Rz. 563
Die mit dem gesetzlichen Anteilserwerb nach § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB einhergehende Bereicherung der "übrigen" Gesellschafter führt zwar zu einer Werterhöhung ihrer Beteiligungen (s. Rz. 557), ist jedoch nicht als solche in Höhe des Unterschiedsbetrags ihrer Beteiligungswerte vor und nach der Anwachsung zu erfassen. Stattdessen gibt § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG ausdrücklich vor: Als Schenkung gilt der Wert des Gesellschaftsanteils des Ausgeschiedenen nach § 12 ErbStG, soweit er seinen Abfindungsanspruch übersteigt. Dem Bereicherungsprinzip widersprechend wird damit die Entreicherung des Schenkers zur Bemessungsgrundlage der Schenkungsteuer. Wie man auch an § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB sieht, ist der "Abfindungsanspruch" kein Merkmal der Steuerbarkeit (anders in Fällen des § 7 Abs. 7 Satz 2 ErbStG; s. Rz. 588), sondern lediglich für Zwecke der Berechnung des fingierten Erwerbs bedeutsam.
Rz. 564
Der maßgebende Steuerwert der Beteiligung des ausgeschiedenen Gesellschafters ist auf den Zeitpunkt seines Ausscheidens (§ 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG – insoweit abweichender Bewertungsstichtag),
gesondert und einheitlich festzustellen (§ 154 Abs. 1 BewG). Das zuständige Schenkungsteuerfinanzamt (s. § 35 ErbStG Rz. 7 ff., 19 ff.) hat diese sog. Bedarfsbewertung zu veranlassen (§ 151 Abs. 1 Satz 2 BewG), ist, ebenso wie die Steuerpflichtigen, sodann an den festgestellten Bedarfswert gebunden (§§ 171 Abs. 10, 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO – s. auch Rz. 516) und sollte daher, zwecks Vermeidung einer später fehlerhaften Steuerberechnung, tunlichst frühzeitig darauf hinwirken, dass das inzwischen nach gemeinen Werten zu bewertende Gesellschaftsvermögen ohne Berücksichtigung einer evtl. Abfindungsverbindlichkeit angesetzt wird. § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG wurde weder nach Einführung des Bedarfsbewertungsverfahrens noch im Zuge der Erbschaftsteuerreform 2009 geändert, stattdessen mit Satz 3 inzident bestätigt. Danach ist und bleibt es Aufgabe der Schenkungsteuerstellen, den zu übernehmenden Steuerwert des Anteils des ausgeschiedenen Gesellschafters um seinen evtl. Abfindungsanspruch zu reduzieren und den Saldo sodann dem bzw. anteilig den verbleibenden "anderen" Gesellschafter/n (s. Rz. 568) als steuerbare Bereicherung zuzurechnen, die der individuellen Steuerberechnung zugrunde zu legen ist.
Rz. 565
Maßgebend für die Höhe der Abfindung ist die Abfindungsvereinbarung; es spielt keine Rolle, ob sie einvernehmlich zustande kam oder nicht. Die Differenzrechnung hat zur Folge, dass der Steuerwert des Anteils zur Bemessungsgrundlage wird, wenn dem ausgeschieden Gesellschafter kein Abfindungsanspruch zusteht oder bei Wertlosigkeit des Anspruchs im Steuerentstehungszeitpunkt; eine spätere Uneinbringlichkeit der Abfindung, z.B. infolge Insolvenz der Gesellschaft, würde sich grundsätzlich nicht auswirken (s. aber Rz. 417), es sei denn, man stellt auf die tatsächlich gewährte Abfindung ab. Übersteigt die Abfindung den Steuerwert des Anteils, werden die "anderen" Gesellschafter nicht in tatbestandsmäßiger Weise bereichert; dass in diesem Fall die Personengesellschaft, die regelmäßig Schuldnerin der Abfindung ist, den ausgeschiedenen Gesellschafter in Höhe des Mehrbetrags beschenken könnte, ist nicht so dramatisch, solange ihre Gesellschafter als Schenker behandelt werden. Die Wertsteigerung der GmbH-Geschäftsanteile, die simultan auch an der Kpl-GmbH beteiligte Kommanditisten bei Verwirklichung des sog. Anwachsungsmodells (Rz. 559) angeblich erfahren, kann nicht kompensierend berücksichtigt werden; entsprechende Überlegungen gehen schon deshalb ins Leere, weil sie weder den Steuerwert der Kommanditanteile tangieren und auch bei der Bewertung nicht berücksichtigt werden können, noch eine Leistung des Abfindungsschuldners darstellen.
Rz. 566
Gegenstand der Abfindung: Auch kann beachtlich sein, dass sich die Abfindung nicht nur auf den anteiligen Unternehmenswert beschränkt. Sie ist daher entsprechend zu kürzen, wenn sie z.B. auch auf Wirtschaftsgüter des sog. Sonderbetriebsvermögens entfällt. Wird der Gesellschafter, teilweise, auch dafür entschädigt, dass er mit seinem Austritt aus der Gesellschaft seinerseits auf ein anwachsungsbedingtes Erwerbsrecht verzichtet, realisiert er insoweit vorzeitig eine Bereicherung, die ansonsten bei Ausscheiden anderer Gesellschafter nach § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG erfassbar gewesen wäre. Damit liegt die Anwendung des § 7 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG nahe (s. Rz. 354); wechselseitige fiktive Schenkungen sind durchaus nicht undenkbar.
Rz. 567
Steuerfreiheit des Erwerbs: Der Anwachsungserwerb kann ggf. steuerfrei sein, wenn und soweit z.B. zum Gesellschaftsvermögen G...