2.1.1 Begutachtung
Die Begutachtung zu Fragen der AU erfolgt auf Grundlage des § 275 SGB V "Begutachtung und Beratung". Danach sind die Krankenkassen verpflichtet, unter bestimmten Voraussetzungen eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen.
§ 275 SGB V Begutachtung und Beratung (1) Die Krankenkassen sind in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, verpflichtet, …
3. |
bei Arbeitsunfähigkeit
a) |
zur Sicherung des Behandlungserfolgs, insbesondere zur Einleitung von Maßnahmen der Leistungsträger für die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, oder |
b) |
zur Beseitigung von Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit |
|
eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen …. (1a) Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit nach Absatz 1 Nr. 3 Buchstabe b sind insbesondere in Fällen anzunehmen, in denen
a) |
Versicherte auffällig häufig oder auffällig häufig nur für kurze Dauer arbeitsunfähig sind oder der Beginn der Arbeitsunfähigkeit häufig auf einen Arbeitstag am Beginn oder am Ende einer Woche fällt oder |
b) |
die Arbeitsunfähigkeit von einem Arzt festgestellt worden ist, der durch die Häufigkeit der von ihm ausgestellten Bescheinigungen über Arbeitsunfähigkeit auffällig geworden ist. |
Die Prüfung hat unverzüglich nach Vorlage der ärztlichen Feststellung über die Arbeitsunfähigkeit zu erfolgen. Der Arbeitgeber kann verlangen, dass die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes zur Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit einholt. Die Krankenkasse kann von einer Beauftragung des Medizinischen Dienstes absehen, wenn sich die medizinischen Voraussetzungen der Arbeitsunfähigkeit eindeutig aus den der Krankenkasse vorliegenden ärztlichen Unterlagen ergeben. |
2.1.2 Begriff "Arbeitsunfähigkeit"
AU ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der durch die BSG-Rechtsprechung fortlaufend weiterentwickelt wurde: AU von Beschäftigten liegt vor, wenn die oder der Versicherte auf Grund von Krankheit ihre oder seine zuletzt vor der AU ausgeübte Tätigkeit nicht mehr oder nur unter der Gefahr der Verschlimmerung der Erkrankung ausführen kann (BSG-Urteil vom 30.05.1967, AZ.: 3 RK 15/65, § 2 Abs. 1 AU-Richtlinie). Als wesentliches Kennzeichen der AU gilt, dass sie ein Ergebnis aus krankheitsbedingter Leistungsminderung und Anforderung des Arbeitsplatzes ist.
AU liegt auch vor, wenn auf Grund eines bestimmten Krankheitszustandes, der für sich allein noch keine AU bedingt, absehbar ist, dass aus der Ausübung der Tätigkeit für die Gesundheit oder die Gesundung abträgliche Folgen erwachsen, die AU unmittelbar hervorrufen.
Bedeutsam für die Feststellung und Bescheinigung von AU sind nur die Erkrankungen und deren Auswirkungen, die aktuell die Versicherte oder den Versicherten an der Erbringung seiner vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung hindern. Symptome und Begleiterkrankungen, die die Arbeitsleistung nicht beeinträchtigen, sind nicht Gegenstand der Beurteilung.
Endet das Beschäftigungsverhältnis nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit und wurde aktuell kein anerkannter Ausbildungsberuf ausgeübt (An- oder Ungelernte), besteht Arbeitsunfähigkeit nur dann, wenn die letzte oder eine ähnliche Tätigkeit nicht mehr oder nur unter der Gefahr der Verschlimmerung der Erkrankung ausgeübt werden kann. Für beschäftigungslose Versicherte mit einem anerkannten Ausbildungsberuf gelten die Grundsätze in Kapitel 2.3.3.
Bei Arbeitslosen nach dem SGB III liegt AU vor, wenn sie krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage sind, leichte Arbeiten in dem zeitlichen Umfang zu verrichten, für den sie sich der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt haben. (BSG-Urteil vom 07.12.2004, AZ.: B 1 KR 5/03 R bzw. BSG-Urteil vom 04.04.2006, AZ.: B 1 KR 21/05 R, § 2 Abs. 3 AU-Richtlinie). Bezugspunkte für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit ist demnach irgendeine Tätigkeit sowie der zeitliche Vermittlungsumfang, für den sich die oder der Versicherte zur Verfügung gestellt hat.
Bei arbeitslosen Schwangeren, die aus schwangerschaftsbedingten Gründen ein eingeschränktes Leistungsvermögen aufweisen, bestehen besondere Regelungen. Sind sie nicht in der Lage, ohne Gefährdung für sich oder das ungeborene Kind leichte Arbeiten in einem zeitlichen Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich auszuüben, gelten sie als arbeitsunfähig (BSG-Urteile vom 30.11.2011 – B 11 AL 37/10 – und – B 11 AL 7/11 –sowie vom 22.02.2012 – B 11 AL 26/10 R).
Kann eine mindestens 15-stündige Tätigkeit trotz Vorliegens eines individuellen Beschäftigungsverbots nach MuSchG ausgeübt werden, besteht Verfüg- bzw. Vermittelbarkeit über die Agentur für Arbeit.
Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten nach dem SGB II liegt AU vor, wenn sie krankheitsbedingt nicht in der Lage sind, mindestens drei Stunden täglich zu arbeiten oder an einer Eingliederungsmaßnahme teilzunehmen (§ 2 Abs. 3a AU-Richtlinie).
Arbeitsunfähig sind gesetzlich und nicht gesetzlich krankenversicherte Personen aufgrund einer im Rahmen des Transplantationsgesetzes...