Der durch die Tauben seines Nachbarn beeinträchtigte Grundstückseigentümer hat einen Abwehranspruch gegen den Tierhalter als Störer i. S. d. § 1004 BGB. Dabei ist nachzuweisen, dass die Haltung der Tiere eine wesentliche Beeinträchtigung zur Folge hat.

 
Praxis-Beispiel

Taubenverhalten als wesentliche Beeinträchtigung

Als wesentliche Beeinträchtigung wird das Gurren von Tauben ab 6.00 Uhr morgens angesehen.[1] Dagegen steht das Urteil des OLG Celle.[2] Danach sind das Flügelklatschen, Gurren und Scharren in den Dachrinnen im dort maßgebenden ländlichen Bereich als unwesentlich hinzunehmen, nicht jedoch Verunreinigungen durch Taubenkot beim Überfliegen von Grundstücken.

Eine Einschränkung kann sich im Einzelfall trotz einer wesentlichen Beeinträchtigung aus § 906 BGB ergeben. Das ist dann der Fall, wenn die Haltung der Tauben ortsüblich ist.[3]

 
Hinweis

Wann Taubenhaltung als ortsüblich gilt

Die Beurteilung einer Störung als ortsüblich orientiert sich an einem Vergleich des störenden Grundstücks mit anderen Grundstücken des Bezirks.[4] Dabei kommt es auf das tatsächliche Gepräge der Gegend als Industrie-, Gewerbe- oder Wohngebiet an. Streng wird vom AG Hamburg[5] im Zusammenhang mit einer Taubenplage festgehalten, dass Voraussetzung für die Ortsüblichkeit eine annähernd gleiche Beeinträchtigung aller Wohnungen im maßgeblichen Vergleichsbezirk sei. Sind nur große Wohnanlagen von der Taubenplage betroffen, fehlt es nach dieser Rechtsansicht an der Ortsüblichkeit. Es wird auf das Empfinden eines "normalen Durchschnittsmenschen" abgestellt, wobei Art- und Zweckbestimmung, insbesondere aber auch die planungsrechtliche Bewertung des Grundstücks eine Rolle spielen.[6]

Was die Anzahl der gehaltenen Tauben betrifft, schwankt die Rechtsprechung stark.

 
Praxis-Beispiel

Taubenanzahl bestimmt Ortsüblichkeit

  • Die Haltung von rund 100 Flugtauben auf dem Nachbargrundstück wurde von Gerichten als ortsüblich angesehen, wenn 15 weitere Grundstückseigentümer Tauben züchten.[7]
  • Im Fall des LG Itzehoe[8] befanden sich 2 Taubenschläge mit Baugenehmigung im Wohngebiet, angrenzend an eine landwirtschaftlich genutzte Fläche. Gehalten wurden ca. 104 Tauben, davon 30 Zuchttauben (die keinen "Ausgang" hatten) und 43 Jungtiere. Die Kläger als Nachbarn beschwerten sich, dass die Tauben regelmäßig über ihr Grundstück flogen und Exkremente fallen ließen. Der Aufenthalt im Garten ohne Schirm sei nicht möglich, ebenso wenig das Aufhängen der Wäsche. Ferner seien sie ständigem Lärm ausgesetzt. Kotflecken konnten bei einem Ortstermin allerdings nicht festgestellt werden. Ob der klagende Nachbar durch Taubenlärm in wesentlicher Weise gestört wurde, konnte dahinstehen. Denn auch starke Beeinträchtigungen sind zu dulden, wenn sie ortsüblich sind. Dies wurde vom Gericht bejaht.
  • Das LG Paderborn[9] hat 160 Tauben nicht beanstandet. während das LG Itzehoe etwas über 100 Tauben noch als ortsüblich ansieht, wenn auch andere Grundstückseigentümer Tauben halten.
  • Das Gurren von etwa 50 Tauben muss nicht hingenommen werden.[10]
  • Das LG München II[11] hat entschieden: "Liegt ein Grundstück im reinen Wohngebiet, kann ein Anwohner vom Eigentümer des ca. 50 m entfernten Grundstücks verlangen, dass dieser die Bepflanzung vor den Anflugöffnungen an seinem Taubenstall entfernt, damit die Tauben geradeaus ihren Verschlag verlassen, nicht mehr als 105 flugfähige Tauben auf dem Grundstück hält und diese Tauben nur in Gruppen zu höchstens 35 Stück und nicht länger als 1 Stunde je Gruppe fliegen gelassen werden."
  • Das VG Neustadt[12] hält im reinen Wohngebiet mehr als 60 Tauben nicht mehr für hinnehmbar.
  • Der VGH Baden-Württemberg[13] hat die Haltung von 35 Tauben im reinen Wohngebiet nicht mehr als ortsüblich bewertet.
  • Das OLG Celle[14] ist der Meinung, dass 20 Tauben auch in ländlicher Gegend die Grenze bilden.
  • Für das LG Hamburg[15] sind 10 Tauben ausreichend.
  • Nach dem OVG Lüneburg[16] ist eine kleine hobbymäßige Brieftaubenhaltung auch im reinen Wohngebiet zulässig. Im konkreten Fall konnten ernsthafte Belästigungen des klagenden Nachbarn nicht festgestellt werden.
 
Hinweis

Zuchttauben von Brief- und Sporttauben unterscheiden

Im Gegensatz zu reinen Zuchttauben müssen, so das OLG Celle[17], Brief- und Sporttauben nahezu täglich Trainingsflüge ausführen können. Die behördlich angeordnete Beschränkung auf 2 Stunden täglich und eine Ausflugsperre während einer Aussaatzeit erscheint dem OLG daher in Ordnung. In der ländlichen Gegend ist das Flügelklatschen, Gurren und das Scharren in Dachrinnen unwesentlich, wobei auch das pfeifende Anlocken der Tauben durch deren Halter hinzunehmen ist.

Erwähnt sei auch die "Schwalbennest-Entscheidung" des LG Hechingen.[18] Ein Grundstücksnachbar hatte an seinem Haus mehrere Dutzend Kunstnester angebracht, die von naturschutzrechtlich geschützten Mehlschwalben angenommen wurden. Tagsüber herrschte besonders während der Brut- und Fütterungszeit ein intensiver Vogelflug über das beeinträchtigte Grundstück, auf welches auch Exkremente fielen. Im Kern wurde...

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