0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift ist durch Art. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) v. 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234) mit Wirkung zum 1.1.2018 in das SGB IX eingefügt worden.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Vorschrift regelt die Leistungen zur Mobilität für Leistungsberechtigte. Der Inhalt der Vorschrift entspricht dem bisherigen Recht. In Abs. 1 werden die Leistungen zur Beförderung und zur Leistung für ein Kraftfahrzeug beschrieben. In Abs. 2 sind die einzelnen Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen beschrieben. Abs. 3 regelt die Leistungen für ein Kraftfahrzeug, einschließlich Bemessung und Umfang. Schließlich sind in Abs. 4 die spezifischen Leistungen für minderjährige Leistungsberechtigte beschrieben.
2 Rechtspraxis
2.1 Leistungen zur Mobilität (Abs. 1)
Rz. 3
Nach Abs. 1 Nr. 1 umfassen die Leistungen zur Mobilität Leistungen zur Beförderung, insbesondere durch einen Beförderungsdienst (Schweitzer, in: BeckOK-SGB IX, § 83 Rz. 9; Winkler, in: Neumann/Pahlen/Greiner/Winkler/Westphal/Krohne, SGB IX, § 83 Rz. 6). Beförderung dient i. S. v. Nr. 1 ist ein gewerblicher bzw. geschäftsmäßiger Dienst. Hierunter fallen etwa Taxiunternehmen oder Beförderungsdienste von Hilfs- und Rettungsorganisationen (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 16.4.2007, L 1 R 2/05). Vom Wortlaut der Vorschrift nicht ausgeschlossen ist aber, dass ein Beförderungsdienst auch ein solcher ist, der durch Privatpersonen erfolgt (so LSG Niedersachsen-Bremen, a. a. O., zum Begriff des Beförderungsdienstes). Aus der gesetzgeberischen Absicht folgt, dass die Regelungen zur Eingliederungshilfe im SGB IX auch weiterhin dahingehend auszulegen sind, dass bei Durchführung einer bewilligten Eingliederungshilfemaßnahme notwendigerweise entstehende Fahrkosten als deren Bestandteil vom Eingliederungshilfeträger zu übernehmen sind (so auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss v. 27.7.2021, L 8 SO 79/21 B ER). Daraus folgt weiter, dass die eingeschränkten Voraussetzungen der Leistungen zur Mobilität in den §§ 83 und 114 nur für selbstständige Mobilitätsleistungen ohne notwendigen Zusammenhang mit anderen bewilligten Eingliederungshilfemaßnahmen Geltung beanspruchen (SG Rostock, Urteil v. 12.9.2023, S 8 SO 45/22). Nach Abs. 1 Nr. 2 umfassen die Leistungen zur Mobilität Leistungen für ein Kraftfahrzeug. Der Anspruch ist nicht auf die Anschaffung eines Kraftfahrzeugs beschränkt, sondern es kommt auch die Übernahme der Kosten für ein Mietfahrzeug in Betracht (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 9.6.2022, L 9 SO 353/21 B ER). Nach § 114 Nr. 1 gilt bei den Leistungen zur Mobilität nach § 113 Abs. 2 Nr. 7 allerdings § 83 mit der Maßgabe, dass die Leistungsberechtigten zusätzlich zu den in § 83 Abs. 2 genannten Voraussetzungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ständig auf die Nutzung eines Kraftfahrzeugs angewiesen sein müssen.
2.2 Leistungsberechtigte (Abs. 2)
Rz. 4
Leistungen nach § 83 stehen behinderten Menschen i. S. v. § 2 Abs. 1 zu. Dies sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate hindern können. Menschen, die von Behinderung bedroht sind, unterfallen nicht der Vorschrift. Anspruchsberechtigt sind auch schwerbehinderten Menschen gleichgestellte Personen (Schweitzer, in: BeckOK-SGB IX, § 83 Rz. 4).
Rz. 5
Leistungen nach Abs. 1 erhalten Leistungsberechtigte nach § 2, denen die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und Schwere ihrer Behinderung nicht zumutbar ist (Abs. 2 Satz 1). Das Zumutbarkeitskriterium gilt bei beiden Arten der Leistungen nach Abs. 1. Die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel ist dann nicht zumutbar, wenn der Leistungsberechtigte wegen seiner Behinderung die Fahrt nicht antreten kann oder die Fußwege zur und von der Haltestelle nicht zurückgelegt werden können. Entsprechendes gilt, wenn die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen einer – nicht die eigentliche Bewegung einschränkenden – Behinderung, z. B. besonders schwere Gesichtsentstellung, nicht zuzumuten ist (SG Karlsruhe, Urteil v. 10.9.2014, S 17 AL 4609/13 m. w. N.).
Rz. 6
Dabei muss die Art und Schwere der Behinderung kausal sein für die Unzumutbarkeit, infrastrukturelle Nachteile genügen nicht (BT-Drs. 9522/16 S. 266). Auch andere Aspekte wie z. B. die Erreichbarkeit und die Modalitäten des öffentlichen Personennahverkehrs sind nicht zu berücksichtigen (ebenso: Schweitzer, in: BecKOK-SGB IX, § 83 Rz. 6; Winkler, in: Neumann/Pahlen/Greiner/Winkler/Westphal/Krohne, SGB IX, § 83 Rz. 3a; kritisch dazu die Stellungnahme der Lebenshilfe zum BTHG v. 14.7.2016). Bei der Prüfung der Zumutbarkeit gilt nach der Rechtsprechung ein individueller und personenzentrierter Maßstab (BSG, Urteil v. 2.2.2012, B 8 SO 9/10 R; LSG Bayern, Urteil v. 21.1.2016, l 8 SO 159/13). Die Behinderung muss so ausgeprägt sein, dass dem Betroffenen nicht zugemutet werden kann, die normalen Wartezeiten, ...