermögen es indessen nicht zu rechtfertigen, demjenigen Ehegatten, der den Miteigentumsanteil des anderen erwirbt, grundsätzlich fiktive Zinseinkünfte aus einem erzielbaren Veräußerungserlös zuzurechnen, obwohl er das Familienheim übernommen hat und bewohnt. Vielmehr ist auf Seiten des Antragstellers der volle Wohnvorteil in die Unterhaltsberechnung einzustellen. Hiervon sind die Hauslasten in Abzug zu bringen, insb. die Zins- und Tilgungsleistungen auf die bereits vor der Veräußerung des Miteigentumsanteils bestehenden Kreditverbindlichkeiten, durch die bereits die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt worden sind. Zahlungen, die für den Erwerb des Miteigentumsanteils der Antragsgegnerin zu erbringen sind, mindern den Wohnvorteil dagegen nur hinsichtlich des Zinsaufwands. Um Tilgungsleistungen, die der Rückführung eines entsprechenden - nicht die ehelichen Lebensverhältnisse prägenden - Darlehens dienen, ist der Wohnvorteil dagegen nicht zu kürzen, weil anderenfalls dem Antragsteller zu Lasten der Antragsgegnerin eine Vermögensbildung gestattet würde (BGH, Urt. v. 5.4.2000 - XII ZR 96/98, MDR 2000, 769 = FamRZ 2000, 950 [951 f.]). Diese Vorgehensweise hat nicht zur Folge, dass der die ehelichen Lebensverhältnisse prägende Nutzungsvorteil des Hauses mit einem insgesamt zu hohen Wert angesetzt wird. Denn der Wohnvorteil mindert sich nunmehr durch die zusätzlichen Zinsverbindlichkeiten für den Betrag, den die Antragsgegnerin erhalten hat.

Nach der Rechtsprechung des Senats kann zwar auch bei derartigen Fallgestaltungen eine Obliegenheit zur Vermögensumschichtung und dabei im Einzelfall auch zur Veräußerung des Hauses bestehen, etwa wenn anderenfalls keine wirtschaftlich angemessene Nutzung des nach dem neuen Lebenszuschnitt des Erwerbenden zu großen und seine wirtschaftlichen Verhältnisse übersteigenden Hauses zu verwirklichen ist (BGH, Urt. v. 5.4.2000 - XII ZR 96/98, MDR 2000, 769 = FamRZ 2000, 950 [951], m.w.N.). Davon kann aber nicht bereits dann ausgegangen werden, wenn der zuzurechnende Wohnvorteil nicht den Ertrag erreicht, den der veräußernde Ehegatte aus dem erhaltenen Erlös erzielt bzw. erzielen könnte. Vielmehr muss sich die tatsächliche Anlage des Vermögens - unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls - als eindeutig unwirtschaftlich darstellen, bevor der erwerbende Ehegatte auf eine andere Anlageform und daraus erzielbare Erträge verwiesen werden kann (vgl. für den Unterhaltsberechtigten: BGH, Urt. v. 3.5.2001 - XII ZR 62/99, MDR 2001, 993 = BGHReport 2001, 695 = FamRZ 2001, 1140 [1143], m.w.N.).

Feststellungen, die eine solche Beurteilung zuließen, hat das Berufungsgericht indessen nicht getroffen. Nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin ist der Wohnwert des - über eine Wohnfläche von etwa 200 m2 verfügenden - Hauses mit monatlich 2.000 DM und nach Abzug der unterhaltsrechtlich zu berücksichtigenden Belastungen mit mindestens 1.000 DM monatlich zu bemessen. Entsprechende Aufwendungen stünden auch zu den Einkünften des Antragstellers nicht von vornherein außer Verhältnis. Im Hinblick darauf besteht aber kein Anlass, für die Unterhaltsbemessung von anderen als den tatsächlich bei dem Antragsteller vorliegenden Verhältnissen auszugehen. Dann kann der - vom Berufungsgericht nicht festgestellte - Wohnwert des Hauses nicht unbeachtet bleiben.

d) Das Berufungsurteil kann aus einem weiteren Grund mit der gegebenen Begründung keinen Bestand haben. Auf Seiten der Antragsgegnerin ist der Erlös aus der Veräußerung ihres Miteigentumsanteils als Surrogat an die Stelle des früheren Nutzungsvorteils getreten. Welcher Ertrag ihr hieraus zuzurechnen ist, hat das Berufungsgericht ebenfalls nicht festgestellt.

Die Antragsgegnerin hat den Erlös i.H.v. 90.000 DM unstreitig in einem Rentenfonds angelegt. Sie hat hierzu, wie die Revision zu Recht geltend macht, vorgetragen, für sie ergäben sich, bezogen auf Juli 2001, Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung von monatlich 887,40 DM, weshalb sie - anders als der über Vermögen verfügende Antragsteller - verstärkt für ihr Alter vorsorgen müsse. Mit Rücksicht auf die Versorgungslage der Antragsgegnerin hat das AG den Versorgungsausgleich, der zu Gunsten des Antragstellers durchzuführen gewesen wäre, nach § 1587c Ziff. 1 BGB ausgeschlossen. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, auch unter Hinzurechnung der Anrechte, die die Antragsgegnerin aus dem Rentenfonds erwerben werde, besitze sie, gemessen an den ehelichen Lebensverhältnissen, nur eine unzureichende Altersversorgung.

Ob und ggf. in welcher Höhe trotz dieses Vorbringens weitere (fiktive) Kapitalerträge zu berücksichtigen sind, hängt davon ab, ob die Antragsgegnerin nach § 1577 Abs. 1 BGB die Obliegenheit trifft, durch eine verzinsliche Anlage des Kapitals höhere laufende Einnahmen zu erwirtschaften. Dies setzt eine Zumutbarkeitsprüfung voraus und ist, wie bereits ausgeführt wurde, nur dann zu bejahen, wenn die tatsächliche Anlage des Vermögens sich als eindeutig unwirtschaftlich erweist.

4. Der Senat ist nicht in der Lage, selbst abschließend zu entscheiden. Die Sache muss vielmehr an das OLG zurückverwiesen werden, damit es die erforderlichen Feststellungen nachholt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1378348

NJW 2005, 2077

BGHR 2005, 1114

FamRZ 2005, 1159

FuR 2005, 361

MittBayNot 2007, 51

ZAP 2005, 1001

FPR 2006, 505

FPR 2007, 214

MDR 2005, 1174

FF 2005, 250

FamRB 2005, 286

FamRB 2005, 287

NJW-Spezial 2005, 393

ZFE 2005, 366

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