0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Norm ist ursprünglich als § 20b durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) v. 26.3.2007 (BGBl. I S. 376) eingefügt worden. Sie entwickelt die bisher in § 20 Abs. 2 Satz 2 und 3 geregelte Zusammenarbeit von Krankenkassen und Unfallversicherungsträgern zur Verhütung arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren weiter. § 20b ist durch Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention (Präventionsgesetz – PrävG) v. 17.7.2015 (BGBl. I S. 1368) in § 20c umbenannt worden. Dabei wurden Abs. 1 Satz 2 neu gefasst und Abs. 2 Satz 1 insofern geändert, als nach dem Wort "Unfallversicherung" die Wörter "sowie mit den für den Arbeitsschutz zuständigen Landesbehörden" eingefügt worden sind. Die Änderungen sind am 25.7.2015 in Kraft getreten.
1 Allgemeines
Rz. 2
Durch die Neufassung hat sich nichts an der grundlegenden Überlegung geändert, dass die Krankenkassen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben wesentliche Erkenntnisse über Zusammenhänge zwischen Arbeitsbedingungen und Krankheiten gewinnen können. Dementsprechend trägt der Austausch von Informationen sowie die Verknüpfung der jeweiligen Datenbestände zu besseren Erkenntnissen über diese Zusammenhänge bei (so schon BT-Drs. 13/5099 S. 19). Dies bedeutet jedoch nicht, dass damit eine Erlaubnis zum generellen Datenaustausch über personenbezogene Daten sowie Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse gegeben ist. Die Vorschrift verankert lediglich die Pflicht zur Kooperation auch für den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung, die bereits ebenso in § 14 SGB VII für die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung verpflichtend geregelt ist. Hingegen hat der Gesetzgeber mit § 20c den Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht auf Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung erweitert (BSG, Urteil v. 28.6.2022, B 2 U 8/20 R – Fussballturnier; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 21.3.2023, L 3 U 66/21 – Firmenlauf; vgl. auch die Komm. in § 20b Rz. 5c).
2 Rechtspraxis
2.1 Arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren (Abs. 1)
Rz. 3
Die Verhütung arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren ist primär Aufgabe der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. § 14 Abs. 1 SGB VII verpflichtet sie, mit allen geeigneten Mitteln für die Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren und für eine wirksame Erste Hilfe zu sorgen. Dabei sollen sie auch den Ursachen von arbeitsbedingten Gefahren für Leben und Gesundheit nachgehen. Der Begriff der arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren ist gesetzlich nicht definiert. Er findet sich ähnlich in verschiedenen Normen wie etwa der Arbeitsstättenverordnung, dem Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG), dem Gerätesicherheitsgesetz, der Gefahrstoffverordnung, der Strahlenschutz- und Röntgenverordnung oder dem Gentechnikgesetz wieder. Exemplarisch sei auf § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3c ASiG hingewiesen, der insofern den Betriebsärzten die Untersuchung der Ursache von arbeitsbedingten Erkrankungen auferlegt.
Rz. 4
Unter Berücksichtigung der Normziele der genannten gesetzlichen Grundlagen sind arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren im Allgemeinen demnach aus der Arbeit stammende Risiken für die Gesundheit. Dabei wird ein ganzheitlicher Gesundheitsbegriff zugrunde gelegt, der physische, psychische und soziale Aspekte umfasst. Zu den physischen/körperlichen Risikofaktoren zählen unter anderem die schwere körperliche Arbeit oder schweres Heben, kniende/hockende Tätigkeiten, die statische Belastung der Nacken-Schulter-Muskulatur und das Arbeiten in Zwangshaltungen. Unter den psychischen Risikofaktoren versteht man unter anderem ein hohes Arbeitsaufkommen, Zeitdruck, Multitasking und Arbeitsunterbrechungen, geringer Handlungsspielraum und fehlende soziale Unterstützung von Vorgesetzten sowie Kolleginnen und Kollegen. Zu den arbeitsbezogenen Risikofaktoren aus der Umwelt zählen z. B. Lärm, Klima (Temperatur und Luftfeuchte), Strahlung (natürliche/künstliche UV-Strahlung) und Gefahrstoffe (Chemikalien und Stäube). Der DGUV merkt zutreffend an, dass sich Betriebe dem stetigen Wandel der Arbeitswelt stellen und Arbeitsbedingungen schaffen müssen, unter denen ihre Beschäftigten bis zur Rente gesund und leistungsfähig bleiben. Dabei kommt der Kooperation der Träger der Unfallversicherung mit den Krankenkassen eine besondere Bedeutung zu.
Rz. 5
In der gesundheitsförderlichen Gestaltung der Arbeitswelt liegt ein wesentliches präventives Potenzial. Das Arbeitsschutzrecht verpflichtet dementsprechend die Arbeitgeber, auf die Verhütung arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren hinzuwirken. Hierbei sind sie nach dem Unfallversicherungsrecht von den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung durch geeignete Maßnahmen zu unterstützen und zu überwachen. In diesem Rahmen sind die Unfallversicherungsträger auf Erkenntnisse über das Krankheitsgeschehen angewiesen, die bei den Krankenkassen anfallen und nur von diesen ausgewertet werden können. Anders können die Träger der Unfallversicherung ihre Aufgaben nicht wahrnehmen. Abs. 1 Satz 2 und 3 greift die...