BGH: Auch hoher Kredit für WEG kann zulässig sein

Auch die Aufnahme eines hohen Darlehens durch eine WEG kann ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen. Dabei kommt es auf die Umstände des Einzelfalls wie Darlehenszweck und alternative Finanzierungsmöglichkeiten an.

Hintergrund: WEG beschließt Darlehensaufnahme

Wohnungseigentümer streiten darüber, ob die Aufnahme eines Darlehens durch die WEG ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht.

Die Anlage, die aus 201 Einheiten besteht, wurde in den 1980er-Jahren errichtet. In einer Eigentümerversammlung im August 2013 beschlossen die Wohnungseigentümer, eine Fassadensanierung mit förderfähiger Wärmedämmung durchzuführen. Die Kosten wurden mit 2 Millionen Euro veranschlagt.

Zur Finanzierung der Maßnahme beschlossen sie, einen KfW-Förderkredit über 1.320.000 Euro aufzunehmen. Der Zinssatz belief sich auf 0 Prozent und die Laufzeit auf 10 Jahre. Der restliche Betrag für die Sanierungsmaßnahme sollte über die Instandhaltungsrücklage aufgebracht werden.

Eine Wohnungseigentümerin hat gegen den Beschluss über die Darlehensaufnahme Anfechtungsklage erhoben.

Entscheidung: Hoher Kredit im Einzelfall möglich

Auch die Aufnahme eines langfristigen, hohen Kredits durch eine WEG kann ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen. Ob dies der Fall ist, kann nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls unter Abwägung der allseitigen Interessen bestimmt werden. Im konkreten Fall hält der BGH den Beschluss über die Kreditaufnahme nicht für ordnungsgemäß.

Grundsatz: WEG kann Kredit aufnehmen

Im Wohnungseigentumsgesetz gibt es keine Anhaltspunkte, dass die Gemeinschaft einen Kredit nur in besonderen Ausnahmefällen aufnehmen kann. Allerdings muss das besondere Haftungsrisiko berücksichtigt werden. Wenn einzelne Wohnungseigentümer nicht zahlen, müssen die daraus resultierenden Fehlbeträge durch entsprechend höhere Beiträge der übrigen Eigentümer oder eine Sonderumlage ausgeglichen werden.

Sonderumlage weniger riskant als Darlehensaufnahme

Eine solche Nachschusspflicht kann zwar auch entstehen, wenn ein Vorhaben durch eine Sonderumlage finanziert wird und sich diese bei einzelnen Eigentümern als uneinbringlich erweist. Da eine Sonderumlage von den aktuellen Wohnungseigentümern aufzubringen ist, wird aber meist hinreichend sicher bekannt sein, ob mit einem Zahlungsausfall zu rechnen ist. Auch kann jedenfalls die Durchführung von Maßnahmen, die Aufschub dulden, davon abhängig gemacht werden, dass alle Eigentümer ihren Anteil an der Sonderumlage gezahlt haben.

Bei einem Darlehen hingegen lässt sich das Risiko, dass einzelne Eigentümer nicht zahlen können, nur sehr begrenzt abschätzen. Zuverlässige Prognosen über die Bonität der Wohnungseigentümer sind schon wegen der meist langen Laufzeit des Darlehens nicht möglich. Außerdem muss stets damit gerechnet werden, dass sich die Zusammensetzung der Gemeinschaft durch Eigentümerwechsel ändert.

Darlehensaufnahme erfordert Abwägung im Einzelfall

Angesichts dieses Haftungsrisikos ist bei der Entscheidung über die Finanzierung einer Maßnahme durch ein hohes langfristiges Darlehen Zurückhaltung geboten. Ob sie ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, lässt sich nur nach sorgfältiger Abwägung aller Umstände des Einzelfalls und unter Berücksichtigung der allseitigen Interessen der betroffenen Wohnungseigentümer feststellen.

Wesentlich kommt es auf den Zweck des Darlehens an. In erster Linie ist an Instandhaltungs- bzw. Modernisierungsmaßnahmen zu denken. Je dringender eine Maßnahme ist, desto eher treten andere Nachteile einer Finanzierung durch Darlehen bei der Abwägung zurück.

Von Bedeutung ist ferner die Möglichkeit einer alternativen Finanzierung über die Instandhaltungsrücklage oder eine Sonderumlage. Dabei sind den mit einer Darlehensaufnahme einhergehenden Belastungen und Risiken die Vor- und Nachteile einer Finanzierung mittels Sonderumlage gegenüber zu stellen. Eine Darlehensfinanzierung wird insbesondere in Betracht kommen, wenn eine Sonderumlage die einzelnen Wohnungseigentümer finanziell stark belastete oder gar die Leistungsfähigkeit einkommensschwächerer Eigentümer überforderte. Relevant sind zudem die Höhe des Darlehensbetrages im Verhältnis zu der Anzahl der Eigentümer, die Kreditkonditionen, die Laufzeit und die Rückzahlungsbedingungen.

Eine mehrheitlich beschlossene Kreditaufnahme muss nicht zwingend eine Option für die Eigentümer enthalten, die Finanzierung selbst zu übernehmen und den auf sie entfallenden Kreditanteil als Sonderumlage zur Reduzierung des Darlehensbetrages einzuzahlen.

Anforderungen an Beschluss über Darlehensaufnahme

Auch die Beschlussfassung über die Aufnahme eines Darlehens muss gewissen Anforderungen genügen. Der Beschluss muss folgende Angaben enthalten:

  • Zu finanzierende Maßnahme
  • Höhe des Darlehens
  • Laufzeit des Darlehens
  • Höhe des Zinssatzes bzw. des nicht zu überschreitenden Zinssatzes

Außerdem muss aus dem Beschluss ersichtlich sein, ob die Tilgungsraten so angelegt sind, dass der Kredit am Ende der Laufzeit getilgt ist.

Nachschusspflicht muss besprochen werden

Ferner muss vor der Beschlussfassung wegen des in die Zukunft verlagerten Risikos der Zahlungsunfähigkeit einzelner Wohnungseigentümer die im Innenverhältnis bestehende Nachschusspflicht der Wohnungseigentümer in der Eigentümerversammlung erörtert werden. Dies ist im Versammlungsprotokoll zu dokumentieren.

Im vorliegenden Fall sah der BGH den Kreditbeschluss deshalb nicht als ordnungsgemäß an, weil aus dem Versammlungsprotokoll nicht ersichtlich ist, dass die Eigentümer über das Risiko einer Nachschusspflicht unterrichtet worden sind.

(BGH, Urteil v. 25.9.2015, V ZR 244/14)

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Schlagworte zum Thema:  Wohnungseigentumsrecht, Sanierung, Darlehen, Kredit