Cesare Vannucchi, Dr. Marcel Holthusen
Rz. 572
Ein Arbeitnehmer kann sich aufgrund einer persönlichen Glaubens- oder Gewissensentscheidung daran gehindert sehen, seine Arbeitsleistung zu erbringen oder einzelnen Arbeitsanweisungen Folge zu leisten. Eine solche Entscheidung kann darin bestehen, bestimmte Tätigkeiten aus religiösen Gründen überhaupt nicht zu verrichten, an bestimmten religiösen Festtagen nicht zu arbeiten oder wegen feststehender Gebetszeiten Arbeitsunterbrechungen einlegen zu müssen. Es kann sich auch darum handeln, nicht an der Fertigung militärisch nutzbarer Waffen oder Technologien mitwirken zu wollen.
Da Gewissensentscheidungen nicht nach einem objektivierbaren Maßstab behandelt werden können, kommt es allein auf den subjektiven Gewissenskonflikt an, zu dem der Arbeitnehmer vorzutragen hat. Die Ernsthaftigkeit der Gewissensentscheidung ist darzulegen, aber die Relevanz und Gewichtigkeit der Gewissensbildung unterliegen nicht der gerichtlichen Kontrolle. Eine Gewissensentscheidung ist jede ernste sittliche, also an den Kategorien von "gut" und "böse" orientierte Entscheidung, die der Einzelne in einer bestimmten Lage als für sich bindend und unbedingt verpflichtend innerlich erfährt, sodass er gegen sie nicht ohne ernste Gewissensnot handeln könnte. Die Gewissensfreiheit überschneidet sich mit der Glaubensfreiheit insoweit, als sie auch das religiös fundierte Gewissen schützt.
Kein Leistungsverweigerungsrecht hat der Arbeitnehmer allerdings, wenn er bereits bei Abschluss des Arbeitsverhältnisses positiv wusste, dass er die vertraglich eingegangene Verpflichtung wegen seiner Glaubensüberzeugung nicht wird erfüllen können. Bei Weigerung zur Leistung der zugewiesenen Tätigkeit, die dann trotz des offenbarten Gewissenskonflikts billigem Ermessen entspricht, kann wegen Pflichtverletzung eine verh...
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