BGH: Zwischen den Autos muss nicht gestreut werden

Die Streupflicht auf einem Supermarktparkplatz erstreckt sich im Regelfall nicht auf den Bereich zwischen den abgestellten Fahrzeugen. Es reicht, den Weg von und zu den Autos schnee- und eisfrei zu halten.

Hintergrund: Kundin rutscht beim Aussteigen aus und stürzt

Eine Kundin verlangt vom Betreiber eines Lebensmittelmarktes und dem von diesem beauftragten Winterdienstunternehmen nach einem Sturz Schadensersatz.

Die Kundin hatte ihr Fahrzeug an einem frostigen Dezembermorgen gegen 8:15 Uhr auf einer markierten Stellfläche auf dem Parkplatz des Marktes abgestellt, um im Markt einzukaufen. Der Parkplatz wird außer von den Kunden auch von Anwohnern genutzt, die teilweise ihre Fahrzeuge über Nacht abstellen.

Beim Aussteigen aus ihrem Auto rutschte die Kundin zwischen den parkenden Fahrzeugen auf einer Eisfläche aus, die sich über Nacht gebildet hatte, stürzte und zog sich Verletzungen zu. An der Unfallstelle war nicht gestreut.

Die Kundin meint, der Supermarktbetreiber und der Winterdienst hätten ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt und seien zum Schadensersatz verpflichtet.

Entscheidung: Keine Streupflicht zwischen Autos

Die Klage auf Schadensersatz hat keinen Erfolg. Es liegt keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vor. Im Bereich zwischen den Fahrzeugen hat keine Streupflicht bestanden.

Grundvoraussetzung für die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht wegen Verstoßes gegen Räum- und Streupflichten sind entweder das Vorliegen einer allgemeinen Glätte oder erkennbare Anhaltspunkte für eine ernsthaft drohende Gefahr aufgrund vereinzelter Glättestellen.

Aber auch bei allgemeiner Glättebildung besteht keine uneingeschränkte Räum- und Streupflicht. Inhalt und Umfang der winterlichen Räum- und Streupflicht unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherung richten sich vielmehr nach den Umständen des Einzelfalls. Die Streupflicht als Teil der Verkehrssicherungspflicht soll nur wirkliche Gefahren beseitigen, nicht aber bloßen Unbequemlichkeiten vorbeugen. Entstehung, Umfang und Maß einer Streupflicht richten sich danach, was zur gefahrlosen Sicherung des Verkehrs erforderlich ist, dem die jeweilige Verkehrseinrichtung dient, und was dem Pflichtigen zumutbar ist. Eine für alle Parkflächen gleichmäßig geltende Regel lässt sich nicht aufstellen.

Geringere Sturzgefahr zwischen den Fahrzeugen

Selbst wenn man im vorliegenden Fall von einer allgemeinen Glättebildung ausgeht, bestand im Bereich der markierten Stellflächen keine Streupflicht.

Im Bereich markierter Stellflächen geht von einer Glättebildung regelmäßig eine eher geringe Gefahr aus, weil die Fahrzeuginsassen diesen Bereich nur beim Ein- und Aussteigen betreten müssen und sich am Fahrzeug festhalten können. Es ist daher grundsätzlich nicht erforderlich, einen Parkplatz so streuen, dass bereits beim Aussteigen aus jedem Fahrzeug abgestumpfter Boden betreten werden kann.

Das gilt auch für einen öffentlich zugänglichen Kundenparkplatz. Es reicht aus, den Kunden zu ermöglichen, ihr Fahrzeug unbeeinträchtigt von einer Glättebildung zu be- und entladen und eine Möglichkeit zu schaffen, den Platz gefahrlos zu verlassen beziehungsweise die Fahrzeuge gefahrlos zu erreichen.

Komplettes Streuen in den Morgenstunden nicht erforderlich

Es war auch nicht erforderlich, den Bereich der markierten Stellflächen vor der Öffnung des Marktes einmalig zu streuen. Ob für Kundenparkplätze eine solche Pflicht besteht, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Da hier auch Anwohner ihre Fahrzeuge über Nacht abgestellt haben, war nicht gewährleistet, dass der Parkplatz morgens frei war und die Stellflächen mit zumutbarem Aufwand gestreut werden konnten.

Den Parkplatz nachts zu sperren und verbliebene Fahrzeuge abzuschleppen, um den Parkplatz morgens maschinell streuen zu können, war ebenfalls nicht notwendig. Dies würde den Umfang der Verkehrssicherungspflicht überdehnen.

Mit glatten Stellen ist zu rechnen

Schließlich ist eine Streupflicht auch nicht deshalb zu bejahen, weil die Kundin auf einer überfrorenen Bodenvertiefung ausgerutscht ist, die sie aufgrund der schlechten Lichtverhältnisse nicht habe erkennen können. Im Belag eines Parkplatzes ist mit Vertiefungen und der Bildung von Glättestellen bei Feuchtigkeit und Kälte zu rechnen. Auch sind eingeschränkte Lichtverhältnisse zwischen parkenden Autos in den Morgenstunden der Dezembertage nicht außergewöhnlich.

Fußgänger müssen im Winter besonders vorsichtig sein

Im Übrigen enthebt die Erwartung, bei winterlichen Witterungsverhältnissen ordnungsgemäß geräumte oder gestreute Wege vorzufinden, den Fußgänger nicht der eigenen Verpflichtung, sorgfältiger als sonst seines Weges zu gehen.

(BGH, Urteil v. 2.7.2019, VI ZR 184/18)

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