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Der Ausschuss für Biologische Arbeitsstoffe (ABAS) hat zur Konkretisierung der Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen (Biostoffverordnung – BioStoffV [1]) zum Schutz der Beschäftigten vor Infektionen durch hoch-pathogene aviäre Influenzaviren (Klassische Geflügelpest, "Vogelgrippe") folgende Erkenntnisse ermittelt.
Die nachfolgend aufgeführten speziellen Maßnahmen sind im Arbeitsschutzgesetz, der Biostoffverordnung und den Technischen Regeln für Biologische Arbeitsstoffe (TRBA) 100, 260, 462 und 500 sowie dem Gefahrgutrecht (ADR) vorgeschrieben. Die Empfehlung ist somit eine Hilfestellung, die die geltenden rechtsverbindlichen Regelungen für das Auftreten von hochpathogener aviärer Influenza zusammenfasst und konkretisiert.
1 Anwendungsbereich
(1) Die Empfehlung gilt für gezielte und nicht gezielte Tätigkeiten mit TSE-assoziierten Agenzien. Diese sind gemäß §16 BioStoffV der für den Arbeitsschutz zuständigen Behörde anzuzeigen. Eine Ausnahme von der Anzeigepflicht stellt die nicht gezielte Tätigkeit mit dem Erreger der Scrapie (Risikogruppe 2) dar. Zusätzlich unterliegen die Tätigkeiten den Bestimmungen der Tierseuchenerreger-Verordnung oder dem Infektionsschutz-Gesetz (IfSG, Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen).
(2) Die Empfehlung gilt für Tätigkeiten mit TSE-assoziierten Agenzien in diagnostischen Laboratorien, Forschungslaboratorien, der Biotechnologie und der Versuchstierhaltung.
(3) Dies schließt auch den Umgang mit selbstreplizierenden, d. h. seeding-aktiven Formen von rekombinant hergestellten Prionproteinen ein, sofern gezielte Tätigkeiten durchgeführt werden, auf die in der Stellungnahme der ZKBS zur Risikobewertung von gentechnischen Arbeiten zur Expression von Prionproteinen [2] nicht Bezug genommen wird. Solche Tätigkeiten können z. B. die Aufreinigung von potenziell seeding-aktiven rekombinanten Prionproteinen aus Zell- und Gewebekulturen sowie deren weitere Prozessierung beinhalten. Die Empfehlung gilt in Anlehnung an die Regelung im Vereinigten Königreich [3, 4] auch für potenziell humanpathogene proteopathische Seeds neurodegenerativer Proteinaggregationskrankheiten (z. B. für Amyloid-beta- oder Tau-Seeds der Alzheimer-Krankheit oder alpha-Synuclein-Seeds der Parkinson-Krankheit oder der Demenz mit Lewy-Körperchen), wenn diese in konzentrierter, amplifizierter oder synthetisierter Form für biochemische, strukturelle oder Übertragungsstudien verwendet werden.
(4) Sie konkretisiert und ergänzt die in der TRBA 100 "Schutzmaßnahmen für Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen in Laboratorien" beschriebenen Regelungen.
(5) Der Bereich der Probennahme und Obduktion in der Human- und Veterinärpathologie sowie bei Schlachttieren bzw. verendeten oder notgeschlachteten Tieren wird nicht durch diese Empfehlung geregelt. Für Obduktionen und Untersuchungen (z.B. Endoskopien) im human- und veterinärmedizinischen Bereich gelten die TRBA 250 "Biologische Arbeitsstoffe im Gesundheitswesen und in der Wohlfahrtspflege" bzw. die TRBA 260 "Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen in der Veterinärmedizin und bei vergleichbaren Tätigkeiten", bei Versuchstieren ggf. die TRBA 120 "Versuchstierhaltung".
2 Begriffsbestimmungen
(1) Infektiosität wird im Rahmen dieser Empfehlung als die Fähigkeit eines biologischen Arbeitsstoffes (im Weiteren Biostoff) definiert, sich nach Übertragung in einen lebenden Organismus in diesem zu vermehren und ein definierbares Krankheitsbild auszulösen.
(2) Transmissible Spongiforme Enzephalopathie-assoziierte Agenzien sind infektiöse proteinartige Partikel (sog. "Prionen", von engl. proteinaceous infectious particles), die bei Tieren und Menschen schwammartige Veränderungen des zentralen Nervensystems (ZNS) verursachen. Diese Veränderungen werden von pathologischen Prionprotein-Ablagerungen begleitet. Die Erkrankungen enden immer tödlich. Im Sinne der Biostoffverordnung sind TSE-assoziierte Agenzien Biostoffe.
(3) TSE-assoziierte Agenzien bestehen im Wesentlichen aus pathologischen Prionproteinen (PrPSc). Dies sind fehlgefaltete und pathologisch aggregierte Formen zellulärer Prionproteine (PrPC), die eine Konformationsänderung weiterer Prionproteine hin zu pathologischen Prionproteinformen induzieren können. Neben den natürlich vorkommenden PrPSc – Formen zählen hierzu auch mithilfe gentechnischer Verfahren hergestellte (rekombinante) PrP-Formen mit einer nachweislichen seeding-Aktivität für den Menschen.
(4) Proteopathische Seeds sind selbstreplizierende, d. h. seeding-aktive Proteinformen, die mit nicht durch Prionen verursachten neurodegenerativen Proteinaggregationskrankheiten in Verbindung stehen. Hierzu zählen beispielsweise Präparationen des Proteins alpha-Synuclein, welches mit der Parkinson-Erkrankung assoziiert wird, und des Tau-Proteins oder des Amyloid-beta-Proteins, die mit der Alzheimer-Erkrankung in Verbindung gebracht werden. Tätigkeiten, die mit der Ausbildung einer Seeding-Aktivität einhergehe...