Projektentwickler im Krisenmodus – in China und Deutschland

Chinas Immobiliensektor steht immer stärker unter Druck. Ever­gran­de, einer der größten Projektent­wickler des Landes, musste in den USA Insolvenz beantragen. Die Krise der Developer hierzulande hat mit Fernost eins gemeinsam – die Konsolidierung dürfte begonnen haben.

In China stehen immer mehr Projektenwickler mit dem Rücken zur Wand. Entwarnung gibt es nicht. Neben dem Immobilienriesen Evergrande – der allein Schulden von umgerechnet mehr als 300 Milliarden Euro angehäuft hat – ist mit Country Garden ein weiteres Schwergewicht der Branche schwer angeschlagen. Die Aktienkurse beider Krisenfirmen, deren Papiere lange Zeit vom Handel ausgesetzt waren, verloren im Vergleich zu ihren Höchstständen rund 90 Prozent an Wert. Bei Evergrande schmolz die Marktkapitalisierung von zirka 40 Milliarden auf 340 Millionen Euro zusammen.

Immobiliensektor in China: 25 Prozent des BIP

"Angesichts der hohen Schuldenlast kommt der Niedergang der beiden privaten Baugiganten nicht unerwartet", sagt Simon Wallace, Global Co-Head of Real Estate Research der Investmentgesellschaft DWS. Die Stimmung unter den Käufern von Häusern und bei Investoren sei derzeit sehr fragil. Zumal die Abwärtsrisiken zunehmend auf gesündere private und staatliche Bauträger sowie andere Bereiche des Immobilienmarktes übergriffen.

Trotz der zunehmend prekärer werdenden Situation hielt sich die chinesische Regierung mit Stützungsmaßnahmen bislang zurück. Die Lage wurde offenbar nicht als so brisant eingestuft, dass ein Kontrollverlust befürchtet wurde. Nun hat wohl ein Umdenken eingesetzt: Denn man ist gewillt, der angeschlagenen Branche auch finanziell aus der Patsche zu helfen.

Der Immobiliensektor ist für China von enormer wirtschaftlicher Bedeutung. Auf ihn entfällt ein Viertel des Bruttoinlandsprodukts (BIP) – zum Vergleich: In Deutschland sind es knapp 20 Prozent. Kriselt der Immobilienmarkt, schlägt das auf andere Wirtschaftssektoren durch. Die Konjunkturdynamik hat sich auch infolgedessen gegenüber den Boomjahren erheblich abgeflacht: 2023 soll die Wirtschaft um knapp fünf Prozent wachsen, in den nächsten Jahren dürfte das Plus Prognosen zufolge aber deutlich niedriger ausfallen.

Kreditgeber ohne Banklizenz: Mehr staatliche Kontrolle?

Dass die Weltkonjunktur lahmt, spürt Exportweltmeister China längst. Im Juli knickten die Exporte gegenüber dem Vorjahr um 14,5 Prozent ein. Statt Euphorie herrscht im Reich der Mitte, auch wegen der hohen Arbeitslosigkeit, Konsumzurückhaltung. Die Wirtschaft droht in die Deflation abzudriften. Auch der Finanzsektor sendet erste Krisensignale.

Mit dem Zhongrong International Trust könnte eine sogenannte Schattenbank in eine ernsthafte Liquiditätsklemme geraten. Hierbei handelt es sich um Kreditgeber ohne Banklizenz. Sie stecken für Investoren Geld in mitunter hochspekulative Immobilienanlagen, um dadurch höhere Renditen zu realisieren. Wenn die floppen, haben die Investoren das Nachsehen.

"Die aktuelle Situation dürfte der Staat nutzen, um den Immobilienmarkt noch stärker zu kontrollieren", ist Professor Tobias Just, Geschäftsführer der IREBS Immobilienakademie überzeugt. Dafür sei er eine viel zu wichtige Wachstumsstütze. Kapitalspritzen sind seiner Einschätzung nach ebenso denkbar wie gezielt gesteuerte Firmenübernahmen.

Immobilienkrise in China: Wirkung auf internationale Finanzmärkte

Die Probleme des chinesischen Immobiliensektors drücken auf die Stimmung an den internationalen Finanzmärkten. Sie weckt Erinnerungen an die Finanzkrise von 2008. "Solange es nicht zu erheblichen Störungen in der Weltwirtschaft kommt, schätzen wir die Ansteckungsgefahr für den europäischen Immobilienmarkt gering ein", so DWS-Branchenexperte Wallace. Zumal die Direktinvestitionen aus China in europäische Immobilien gering seien: Sie beliefen sich laut dem Frankfurter Vermögensverwalter in den vergangenen fünf Jahren im Schnitt auf ein jährliches Investitionsvolumen von etwas mehr als drei Milliarden Euro, was nur einem Prozent der gesamten Transaktionen entspreche.

Außerdem sind von den Zahlungsausfällen chinesischer Immobilienkonzerne vorwiegend die Käufer von deren Unternehmensanleihen betroffen. Das sei eine völlig andere Gemengelage als in der Finanzkrise, die vor 15 Jahren Europa und die USA erschütterte, stellt Just fest. Dennoch steht auch vielen Bauträgern und Projektentwicklern hierzulande das Wasser bis zum Hals. "Wegen massiv gestiegener Grundstückspreise, Bau- und Finanzierungskosten sowie fallender Verkaufspreise geht die Kalkulation vieler Developer nicht mehr auf", warnt André Adami, Bereichsleiter Wohnen des Immobilienanalysten Bulwiengesa.

Projektentwickler: Investor Development zahlt sich aus

In Deutschland tummeln sich rund 9.000 Projektentwickler. Um Verluste zu begrenzen, werden viele Projekte geschoben, auch zu Notverkäufen ist es vereinzelt bereits gekommen. Das schwierige Geschäftsumfeld hat sogar größere Developer wie die Düsseldorfer Gerch Group oder den Münchner Luxusimmobilien-Entwickler Euroboden insolvent werden lassen. "Es wird zu vielen Portfoliobereinigungen kommen. Was wir gerade erleben, ist wahrscheinlich erst der Beginn einer Insolvenzwelle und Branchenkonsolidierung", so Adami.

"Die Durststrecke, die alle Marktteilnehmer durchstehen müssen, wird mindestens eineinhalb bis zwei Jahre dauern", befürchtet Stefan Scharff, Immobilienaktienanalyst von SRC Research. Zinsen und die Grundstücksankaufspreise müssten sinken, auch steigende Mieten seien wichtig, damit das Projektentwicklersegment wieder auf die Beine kommen könne.

Besonders kritisch könnte es für die Developer werden, die für institutionelle Investoren und Kapitalanleger Bauvorhaben realisieren. "Je länger der Exit so schwierig bleibt wie zurzeit, desto stärker verschlechtert sich deren Liquiditätssituation", gibt Matthias Pink, Head of Research Germany des Immobiliendienstleisters Savills, zu bedenken. Wer hingegen für den eigenen Bestand baue, stehe wesentlich besser da, weil die Hürde, Verkäufe realisieren zu müssen, wegfalle und ein permanenter Cashflow gewährleistet sei.

Kostensituation der Projektentwickler muss sich entspannen

Positiv, vor allem im Wohnungssegment, sei, dass – im Gegensatz zu China – die Nachfrage das Angebot übersteigt. "Doch die Genehmigungsprozesse für Bauprojekte in Deutschland sind bürokratisch und langwierig, Investitionen in energetische Maßnahmen zudem teuer. Zusätzlich verunsichern aktuell Diskussionen über Mietendeckel die Investoren", kritisiert Oliver Schweizer, Leiter des Bereichs Immobilien bei EY Deutschland.

Laut Expertenschätzungen werden in diesem Jahr in Deutschland statt der von der Bundesregierung anvisierten 400.000 wohl höchstens 250.000 Wohnungen neu gebaut. "Und 2024 und 2025 dürften es sogar noch weniger werden“, schätzt Schweizer. Damit sich die Lage bessert, muss sich die Kostensituation der Projektentwickler entspannen. Das heißt vor allem: weniger Druck von der Baukosten- und Finanzierungsseite. Das betrifft nicht nur die Zinsen für Kredite und Mezzaninekapital, sondern auch die Beleihungsausläufe.

Statt wie vor zwei oder drei Jahren 80 oder 90 Prozent der Kosten von Projekten zu finanzieren, übernehmen Geldgeber hiervon allenfalls 50 bis 60 Prozent. Darüber hinaus wären, fügt Schweizer hinzu, funktionierende staatliche Förderprogramme, Bürokratieabbau sowie eine weitgehende Digitalisierung behördlicher Genehmigungsprozesse sicherlich hilfreich.


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Schlagworte zum Thema:  Immobilienmarkt, Krieg in der Ukraine