Prof. Dr. Katharina Berkemeier
Rz. 11
Das Zollverwaltungsgesetz ergänzt das Gemeinschaftszollrecht und nicht die Vorschriften der §§ 209 ff. AO. Der UZK hat den Mitgliedstaaten die Gesetzgebung über die Aufgaben und Befugnisse der jeweiligen Zollbehörden überlassen. Das ZollVG regelt, in Ausfüllung der vom UZK bewusst gehaltenen Lücke, die Aufgaben und Befugnisse der Zollverwaltung. Der UZK geht als gemeinschaftsrechtliche Regelung dem nationalen Recht vor, das ZollVG ergänzt und konkretisiert das gemeinschaftsrechtliche Zollrecht und ist insofern lex specialis gegenüber der AO.
Rz. 12
§ 1 ZollVG legt die Aufgaben der Zollverwaltung fest. Neben der zollamtlichen Überwachung des Warenverkehrs über die Grenze des Zollgebiets der Gemeinschaft sowie über die Freizonengrenzen unterliegt nach § 1 Abs. 2 ZollVG auch der Verkehr mit verbrauchsteuerpflichtigen Waren über die Grenze des deutschen Verbrauchsteuererhebungsgebietes der zollamtlichen Überwachung. Nach Abs. 3 sichert die zollamtliche Überwachung darüber hinaus die Einhaltung der gemeinschaftlichen oder nationalen Vorschriften, die das Verbringen von Waren in den, durch den und aus dem Geltungsbereich des ZollVG verbietet oder beschränkt (Verbote und Beschränkungen).
Rz. 13
Das ZollVG dehnt den Gegenstand der zollamtlichen Überwachung weiter aus als er in § 209 AO gefasst ist. Während § 1 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 ZollVG mit dem Gegenstand der zollamtlichen Überwachung des § 209 AO übereinstimmen, erweitert § 1 Abs. 3 ZollVG die zollamtliche Überwachung auf die Einhaltung der Verbote und Beschränkungen. Aufgrund der unterschiedlichen Regelungen über den Gegenstand der zollamtlichen Überwachung bzw. der Steueraufsicht entfachte in der Literatur ein Streit darüber, in welchem Verhältnis § 1 ZollVG und § 209 AO zueinander stehen.
Rz. 14
Die Einbeziehung der Verbote und Beschränkungen in die zollamtliche Überwachung durch § 1 Abs. 3 ZollVG entspricht der in § 1 Abs. 1 S. 2 ZollVG definierten Aufgabe der zollamtlichen Überwachung: die Sicherung der Erhebung von Einfuhr- und Ausfuhrabgaben sowie die Sicherung der Einhaltung des Zollrechts. Verbote und Beschränkungen finden ihre Rechtsgrundlagen in einzelstaatlichem Recht oder bereits harmonisierten gemeinschaftsrechtlichen Verordnungen. Originär zuständig für die Überwachung der Einhaltung der Verbote und Beschränkungen sind die für den jeweiligen Rechtsgüterschutz (z. B. Gesundheit von Mensch und Tier, Umwelt, öffentliche Ordnung etc.) zuständigen Bundes- bzw. Landesbehörden. Da diese Behörden den grenzüberschreitenden Warenverkehr nicht kontrollieren können, wurden diese dem Inhalt nach "zollfremden" Aufgaben der Zollverwaltung übertragen, die originär für die Überwachung des grenzüberschreitenden Warenverkehrs zuständig ist.
Rz. 15
§ 209 AO gilt nicht nur soweit, wie der Anwendungsbereich der AO reicht, sondern ist im Lichte des Gemeinschaftsrechts zu sehen, sodass § 209 AO auch für die Überwachung der Verbote und Beschränkungen gilt. Der Wortlaut der §§ 210 ff. AO spricht nicht gegen die Einbeziehung der Verbote und Beschränkungen in die der Steueraufsicht unterliegenden Sachverhalte, da der Gesetzeswortlaut nicht nur ausdrücklich die zoll- und verbrauchsteuerpflichtigen Waren, sondern auch sonstige "der Steueraufsicht unterliegende Sachverhalte" nennt. Unter diese sonstigen Sachverhalte fällt die verbotene oder beschränkte Ein-, Aus- und Durchfuhr von Waren.
Rz. 16
§ 10 ZollVG ermöglicht den Zollbehörden zur Durchführung der in § 1 ZollVG genannten Aufgaben bestimmte Kontrollmaßnahmen (sog. Anhalte- und Durchsuchungsrecht von Personen und Beförderungsmitteln im und außerhalb des grenznahen Raumes) durchzuführen, die teilweise über die in §§ 210 ff. AO eingeräumten Befugnisse hinausgehen. Insoweit geht das ZollVG der AO als lex specialis vor. Dem Wortlaut des § 10 Abs. 1 ZollVG nach gelten diese Kontrollbefugnisse "unbeschadet der §§ 209–211 AO", die als Rechtsgrundlage für alle anderen Kontrollmaßnahmen herangezogen werden können.