Sechs Monate lang haben Politik, Immobilienwirtschaft und Mieterorganisationen verhandelt und sich auf eine Reihe von Maßnahmen verständigt, die das Bauen in der Hauptstadt beschleunigen und den Anstieg der Mieten bremsen sollen. Am 20. Juni hat das Berliner Wohnungsbaubündnis im Roten Rathaus eine 22-seitige Vereinbarung unterschrieben. Der Mieterverein und der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) sind aber vorerst nicht mit von der Partie. Für sie ist die Regierungschefin nicht kritikfähig genug.

Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey sagte nach der Zeremonie, dass sie allerdings davon ausgehe, dass die Liste der Unterzeichner noch länger werde. "Wir haben mehr geschafft, als in anderen Bundesländern auch nur diskutiert wird", rechtfertigte die SPD-Politikerin die gemeinsame Erklärung.

Neben Giffey und Senatsmitgliedern sowie Bezirksbürgermeistern gehören unter anderem der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU), der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW), Vertreter von Genossenschaften und Berlins größter Vermieter Vonovia zu den Erstunterzeichnern. Zugesagt hat auch der schwedische Immobilienkonzern Heimstaden.

Mindestens 100.000 neue Wohnungen bis Ende 2026

Laut der 22-seitigen Vereinbarung sollen in Berlin bis Ende 2026 mindestens 100.000 neue Wohnungen gebaut werden, davon die Hälfte im unteren und mittleren Preissegment. Bebauungspläne sollen künftig innerhalb von 3 Jahren vorliegen. Gleichzeitig sollen pro Jahr bis zu 5.000 Sozialwohnungen gefördert werden – dafür sind 2022 und 2023 jeweils 740 Mio. EUR im Haushalt vorgesehen.

Die privaten Wohnungsunternehmen haben sich mit der Unterzeichnung verpflichtet, bei Wiedervermietung 30 % der Wohnungen an Mieter mit Anspruch auf einen Wohnungsberechtigungsschein (WBS) zu reservieren. Mieterhöhungen dürfen bei WBS-berechtigten Haushalten nicht mehr zu Belastungen von mehr als 30 % des Haushaltseinkommens (netto) würden.

Die Großvermieter mit einem Berliner Bestand ab 3.000 Wohnungen sollen sich künftig zudem an der Kappungsgrenze für Mieterhöhungen von 11 % in 3 Jahren orientieren. Damit zieht Berlin eine Regelung vor, die so auch im Bund geplant ist.

ZIA kritisiert Härtefallklausel

Der ZIA hätte nach eigenen Angaben unterzeichnet, wollte aber 3 "ernste Einwände" in einer Protokollerklärung festhalten. Das habe die Berliner Senatsverwaltung nicht akzeptiert, sagte Hauptgeschäftsführer Oliver Wittke. Diese Entscheidung habe "keinerlei Aussagekraft" für das Bundesbündnis unter der Regie von Bauministerin Klara Geywitz (SPD).

Kritik übte der Immobilienverband konkret an den gedeckelten Nettokaltmieten in Bezug auf die jährlichen Haushaltseinkommen, an der Reservierungspflicht von 30 % der Wohnungen an WBS-Haushalte und den "starren Auflagen der kooperativen Baulandentwicklung", die aus Sicht des ZIA zu enge Grenzen setzen. "Wir können als Verband am Ende Fragen der Wirtschaftlichkeit nicht völlig ausblenden. Schließlich müssen unsere Mitglieder all das auch refinanzieren können", sagte Wittke.

"Insofern überrascht es uns, dass der Mieterverein den Vertrag nicht unterzeichnen wollte", kommentierte Nils Werner, Geschäftsführer des IVD Berlin-Brandenburg. "Bei einem Bündnis geht es schließlich um Kompromisse und nicht darum, den eigenen Standpunkt um jeden Preis durchzusetzen."

Was vereinbart wurde, sei einfach zu wenig, argumentierte wiederum Reiner Wild Geschäftsführer des Berliner Mietervereins. Es fehlten vor allem Instrumente für den Fall von Neuvermietungen.

Baunovelle: Kritik an der Begrünungspflicht

Das Bündnis für Wohnungsbau wurde als Teil des 100-Tage-Programms der seit Ende September 2021 amtierenden rot-grün-roten Berliner Koalition gestartet.

Für eine grünere Stadt hat der Senat zudem die Baunovelle auf den Weg gebracht. Auch die ist Teil des 100-Tage-Programms. Sie erleichtert serielles Bauen und Ausbau von Dachgeschossen. Das Bauen mit Holz wird hinsichtlich des Brandschutzes erleichtert. Außerdem gibt es Vorgaben zur Barrierefreiheit und ein Verbot der vollständigen Verschotterung von Vorgärten. Der Entwurf sieht auch vor, dass ein Fünftel eines neu zu bebauenden Grundstücks zu begrünen ist, notfalls auch Dächer oder Fassaden. Neue Dächer mit einer Neigung bis zu 10 Grad sollen immer begrünt werden.

Der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) kritisierte, die Novelle werde das Bauen weiter verteuern und erschweren. Letztlich müsse man über eine bessere Förderung sprechen, um das ebenso gesetzte Ziel der Sozialverträglichkeit zu gewährleisten, sagte BBU-Vorständin Maren Kern.

Koalitionsvertrag: Grundlage für das Bündnis

Die geplanten 200.000 neuen Wohnungen – "möglichst die Hälfte davon in dieser Legislatur" und "im gemeinwohlorientierten und bezahlbaren Sektor" – sind im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Allein die kommunalen Gesellschaften sollen 35.000 Wohnungen bauen. Dafür werden weiter unentgeltlich landeseigene Grundstücke übertragen, deren Wert als Mietsubvention eingesetzt werden ...

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