Leitsatz (amtlich)

Der Verwalter ist zur Anfechtung einer gerichtlichen Entscheidung berechtigt, durch die seine Bestellung für ungültig erklärt wird.

 

Normenkette

WEG §§ 26, 43 Nrn. 2, 4

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 05.02.2007; Aktenzeichen 20 W 409/05)

LG Marburg (Beschluss vom 11.08.2005; Aktenzeichen 3 T 113/04)

AG Kirchhain

 

Tenor

Auf die weitere Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des LG Marburg vom 11.8.2005 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der weiteren Beschwerde, an das LG zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde beträgt 62.000 EUR.

 

Gründe

I.

[1] Die Beteiligten sind die Eigentümer und die Verwalterin eines nach dem Wohnungseigentumsgesetz geteilten Grundstücks. Die Wohnungseigentümer beschlossen in der Versammlung vom 30.11.2002 mehrheitlich, die Beteiligte zu 3) ab dem 1.1.2003 für zwei Jahre zur Verwalterin zu bestellen. Die Bestellung sollte sich bis zum 31.12.2007 jeweils um ein Jahr verlängern, sofern sie nicht durch Beschluss der Eigentümergemeinschaft "widerrufen" würde. Ein solcher Beschluss ist unterblieben.

[2] Die Antragsteller haben den Beschluss vom 30.11.2002 angefochten. Das AG hat ihn für ungültig erklärt. Auf die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 3) hat das LG die Entscheidung des AG abgeändert und den Antrag zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller möchte das OLG zurückweisen. Hieran sieht es sich durch die Entscheidungen des OLG Köln, NJW-RR 2006, 24 ff., und des OLG München, DWE 2006, 71 ff., gehindert und hat die Sache dem BGH zur Entscheidung vorgelegt.

II.

[3] Die Vorlage ist statthaft (§§ 43 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3, 45 Abs. 1 WEG i.V.m. § 28 Abs. 2 FGG). Das vorlegende Gericht ist der Auffassung, der Verwalter sei zur sofortigen Beschwerde gegen eine Entscheidung befugt, durch die der zu seiner Bestellung gefasste Beschluss für ungültig erklärt wird. Demgegenüber verneinen das OLG Köln und das OLG München die Beschwerdebefugnis des Verwalters. Danach müsste die Beschwerde verworfen werden; der Beschluss des AG würde rechtskräftig. Die Divergenz rechtfertigt die Vorlage.

III.

[4] Das vorlegende Gericht sieht die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 3) gegen die Entscheidung des AG zu Recht als zulässig an. Die Beteiligte zu 3) wird durch diese Entscheidung i.S.v. § 20 Abs. 1 FGG beeinträchtigt. Entgegen der Auffassung der OLG Köln und München fehlt ihr die Beschwerdebefugnis nicht.

[5] Der Verwalter ist befugt, den Beschluss über seine Abberufung in entsprechender Anwendung von § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG anzufechten (BGH v. 20.6.2002 - V ZB 39/01, BGHZ 151, 164, 169 ff. = BGHReport 2002, 808 m. Anm. Riecke = MDR 2002, 1427). Die hierfür angeführten Erwägungen gelten auch für die Überprüfung einer gerichtlichen Entscheidung, mit der die Verwalterbestellung für ungültig erklärt wird. Auch insoweit ist dem Verwalter die Möglichkeit eröffnet, die durch die Ungültigerklärung möglicherweise zu Unrecht entzogene Rechtsstellung zurückzugewinnen, weil die durch die Bestellung zum Verwalter begründete Rechtsposition nicht nur ein im Interesse der Wohnungseigentümer verliehenes, sondern ein subjektives Recht bedeutet (Senat, a.a.O., 169 f.).

[6] Soweit dies in den Entscheidungen des OLG Köln und des OLG München von der Bestandskraft des Bestellungsbeschlusses abhängig gemacht wird, ist die gesetzliche Systematik des Beschlussrechts verkannt. Nach § 23 Abs. 4 Satz 1 WEG werden die Beschlüsse der Wohnungseigentümergemeinschaft mit ihrer Verkündung und nicht erst mit ihrer Bestandskraft wirksam. Die Bestellung zum Verwalter entfällt daher mit dem Beschluss, den Verwalter abzuberufen, und nicht erst mit der Bestandskraft des Beschlusses. Das dem Verwalter ehemals verliehene Amt berechtigt ihn, dessen Wiederherstellung durch die Anfechtung des Abberufungsbeschlusses herbeizuführen (Senat, a.a.O., 170).

[7] Wird die Bestellung zum Verwalter angefochten, verhält es sich nicht anders. Der Erfolg der Anfechtung lässt die Bestellung zwar rückwirkend entfallen. Trotzdem war der Verwalter bestellt und ist aus diesem Grunde berechtigt, die ihm verliehene Rechtsstellung im eigenen Interesse zu verteidigen (Briesemeister, NZM 2006, 568, 570).

[8] Dies ergibt sich auch daraus, dass der Verwalter vom Zeitpunkt seiner Bestellung an nach § 26 Abs. 1 Satz 1 WEG berechtigt und verpflichtet ist, die Beschlüsse der Wohnungseigentümergemeinschaft auszuführen, die Finanzen der Gemeinschaft zu verwalten und Zustellungen und Willenserklärungen entgegenzunehmen (BGH v. 20.6.2002 - V ZB 39/01, BGHZ 151, 164, 171 = BGHReport 2002, 808 m. Anm. Riecke = MDR 2002, 1427; Wenzel, ZWE 2001, 510, 512; Briesemeister, NZM 2006, 568 f.). Auch während des Verfahrens über die Anfechtung seiner Bestellung darf der Verwalter seine Tätigkeit nicht ruhen lassen. Sofern sich ein Dritter einzelner Rechte des Verwalters oder dessen Rechtsstellung insgesamt berühmt, muss der Verwalter noch vor Bestandskraft seiner Bestellung gerichtlich hiergegen vorgehen können. Eine andere Auffassung führt zu einer kaum erträglichen Rechtsschutzlücke, weil der Verwalter Eingriffe Unbefugter - etwa des Vorverwalters - in die Verwaltung andernfalls nicht abwehren könnte.

[9] Das Handeln des Verwalters im Rahmen der laufenden Verwaltung wird durch die Aufhebung des Bestellungsbeschlusses auch nicht unberechtigt, sondern bleibt nach dem Rechtsgedanken von § 32 FGG wirksam (BGH, Urt. v. 6.3.1997 - III ZR 248/95, MDR 1997, 537 = NJW 1997, 2106, 2107; BayObLG v. 13.9.1990 - BReg.2 Z 100/90, NJW-RR 1991, 531, 532; KG v. 29.10.1990 - 24 W 6672/89, NJW-RR 1991, 274). Entsprechend verhält es sich mit rechtsgeschäftlichen Handlungen des Verwalters gegenüber Dritten. Diese bleiben trotz des rückwirkenden Verlustes der Stellung als Verwalter wirksam (BayObLG v. 28.10.1987 - BReg.2 Z 124/87, NJW-RR 1988, 270; KK-WEG/Abramenko, § 26 Rz. 16; Niedenführ/Schulze, WEG, 7. Aufl., § 26 Rz. 19; Staudinger/Bub, BGB [2005], § 26 WEG Rz. 164).

[10] Dass dem Verwalter die sofortige Beschwerde gegen die Ungültigerklärung des Bestellungsbeschlusses eröffnet sein muss, folgt schließlich aus dem Anspruch auf Justizgewährung. So wie es dem Verwalter möglich sein muss, die rechtswidrige Entziehung seiner Stellung durch die Wohnungseigentümer einer gerichtlichen Prüfung zuzuführen, gilt dies in gleicher Weise für die Prüfung einer gerichtlichen Entscheidung, durch die seine Bestellung für ungültig erklärt wird.

III.

[11] Der Senat ist zur abschließenden Entscheidung der Sache nicht in der Lage, weil das Verfahren des Beschwerdegerichts unter einem Mangel leidet; denn das LG hat die Mehrheit der Wohnungseigentümer nicht in der gesetzlich gebotenen Weise an dem Verfahren beteiligt.

[12] Die Zustellung der Beschwerde an die Wohnungseigentümer kann im Beschlussanfechtungsverfahren gem. § 27 Abs. 2 Nr. 3 WEG zwar grundsätzlich an den Verwalter erfolgen. Das gilt jedoch nicht für eine von dem Verwalter eingelegte Beschwerde (BayObLG v. 20.6.1990 - BReg.2 Z 60/90, MDR 1990, 1018 = WuM 1990, 406; 1991, 131, 132; KK-WEG/Abramenko, § 27 Rz. 29; Niedenführ/Schulze, a.a.O., Vor §§ 43 ff. Rz. 122; Staudinger/Wenzel, a.a.O., Vor §§ 43 ff. WEG Rz. 33; ferner OLG Frankfurt v. 7.6.1989 - 20 W 150/89, OLGZ 1989, 433, 434; Merle in Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl., § 27 Rz. 131; Staudinger/Bub, a.a.O., § 27 Rz. 234 f.). Andernfalls hätte der Verwalter nicht nur sein eigenes Rechtsmittel für die Wohnungseigentümer entgegenzunehmen und dieses und sein Vorbringen an die Wohnungseigentümer weiterzuleiten, sondern er müsste so auch mit der Erwiderung und dem weiteren Vorbringen der erstinstanzlich erfolgreichen Antragsteller verfahren. Dem Verwalter würde angesonnen, gegen das von ihm als Beschwerdeführer geltend gemachte Interesse für die Wohnungseigentümer an dem Beschwerdeverfahren mitzuwirken. Das kommt nicht in Betracht. Der Konflikt zwischen dem von dem Verwalter als Beschwerdeführer geltend gemachten Interesse und dem möglichen Interesse der Wohnungseigentümer, die an dem erstinstanzlichen Verfahren nicht mitgewirkt haben, schließt die Zustellung an den Verwalter als Bevollmächtigten der Wohnungseigentümer aus. Eine dennoch an den Verwalter vorgenommene Zustellung entfaltet nach dem in § 178 Abs. 2 ZPO zum Ausdruck kommenden Grundsatz keine Wirkung.

[13] Folge hiervon ist, dass die Wohnungseigentümer, soweit sie an dem Verfahren vor dem Beschwerdegericht nicht durch einen Verfahrensbevollmächtigten mitgewirkt haben, an dem Beschwerdeverfahren nicht ordnungsgemäß beteiligt wurden (BayObLG v. 20.6.1990 - BReg.2 Z 60/90, MDR 1990, 1018 = WuM 1990, 406 f.; KG v. 27.6.1997 - 24 W 2353/96, KGReport Berlin 1997, 242 = ZMR 1997, 541, 542; OLG Hamm v. 19.10.2000 - 15 W 133/00, OLGReport Hamm 2001, 120 = NJW-RR 2001, 226, 227 f.; Staudinger/Bub, BGB, a.a.O., § 27 Rz. 237). Der Verfahrensfehler ist von Amts wegen zu beachten (OLG Zweibrücken v. 6.7.1987 - 3 W 66/87, NJW-RR 1987, 1367; BayObLG v. 30.1.1991 - BReg.2 Z 156/90, NJW-RR 1991, 849, 850; KG v. 27.6.1997 - 24 W 2353/96, KGReport Berlin 1997, 242 = ZMR 1997, 541, 542).

[14] Die unterlassene Beteiligung kann in dem als Rechtsbeschwerde ausgestalteten Verfahren der weiteren Beschwerde nur nachgeholt werden, wenn eine weitere Sachaufklärung weder notwendig, noch zu erwarten ist und nur das rechtliche Gehör zu gewähren ist (Senat, Beschl. v. 9.10.1997 - V ZB 3/97, BGH v. 9.10.1997 - V ZB 3/97, MDR 1998, 29 = NJW 1998, 755, 756; ferner OLG Frankfurt v. 17.6.1997 - 20 W 357/96, OLGReport Frankfurt 1997, 294 = ZMR 1997, 667; KG v. 27.6.1997 - 24 W 2353/96, KGReport Berlin 1997, 242 = ZMR 1997, 541, 542; OLG Hamm ZMR 1998, 587, 588; 2001, 138, 139). So verhält es sich hier nicht. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts beruht auf der Feststellung einer Vielzahl von tatsächlichen Umständen und der Abwägung von deren Bedeutung. Dass die in dem Beschwerdeverfahren nicht beteiligten Wohnungseigentümer weitere Umstände vorgetragen hätten, die insoweit zu berücksichtigen sind, kann nicht ausgeschlossen werden.

[15] Damit muss die Entscheidung des Beschwerdegerichts aufgehoben und die Sache an dieses zurückverwiesen werden. Allein im vorliegenden Verfahren der weiteren Beschwerde bedarf es der Beteiligung dieser Wohnungseigentümer nicht, weil die Entscheidung des Beschwerdegerichts wegen der unterbliebenen Beteiligung der Mehrheit der Wohnungseigentümer an dem Beschwerdeverfahren aufzuheben ist und die Sache zur Nachholung der unterlassenen Beteiligung an das Beschwerdegericht zurückverwiesen wird (BayObLGZ BayObLG v. 20.6.1990 - BReg.2 Z 60/90, MDR 1990, 1018 = WuM 1990, 406, 407).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1777614

NJW 2007, 2776

BGHR 2007, 958

EBE/BGH 2007

NJW-RR 2007, 1656

NZM 2007, 645

WM 2007, 2255

ZMR 2007, 798

ZfIR 2007, 651

DNotZ 2008, 118

MDR 2007, 1247

Rpfleger 2007, 600

WuM 2007, 540

ZWE 2007, 396

GuT 2007, 323

Info M 2007, 228

MietRB 2007, 263

NJW-Spezial 2007, 498

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