Entscheidungsstichwort (Thema)

Revisionszulassung. Gehörsverstoß. Fristversäumnis. Hinweisbeschluss des Berufungsgericht. Stellungsnahme. Rechtliches Gehör

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Revision ist nicht wegen eines Gehörsverstoßes zuzulassen, wenn es der Beschwerdeführer versäumt hat, den Verstoß im Rahmen der ihm eingeräumten Frist zur Stellungnahme auf einen Hinweisbeschluss des Berufungsgerichts zu rügen.

 

Normenkette

GG Art. 103 Abs. 1; ZPO §§ 295, 522 Abs. 2; GG Art. 103; ZPO § 522

 

Verfahrensgang

OLG Celle (Beschluss vom 23.07.2014; Aktenzeichen 3 U 75/14)

LG Hannover (Entscheidung vom 25.03.2014; Aktenzeichen 20 O 14/12)

 

Tenor

Die Nichtzulassungsbeschwerde gegen den die Berufung zurückweisenden Beschluss des 3. Zivilsenats des OLG Celle vom 23.7.2014 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Der Wert des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf 344.050,43 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Rz. 1

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft (§§ 522 Abs. 3, 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und zulässig (§ 544 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO). Sie hat jedoch keinen Erfolg. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Rz. 2

1. Ohne Erfolg beruft sich der Kläger auf eine Verletzung seines Verfahrensgrundrechts aus § 103 Abs. 1 GG.

Rz. 3

a) Die Revision ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, wenn die angefochtene Entscheidung auf einer Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs beruht, so dass nicht zweifelhaft ist, dass sie auf eine Verfassungsbeschwerde hin der Aufhebung durch das BVerfG unterliegen würde. Für die Zulassung wegen eines Rechtsfehlers sind deshalb die gleichen Voraussetzungen maßgebend, die nach der Rechtsprechung des BVerfG zum Erfolg einer Verfassungsbeschwerde führen würden (BGH, Beschl. v. 27.3.2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 296 f.; Beschl. v. 6.5.2010 - IX ZB 225/09, ZInsO 2010, 1156 Rz. 6).

Rz. 4

b) Soweit der Kläger beanstandet, das Berufungsgericht habe in seinem Hinweisbeschluss sein Vorbringen übergangen, wonach es sich bei den Äußerungen der Steuerberater L. und M. zu der Wertentwicklung und der gewinnbringenden Wiederverkäuflichkeit des Anlageobjekts nicht um eine unverbindliche Prognose oder bloß werbende Anpreisung ohne verbindlichen Gehalt, sondern um eine verbindliche Zusicherung mit einem für die Anlageentscheidung verbindlichen Inhalt gehandelt habe, steht der Geltendmachung eines Gehörsverstoßes der allgemeine Grundsatz der Subsidiarität entgegen. Gleiches gilt hinsichtlich des Vorwurfs, das Berufungsgericht habe eine vorweggenommene Beweiswürdigung vorgenommen, indem es darauf verzichtet habe, die vom Kläger als Zeugin benannte Ehefrau zur Abgabe einer verbindlichen Zusicherung durch die Steuerberater zu hören. Der Subsidiaritätsgrundsatz fordert, dass ein Beteiligter über das Gebot der Erschöpfung des Rechtswegs im engeren Sinn hinaus alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Grundrechtsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern (BGH, Beschl. v. 6.5.2010, a.a.O., Rz. 7; BVerfGE 73, 322, 325; 77, 381, 401; 81, 22, 27; 86, 15, 22; 95, 163, 171; st.Rspr.; vgl. Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl., Vor § 128 Rz. 8a). Diese Würdigung entspricht dem in § 295 ZPO zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken, nach dessen Inhalt eine Partei eine Gehörsverletzung nicht mehr rügen kann, wenn sie die ihr nach Erkennen des Verstoßes verbliebene Möglichkeit zu einer Äußerung nicht genutzt hat (BGH, Beschl. v. 6.5.2010, a.a.O.; BFH/NV 1993, 34; 1993, 422, 423; BVerwG, Beschl. v. 14.5.2008 - 4 B 45/07, WV Rz. 23 m.w.N.; Zöller/Greger, § 295 Rz. 5; Prütting in MünchKomm/ZPO, 4. Aufl., § 295 Rz. 37; Prütting/Gehrlein/Deppenkemper, ZPO, 7. Aufl., § 295 Rz. 6; Wieczorek/Schütze/Gerken, ZPO, 4. Aufl., § 522 Rz. 87).

Rz. 5

Die Möglichkeit, auf den Hinweisbeschluss des Berufungsgerichts gem. § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO Stellung zu nehmen, dient nach allgemeiner Auffassung dem Zweck, dem Berufungsführer das rechtliche Gehör zu gewähren (Hk-ZPO/Wöstmann, 6. Aufl., § 522 Rz. 14 f.; Rimmelspacher in MünchKomm/ZPO, 4. Aufl., § 522 Rz. 28; Stein/Jonas/Althammer, ZPO, 22. Aufl., § 522 Rz. 60; Wieczorek/Schütze/Gerken, a.a.O.; Zöller/Heßler, a.a.O., § 522 Rz. 34). Diesem soll Gelegenheit gegeben werden, sich zu der vom Berufungsgericht beabsichtigten Zurückweisung seines Rechtsmittels zu äußern. Dieser Zweck der Vorschrift würde verfehlt, wenn man dem Berufungskläger die Wahl ließe, ob er eine Gehörsverletzung im Hinweisbeschluss innerhalb der ihm eingeräumten Frist zur Stellungnahme oder erst in einem sich anschließenden Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren rügt. Dies würde der mit der Einführung des § 522 ZPO bezweckten Beschleunigung des Verfahrens zuwiderlaufen und die rechtskräftige Erledigung der Streitigkeit zu Lasten der in erster Instanz obsiegenden Partei verzögern (vgl. BT-Drucks. 14/4722, 96 f.).

Rz. 6

c) Im Streitfall hatte der Kläger nach Zustellung des Hinweisbeschlusses vom 25.6.2014 am 4.7.2014 bis zum Erlass des Zurückweisungsbeschlusses am 23.7.2014 mehr als zwei Wochen Zeit, um die vermeintlichen Gehörsverletzungen zu rügen. Von der ihm eingeräumten Stellungnahmefrist von zwei Wochen hat er keinen Gebrauch gemacht. Die Geltendmachung von Gehörsverstößen, auf denen die Zurückweisung der Berufung beruhen soll, im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren scheidet damit aus.

Rz. 7

2. Von einer weitergehenden Begründung wird gem. § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 9258925

NJW 2016, 9

FamRZ 2016, 1077

NJW-RR 2016, 699

IBR 2016, 495

WM 2016, 2146

ZIP 2016, 1360

JZ 2016, 409

MDR 2016, 634

MDR 2016, 664

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