Insolvenzen bei Projektentwicklern: Noch kein Ende in Sicht

Mit der Gerchgroup, Development Partner, der Project-Gruppe und Euroboden sind innerhalb weniger Wochen mehrere große Projektentwickler in die Insolvenz gerutscht – weitere stehen unter Druck. Experten gehen davon aus, dass das noch nicht das Ende ist. Wie geht es weiter?

Hohe Finanzierungs- und Baukosten, die erhöhten energetischen Anforderungen und regulatorische Unsicherheiten lasten weiter schwer auf dem Immobilien- und Bausektor. Dominante Entwicklung auf dem Immobilienmarkt sind derzeit die gehäuften Insolvenzen bedeutender Projektentwickler, heißt es im BF.Marktradar für September 2023. Und die Marktbereinigung sei noch nicht beendet.

Liquidität der Immobilienentwickler leidet

Daran wird den Experten zufolge auch die in Aussicht gestellte staatliche Unterstützung wenig ändern. "Die immer noch hohe Inflation bedeutet, dass weitere Leitzinserhöhungen möglich sind. Eine schwächelnde Konjunktur – auch in der Immobilienbranche – wird hierbei als notwendiges Übel angesehen, um die Inflation zu brechen", kommentieren Prof. Dr. Steffen Sebastian, Inhaber des Lehrstuhls für Immobilienfinanzierung an der IREBS (Universität Regensburg) und Francesco Fedele, CEO der BF.direkt AG, die Lage am Immobilienmarkt.

Innerhalb der vergangenen Wochen rutschten mit der Gerchgroup, Development Partner, der Project-Gruppe, Euroboden, Revitalis und Centrum mehrere namhafte Projektentwickler in die Insolvenz. Medienberichten zufolge steht auch Interboden unter Druck und verhandelt derzeit über frisches Eigenkapital mit Eigentümern und Investoren.

Schlechte Nachrichten für Investoren und Baufirmen

In der Analyse werden die Liquiditätsprobleme der Entwickler auf das derzeitige Marktumfeld zurückgeführt: Die Finanzierer halten sich bei der Kreditvergabe zurück, Immobilienbewertungen sinken und der Absatz von Neubauten läuft nur noch schleppend – sinkende Immobilienpreise, eine sich eintrübende Auftragslage und weitere Marktbereinigungen dürften bis zum Ende des aktuellen Zins- und Konjunkturzyklus anhalten. Ob sich der Abwärtstrend fortsetze, hängt laut BF-Marktradar maßgeblich von den künftigen wirtschafts- und geldpolitischen Impulsen ab.

Mittlerweile hat die Bundesregierung die Einführung einer degressiven AfA in Höhe von sechs Prozent für sechs Jahre beschlossen – "ein Teilerfolg für die Branche, der auf einen zweiten Blick jedoch an Bedeutung verliert", schreiben Fedele und Sebastian. Doch mit einer Investition müssten zumindest mittelfristig Gewinne erzielt werden, sonst könnten auch Abschreibungen nicht helfen. Auf der Zinsseite dürften die Hoffnungen der Immobilienbranche enttäuscht werden: Die EZB hat den Hauptrefinanzierungssatz Ende Juli 2023 noch einmal auf 4,25 Prozent angehoben – und eine weitere Erhöhung wurde nicht ausgeschlossen

Project Immobilien: Insolvenz erfasst Baustellen

Der Immobilienentwickler Project hat im August Insolvenz für drei von vier Tochtergesellschaften beantragt. Am 1. September teilte der vorläufige Insolvenzverwalter Volker Böhm von der Kanzlei Schultze & Braun mit, dass 56 der 118 Baustellen-Gesellschaften ebenfalls Insolvenzanträge gestellt haben. Ein wichtiger Grund für die Insolvenz seien die enorm gestiegenen Baukosten infolge des Krieges in der Ukraine. Der rasche Anstieg der Zinsen in Kombination mit dem Anstieg der Baupreise habe bereits zuvor Insolvenzen in der Branche nach sich gezogen.

Auch bei Euroboden, einem Entwickler von Luxus-Immobilien, hat im August der Insolvenzverwalter die Geschäfte übernommen, weil sich das Marktumfeld laut Unternehmen drastisch verschlechtert hat: Nun soll der Geschäftsbetrieb so schnell wie möglich stabilisiert werden, wie Rechtsanwalt Oliver Schartl von der Münchner Kanzlei Müller-Heydenreich Bierbach & Kollegen sagte.

Weitere namhafte Projektentwickler in Not

Der Düsseldorfer Entwickler Development Partner stellte Anfang August Insolvenzantrag – das betrifft auch einige Projektgesellschaften. Zum vorläufigen Sachverwalter wurde nach Angaben des Unternehmens Georg F. Kreplin von der Kanzlei KKN Rechtsanwälte bestellt. Begleitet wird die Gruppe während der Restrukturierung durch die Wirtschaftskanzlei SGP Schneider Geiwitz. Man werde jedes Projekt prüfen und alle tragfähigen Projekte fortführen, hieß es.

Wegen der kritischen Marktentwicklung seien die Liquiditätsreserven aufgebraucht. "Starke Baukostensteigerungen, die hohen Zinsen und die enorme Zurückhaltung von Finanzierern bei der Vergabe von Darlehen treffen auf gesunkene Bewertungen von Objekten aufgrund der Marktlage", sagte der Sanierungsexperte Christian Plail von SGP Schneider Geiwitz. Zudem sei die Käufernachfrage in nahezu allen Projektbereichen zum Erliegen gekommen.

Auch der Immobilienentwickler Gerch hat Insolvenzantrag gestellt und hofft, in Eigenverwaltung die milliardenschwere Projektpipeline retten zu können, wie Vorstandschef Mathias Düsterdick am 30. August in Düsseldorf sagte. Die Insolvenz betrifft bisher nicht die Projektgesellschaften, sondern nur die vier Dach-Gesellschaften der Gruppe.

Umfrage: Lage in der Immobilien-Projektentwicklung

Der Berliner Wohn- und Gewerbemakler Quin Investment hat im August 25 Immobilienentwickler in einer anonymisierten Umfrage zur Lage interviewt. Darunter renommierte Firmen wie die GBI AG, Arcadia Investment, Art Invest und Profi Select sowie kleinere und mittelständische Entwickler.

Zwei Drittel (zirka 66 Prozent) der befragten Unternehmen schreiben den gestiegenen Zinsen Einfluss auf aktuelle Investitionsentscheidungen zu. Mehr als jede zehnte Firma (elf Prozent) bewertet den Zinsanstieg als starken Faktor – nur knapp ein Viertel (22 Prozent) schätzt den Einfluss steigender Zinsen eher als moderat ein. Neben einer unzureichenden staatlichen Förderung (8,7 Prozent) belasten vor allem die Baukosten (39 Prozent) die Branche.

Gefragt hat Quin Investment die Unternehmen auch, welche Herausforderungen für die kommenden zwölf Monate die größten sind. Die Zinsen machen mehr als jedem vierten (26 Prozent) Projektentwickler auch für die Zukunft Sorgen – die Baukosten 21 Prozent. Knapp ein Fünftel (16 Prozent) der Befragten sieht der Umfrage zufolge die Inflation auch für 2024 noch kritisch – die erhöhe die Betriebskosten und beeinflusse die Kaufkraft der Verbraucher, was weiterhin Auswirkungen auf die Nachfrage am Immobilienmarkt haben wird, heißt es.

Optimierung oder Konsolidierung: Zukunft der Projektentwickler

Fast alle (89 Prozent) Projektentwickler gehen laut Umfrage davon aus, dass die Neubauaktivitäten in den kommenden zwei Jahren weiter zurückgehen werden – elf Prozent denken, dass die Bautätigkeit gleich bleibt. Auf Bankenseite sei die Risikobereitschaft für Immobilienprojekte gesunken. Ab dem zweiten oder dritten Quartal 2024 erwartet die Mehrheit (67 Prozent) der Projektentwickler eine leichte Erholung bei den Zinsen.

Die Branche ist im Umbruch, schließen die Umfrage-Initiatoren: Die Projektentwickler stehen demnach vor einer der größten Herausforderungen der vergangenen Jahrzehnte. Bei einigen wird das laut Quin Investment zur Optimierung des Betriebs und der Prozesse führen. Parallel dürfte es zur Konsolidierung des Marktes kommen. Weitere Unternehmen werden aufgeben oder sich in völlig anderen Geschäftsbereichen betätigen müssen.

Die Branche wird sich den Experten zufolge anpassen müssen. In der Umfrage zeigt sich, dass die Projektentwickler jetzt vor allem effizientere Prozesse (zirka 37 Prozent) ins Auge fassen und die Geschäftsstrategien (21 Prozent) ändern wollen. Außerdem wird vermehrt nach alternativen Finanzierungsmöglichkeiten Ausschau gehalten (26 Prozent).


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dpa