
Jahrelang ist die Zahl der Zwangsversteigerungen stetig gesunken. Ein Grund waren die niedrigen Zinsen und die hohe Nachfrage nach Wohneigentum. Zuletzt haben sich die Kredite rasant verteuert – Experten erwarten, dass bald deutlich mehr Immobilien unter den Hammer kommen werden.
Die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) hat Immobilienfinanzierungen jahrelang immer billiger gemacht. Damit ist Schluss: Die Zinslast steigt wieder. Experten erwarten, dass in Folge dessen mehr Wohnungen oder Häuser zwangsversteigert werden müssen.
Auch die lange Zeit gute Konjunktur hielt die Last von Krediten niedrig – was die Nachfrage nach Immobilien antrieb. Die Zahl der Zwangsversteigerungen in Deutschland ist deshalb stetig gesunken. Im vergangenen Jahr waren laut Recherchen von Argetra im Bundesschnitt nur 32 von 100.000 Haushalten davon betroffen.
Zwangsversteigerungen: Zäsur erst 2023 und 2024?
"Zinserhöhungen, die hohe Inflation und das gesunkene Verbrauchervertrauen trifft gerade die Schicht der mittleren Haushaltseinkommen", erklärte Walter Ruesch, Geschäftsführer beim Ratinger Fachverlag Argetra. Es werde kaum Verhandlungsspielraum mit Banken geben, die Immobilien in den vergangenen Jahren "bis an den Anschlag finanziert haben".
Ruesch geht davon aus, dass die Zahl der Zwangsversteigerungen deutlich steigen wird. Wegen der Verfahrensdauer von ein bis zwei Jahren werde sich das jedoch erst in den Jahren 2023 und 2024 deutlich bemerkbar machen. "Aktuell haben wir lediglich eine leichte Steigerung."
Der Fachverlag Argetra veröffentlicht regelmäßig Berichte zu Zwangsversteigerungen von Immobilien und wertet dazu die entsprechenden Termine an allen knapp 500 Amtsgerichten in Deutschland aus.
Zinsbindungen laufen aus, Bauzinsen steigen
Zuvor hatten auch Forscher des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) vor mehr Zwangsversteigerungen gewarnt. Höhere Zinsen könnten all jene hart treffen, deren Zinsbindung in der kommenden Zeit auslaufe, sagte DIW-Forscher Markus Grabka jüngst dem "Business Insider".
Noch zahlten viele Menschen mit Hypothek niedrige Zinsen, weil die Zinsbindung von oft zehn bis 15 Jahren nicht die aktuellen und kommenden Zinserhöhungen der EZB widerspiegele, erklärte Grabka. Sobald die Zinsbindung jedoch endeten, würden die Rückzahlungen spürbar nach oben getrieben werden.
Die Bauzinsen sind in den vergangenen Monaten deutlich hochgeschossen. Der effektive Zins für zehnjährige Finanzierungen stieg zuletzt im Schnitt erstmals seit mehr als zehn Jahren wieder über die Marke von drei Prozent, wie die Frankfurter FMH-Finanzberatung berichtete. Wegen der hohen Inflation steigt das Zinsniveau an den Kapitalmärkten. Notenbanken stehen unter Druck, die Leitzinsen anzuheben.
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