BGH: Änderung von „Geburtsfehlern“ der Teilungserklärung

Ein Anspruch auf Änderung der Teilungserklärung kann auch bezüglich Regelungen bestehen, die von Anfang an verfehlt oder unbillig waren („Geburtsfehler“). Es kommt nicht darauf an, ob sich tatsächliche oder rechtliche Umstände nachträglich verändert haben.

Hintergrund: Teilungserklärung deklariert Wohnungen als Nebenräume

Der Eigentümer einer Teileigentumseinheit möchte die Änderung der Teilungserklärung erreichen. Bei seinem mit „G30“ bezeichneten Teileigentum handelt es sich um eine Garage. Mit 15.000/100.000 hat der Eigentümer den größten Miteigentumsanteil in der Gemeinschaft.

In der Teilungserklärung aus den Jahren 1984/85 ist festgelegt, dass „dem jeweiligen Eigentümer des Teileigentumsrechts G30 die unentgeltliche, ausschließliche Nutzung der Abstellräume I, II und III sowie der Wasch- und Trockenräume A und B zusteht“. In diesen Räumlichkeiten im Dachgeschoss befinden sich tatsächlich allerdings keine Abstell- und Trockenräume, sondern 18 Wohnungen. Diese waren bereits vor Abschluss des Teilungsvertrages fertiggestellt und vermietet worden, seinerzeit allerdings bauordnungsrechtlich nicht zulässig.

Im Jahr 2004 genehmigten die übrigen Wohnungseigentümer mit notariellen Urkunden die Teilung des Miteigentumsanteils des Teileigentümers in 18 Anteile mit der jeweiligen Begründung von Sondereigentum an den Wohnungen. Zu einem Vollzug im Grundbuch kam es aber nicht, weil dem Teileigentümer kein Sondereigentum, sondern nur ein Sondernutzungsrecht an den Räumen zusteht.

2015 wurde auf Antrag einiger Eigentümer gerichtlich festgestellt, dass die Räume nur in der in der Teilungserklärung beschriebenen Form genutzt werden dürfen und der Teileigentümer es unterlassen muss, die Räume zu Wohnzwecken zu nutzen.

Der Teileigentümer begehrt nun, die Teilungserklärung dahingehend zu ändern, dass die seinem Sondernutzungsrecht unterliegenden Räume zum Wohnen genutzt werden dürfen.

Entscheidung: Anspruch auf Korrektur anfänglicher Fehler

Dem Teileigentümer kann gegen die übrigen Wohnungseigentümer ein Anspruch auf Änderung der Teilungserklärung aus § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG zustehen.

Dem steht nicht entgegen, dass § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG keine Änderung der sachenrechtlichen Zuordnung der Räume ermöglicht. Hierum geht es vorliegend nicht. Der Teileigentümer erstrebt nicht die Umwandlung der im Gemeinschaftseigentum stehenden Dachgeschossräume in Sondereigentum, sondern die Änderung von deren Zweckbestimmung dergestalt, dass in ihnen gewohnt werden darf.

Ein Änderungsanspruch aus § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG setzt voraus, dass ein Festhalten an der geltenden Regelung aus schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Rechte und Interessen der anderen Wohnungseigentümer, unbillig erscheint.

Keine Voraussetzung ist hingegen, dass sich tatsächliche oder rechtliche Umstände nachträglich verändert haben. Ein Änderungsanspruch kommt auch in Betracht, wenn Regelungen der Gemeinschaftsordnung von Anfang an verfehlt oder sonst unbillig waren („Geburtsfehler“), und zwar auch dann, wenn dies den Beteiligten bei Erstellung der Teilungserklärung bewusst war.

Schwerwiegende Gründe, die ein Festhalten an der geltenden Regelung unbillig erscheinen lassen, können vorliegen, wenn die durch die Gemeinschaftsordnung vorgegebene Zweckbestimmung eine Nutzung ausschließt, die nach der baulichen Ausstattung der betroffenen Räume möglich ist, und wenn ferner objektive Umstände dafür sprechen, dass dem betroffenen Wohnungseigentümer diese Nutzung eröffnet werden sollte.

Hier waren die Räume bereits vor Abschluss des Teilungsvertrages als Wohnungen ausgebaut und vermietet, während dem Teileigentümer lediglich ein Sondernutzungsrecht eingeräumt ist, das keine Wohnnutzung zulässt. Neben der baulichen Ausstattung spricht auch der verhältnismäßig große Miteigentumsanteil mit der daraus folgenden Kostenlast dafür, dass der wirtschaftliche Wert des Anteils von Beginn an in einem Sondernutzungsrecht an Wohnungen bestand. Die Regelung, die ein Sondernutzungsrecht lediglich an Abstell-, Wasch- und Trockenräumen einräumt, stellt sich als unangemessen und damit verfehlt dar. Die bestehende Regelung führt zu einer erheblichen Einschränkung der wirtschaftlichen Verwertung des bestehenden Sondernutzungsrechts.

Bei der Abwägung der Interessen des Teileigentümers einerseits und der übrigen Eigentümer andererseits ist zu berücksichtigen, dass die Räume seit über 30 Jahren als Wohnungen genutzt worden sind, ohne dass die anderen Eigentümer dies beanstandet haben. Das spricht dafür, dass von der Wohnnutzung keine oder nur geringe nachteilige Auswirkungen ausgehen. Dann dürften aber keine Interessen der übrigen Eigentümer bestehen, den Teileigentümer an der geltenden Regelung festzuhalten und auf die Möglichkeit zu verweisen, nur die Änderung der aus der geltenden Regelung folgenden unbilligen Kostenverteilung zu verlangen.

Dass mit der Fassung der Teilungserklärung möglicherweise eine seinerzeit unzulässige Wohnnutzung verschleiert werden sollte, steht einem Änderungsanspruch jedenfalls dann nicht entgegen, wenn die Wohnnutzung heute öffentlich-rechtlich zulässig wäre.

(BGH, Urteil v. 22.3.2019, V ZR 298/16)

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