Leitsatz (amtlich)

1. Bei einem Realisierungswettbewerb handelt es sich um einen Teilnahmewettbewerb eigener Art, denn er dient in erster Linie der Auswahl der Architekten, mit denen über die Vergabe eines konkreten Planungsauftrags verhandelt werden soll. Deshalb teilt der Senat nicht die Auffassung des OLG Düsseldorf (Beschl. v. 31.3.2004 - VII-Verg 4/04), der Entscheidung des Preisgerichts komme eine dem Zuschlag entsprechende, der Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags entgegenstehende Wirkung zu.

2. Es ist grundsätzlich unbedenklich, ein während des Nachprüfungsverfahrens neu gefasstes und ergänztes Protokoll über die Sitzung des Preisgerichts als Grundlage für die Entscheidung über einen Nachprüfungsantrag zu berücksichtigen.

 

Verfahrensgang

Vergabekammer Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 27.04.2010; Aktenzeichen VK1-4/10)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen Nr. 1 des Beschlusses der Vergabekammer Rheinland-Pfalz von 27.4.2010 wird als unbegründet verworfen. Insoweit trägt die Antragstellerin die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Auftraggebers.

Der Auftraggeber trägt die Kosten seiner zurückgenommenen Anschlussbeschwerde gegen Nr. 3 des Beschlusses der Vergabekammer Rheinland-Pfalz von 27.4.2010 und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen der Antragsstellerin.

Der Beschwerdewert wird

  • in der Hauptsache auf 95.000 EUR
  • für die Anschlussbeschwerde auf 3.738 EUR

festgesetzt.

 

Gründe

I.1. Das Land Rheinland-Pfalz (Beschwerdegegnerin) beabsichtigt, auf einem am südlichen Stadteingang von Mainz gelegenen Gelände ein Archäologisches Zentrum zu errichten. Hauptnutzer soll das Römisch-Germanische Zentralmuseum (RGZM) werden, das nicht nur Ausstellungsräume, sondern auch Laboratorien und sonstige Arbeitsräume für die Mitarbeiter der wissenschaftlichen Abteilungen seines Forschungsinstituts benötigt. Daneben sollen dort die Abteilungen für Vorgeschichte und Römerzeit des Landesmuseums Mainz sowie Ausstellungen der Landesarchäologie Rheinland Pfalz zusammengefasst werden.

Die Gebäude in der näheren Umgebung, darunter eine heute als Museum für antike ... [F] genutzte ehemalige Lokhalle und das Verwaltungsgebäude der ... [A] AG, sind bis zu 18 m hoch. Auf einer Seite grenzt das Areal an eine auf einem Damm verlaufende Bahntrasse.

Es gibt (noch) keinen Bebauungsplan, der das gesamte neu zu bebauende Gelände umfasst.

2. Zur Vorbereitung der Vergabe von Planungsleistungen machte die Beschwerdegegnerin Ende Juni 2009 einen offenen Realisierungswettbewerb in zwei Phasen nach §§ 20, 25 VOF 2006 i.V.m. RPW 2008 EU-weit bekannt. Die Aufgabenstellung umfasste sowohl städtebauliche Aspekte als auch eine ansprechende Lösung des Raumbedarfs mit optimalen Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter des RGZM.

In der Bekanntmachung wurden die Fach- und Sachpreisrichter namentlich benannt; deren Vertreter wurden später in den Auslobungsunterlagen den Wettbewerbsteilnehmern mitgeteilt.

Es wurde angekündigt, drei Preisträger zu ermitteln und mit den Preisträgern über die Vergabe von Planungsaufträgen für das geplante Vorhaben zu verhandeln. Außerdem standen 21.000 EUR für Anerkennungen zur Verfügung.

Nach den Auslobungsbedingungen "soll" der Neubau "nach § 34 BauGB genehmigungsfähig sein, d.h. er soll sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der überbauten Grundstücksfläche in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen"; die Höhe der Neubauten "soll" sich an der Umgebungsbebauung "orientieren". Die Mitglieder des Preisgerichts sahen in einem Verstoß gegen diese Sollvorgabe, wie bereits im Protokoll über die Sitzung in der ersten Wettbewerbsphase vom 28./29.10.2009 festgehalten wurde, keinen zwingenden Ausschlussgrund i.S.d. § 25 Abs. 6 Satz 1 VOF 2006.

3. 23 von 125 Architekten bzw. Architektengemeinschaften, darunter die am vorliegenden Verfahren beteiligten, qualifizierten sich für die zweite Wettbewerbsphase. Das Preisgericht gab ihnen für die Weiterentwicklung ihrer Arbeiten umfangreiche Empfehlungen. Sie wurden u.a. darauf hingewiesen, dass die wissenschaftlichen Mitarbeiter des RGMZ "hervorragende Arbeitsbedingungen" benötigt und dass die Werkstätten und Labore "hinreichend belichtet" sein müssen, soweit das vorgegebene Raumprogramm nicht ausdrücklich eine Unterbringung im Untergeschoss vorsieht.

Die Antragstellerin schlägt einen faustkeilförmigen Solitärbaukörper vor, der auf einem Sockelgeschoss steht, in dem insbesondere der Forschungstrakt für das RGMZ untergebracht werden soll.

Der Entwurf der Beigeladenen zu 2 (Kennziffer 1142) - der "Stein des Anstoßes" im vorliegenden Nachprüfungsverfahren - sieht neben einem niedrigen Atriumsgebäude einen "Museumskörper" vor, der im Südosten des Areals über einem topographisch gestalteten Sockel "schweben" soll und die Umgebungsbebauung um bis zu 10 ½ m überragen würde.

Der von der Beigeladenen zu 1 (Kennziffer 1132) vorgeschlagene Neubau hätte eine Traufhöhe von 24 m.

4. In der zweitägigen Sitzung des Preisgerichts am 1. und 2.2.2010, in der...

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