Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschwer des Beklagten durch klageabweisendes Prozessurteil. Verpachtung zum Betrieb eines Reiter- und Pferdehofs. Nichtigkeit eines Pachtvertrags. schriftsätzliches Anerkenntnis. Beschwer des Rechtsmittelführers

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Rechtsmittelbeschwer des Beklagten, der mit seiner Berufung gegen ein klageabweisendes Prozessurteil das Ziel verfolgt, seinem Anerkenntnis gemäß verurteilt zu werden.

 

Normenkette

ZPO § 511

 

Verfahrensgang

OLG München (Beschluss vom 16.09.2014; Aktenzeichen 23 U 2627/14)

LG Landshut (Entscheidung vom 25.06.2014; Aktenzeichen 1 HKO 951/14)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 23. Zivilsenats des OLG München vom 16.9.2014 wird auf Kosten der Beklagten verworfen.

Wert: 24.000 EUR

 

Gründe

I.

Rz. 1

Die Klägerin ist die Rechtsnachfolgerin der Unterpächterin der D. GmbH, die mit Pachtvertrag vom 19.6.2005 eine Immobilie zum Betrieb eines Reiter- und Pferdehofs von der Beklagten gepachtet hatte. Für die Immobilie wurde auf Antrag einer Bank im Jahr 2006 die Zwangsverwaltung angeordnet. Auf die gegen die Pächterin und die Unterpächterin erhobene Klage des Zwangsverwalters stellte das LG Landshut mit rechtskräftigem Endurteil vom 14.3.2008 fest, dass der Pachtvertrag vom 19.6.2005 nichtig ist. Die zuvor schon in Liquidation befindliche Verpächterin (Beklagte) wurde Anfang 2009 im Handelsregister gelöscht; im August 2009 wurde ein Nachtragsliquidator für die Geltendmachung von Vermögensansprüchen aus der Versteigerung der Immobilie bestellt.

Rz. 2

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrt die Klägerin die Feststellung, dass besagter Pachtvertrag nicht nichtig sei. Für die Beklagte hat sich in erster Instanz ein Rechtsanwalt bestellt und den Klageantrag schriftsätzlich anerkannt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung ist niemand für die Beklagte erschienen, woraufhin die Klägerin Erlass eines Anerkenntnisurteils, hilfsweise eines Versäumnisurteils beantragt hat. Das LG hat die Klage jedoch als unzulässig abgewiesen, weil die Beklagte gesetzlich nicht vertreten und damit nicht prozessfähig sei.

Rz. 3

Gegen diese Entscheidung hat die Beklagte Berufung eingelegt mit dem Ziel, dass gegen sie entsprechend dem Klageantrag erkannt werden möge. Dann könne sie Ansprüche aus dem Pachtvertrag gegen die Pächterin und/oder die die Zwangsvollstreckung betreibende Bank geltend machen. Das Berufungsgericht hat die Berufung verworfen, weil die Beklagte durch das erstinstanzliche Urteil nicht beschwert sei.

Rz. 4

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Rechtsbeschwerde.

II.

Rz. 5

Die gem. §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.

Rz. 6

1. Das Berufungsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen, weil das angegriffene Urteil keine für die Beklagte nachteilige rechtskraftfähige Entscheidung enthalte. Die beklagte Partei sei - ohne dass es darauf ankomme, in welcher Weise sie zu dem Klagevorbringen Stellung genommen habe - beschwert, wenn die angefochtene Entscheidung ihrem Inhalt nach für sie nachteilig sei. Das sei bei dem klageabweisenden Urteil für die Beklagte jedoch nicht der Fall, auch wenn sie in der Sache ihre Verurteilung begehre.

Rz. 7

2. Die Rechtssache hat zum einen keine grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Anders als die Rechtsbeschwerde meint, ist durch die höchstrichterliche Rechtsprechung hinreichend der Begriff der Beschwer des Rechtsmittelführers und insb. die Frage geklärt, unter welchen Voraussetzungen ein Beklagter durch ein klageabweisendes Urteil beschwert sein kann. Zum anderen erfordert auch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Denn der angefochtene Beschluss verletzt die Beklagte nicht in ihrem verfahrensrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip), der den Gerichten verbietet, den Verfahrensbeteiligten den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. BGH v. 2.4.2014 - XII ZB 486/12, FamRZ 2014, 1012 Rz. 6 m.w.N.). Das Berufungsgericht hat nämlich die Berufung der Beklagten zu Recht als unzulässig verworfen.

Rz. 8

a) Für die klagende Partei gilt nach der Rechtsprechung des BGH die sog. formelle Beschwer, die nur dann vorliegt, wenn eine gerichtliche Entscheidung von dem in der unteren Instanz gestellten Antrag der Klagepartei zu ihrem Nachteil abweicht, ihrem Begehren also nicht voll entsprochen worden ist (BGHZ 140, 335, 338 = NJW 1999, 1339; BGH Beschlüsse v. 18.1.2007 - IX ZB 170/06, NJW-RR 2007, 765 Rz. 6 m.w.N.; v. 5.6.2014 - V ZB 16/14, NJW-RR 2014, 1279 Rz. 7). Demgegenüber bedarf es für die Zulässigkeit des Rechtsmittels eines Beklagten der sog. materiellen Beschwer. Für diese kommt es nicht darauf an, in welcher Weise er zu dem Klagevorbringen Stellung genommen hat, sondern es reicht aus, ist aber auch notwendig, dass ihm die angefochtene Entscheidung ihrem Inhalt nach nachteilig ist (vgl. BGH v. 15.1.1992 - XII ZB 135/91, NJW 1992, 1513, 1514; BGH Beschlüsse v. 18.1.2007 - IX ZB 170/06, NJW-RR 2007, 765 Rz. 6 m.w.N.; v. 5.6.2014 - V ZB 16/14, NJW-RR 2014, 1279 Rz. 7). Darüber hinaus ist erforderlich, dass der Beklagte mit seinem Berufungsantrag das Ziel verfolgt, diese Beschwer zu beseitigen (BGH BGHZ 85, 140, 142 = FamRZ 1982, 1198; BGH v. 15.1.1992 - XII ZB 135/91, NJW 1992, 1513, 1514 m.w.N.; Musielak/Ball ZPO, 11. Aufl. Vor § 511 Rz. 26; Stein/Jonas/Althammer ZPO, 22. Aufl. Vor § 511 Rz. 72 m.w.N.).

Rz. 9

Ausgehend von der für die Beklagtenseite maßgeblichen materiellen Beschwer kann ein Beklagter zum einen Berufung gegen ein gemäß seinem Anerkenntnis ergehendes Anerkenntnisurteil einlegen (BGH, Beschl. v. 15.1.1992 - XII ZB 135/91, NJW 1992, 1513, 1514; BGH, Urt. v. 5.1.1955 - IV ZR 238/54, NJW 1955, 545, 546). Zum anderen kann er auch durch eine klageabweisende Entscheidung beschwert sein, etwa wenn Prozess- statt Sachurteil ergangen (vgl. BGHZ 28, 349 f. = NJW 1959, 436; Zöller/Heßler ZPO, 30. Aufl. Vor § 511 Rz. 20), die Klage als "derzeit unbegründet" abgewiesen worden ist (BGHZ 144, 242, 244 f. = NJW 2000, 2988, 2989) oder die Klageabweisung auf einer Aufrechnung beruht (RGZ 161, 167, 172; Wieczorek/Schütze/Gerken ZPO, 4. Aufl. Vor §§ 511-541 Rz. 39).

Rz. 10

b) Gemessen hieran ist es im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die Zulässigkeit der Berufung verneint hat.

Rz. 11

Durch das erstinstanzliche Urteil ist die Klage abgewiesen worden. Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, eine Beschwer der Beklagten folge daraus, dass sie aufbauend auf die von der Klägerin begehrte Feststellung der Wirksamkeit des Pachtvertrags Ansprüche gegen Dritte durchsetzen könne. Abgesehen davon, dass ein derartiges Urteil zwischen den hiesigen Parteien keinerlei Rechtskraftwirkung in Rechtsstreitigkeiten mit den genannten Dritten entfalten würde, ist der von der Beklagten bezeichnete "Nachteil" bereits im Ansatz nicht geeignet, eine ein Rechtsmittel der Beklagten ermöglichende materielle Beschwer zu begründen. Denn diese Beschwer muss sich aus der Entscheidung selbst ergeben, wofür der rechtskräftige Inhalt der angefochtenen Entscheidung maßgebend ist (BGH Beschl. v. 16.4.1996 - XI ZR 302/95, NJW-RR 1996, 828, 829; Hk-ZPO/Koch 6. Aufl. Vor §§ 511-577 Rz. 19; Zöller/Heßler ZPO, 30. Aufl. Vor § 511 Rz. 19b). Daher ist nicht ausreichend, wenn eine nachteilige Wirkung erst aus dem Zusammenwirken mit sonstigen Umständen folgt.

Rz. 12

Denkbar wäre zwar eine Beschwer, die darin liegen könnte, dass die Klage nicht mit Sach-, sondern mit Prozessurteil abgewiesen worden ist. Die Beklagte hat aber mit ihrer Berufung nicht das Ziel verfolgt, diese Beschwer zu beseitigen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 7694506

DB 2015, 6

NJW 2015, 8

BauR 2015, 1218

EBE/BGH 2015

NJW-RR 2015, 1203

JZ 2015, 256

MDR 2015, 853

FamRB 2015, 218

PAK 2015, 80

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